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USA: So schmutzig ist Donald Trumps Kampf um die Macht

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So schmutzig ist Donald Trumps Kampf um die Macht

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    Donald Trump am Dienstagabend im Oval Office des Weißen Hauses. Hier hielt er eine Rede an die Nation zum Thema Grenzschutz.
    Donald Trump am Dienstagabend im Oval Office des Weißen Hauses. Hier hielt er eine Rede an die Nation zum Thema Grenzschutz. Foto: Carolyn Kaster/AP, dpa

    Normalerweise ist der Tag von Debra Delay eng getaktet. Gegen halb Acht am Morgen verlässt die Abteilungsleiterin im Washingtoner Handelsministerium ihr Haus im Nordosten der amerikanischen Hauptstadt und hetzt zur Arbeit. Spätestens um sechs am Abend holt die „Working Mom“ auf dem Heimweg ihre fünfjährige Tochter aus der Vorschule ab, kauft noch schnell ein und bereitet das Abendessen vor, das aufgetischt wird, wenn etwas später der Mann nach Hause kommt.

    Doch seit Weihnachten hat die 43-Jährige plötzlich viel Zeit. Sie hat das Haus geputzt, Freundinnen zum Kaffee getroffen, Arztbesuche erledigt und holt nun auch die Kinder der Nachbarn aus der Kita ab. „Es könnte schön sein“, sagt die Beamtin. Doch die Umstände sind unerfreulich.

    Debra Delay befindet sich im unbefristeten Zwangsurlaub. Wie 800.000 andere Bundesbedienstete wird die IT-Expertin seit 20 Tagen nicht bezahlt. Zwar hatten sie und ihre Kollegen vor Weihnachten den Haushaltsstreit verfolgt. „Wir dachten aber, das würde uns nicht betreffen“, berichtet sie. Immerhin ist ihre Behörde für die Erteilung der Ausnahmegenehmigungen von den Stahlzöllen zuständig, auf die viele US-Firmen dringend warten. Doch am 22. Dezember kam die Nachricht. Delay hatte vier Stunden Zeit, noch die wichtigsten E-Mails zu beantworten, verabredete Termine abzusagen und eine Abwesenheitsnotiz freizuschalten. Seither darf sie ihr Büro nicht mehr betreten, ihre dienstlichen Mails nicht lesen und das Job-Handy nicht nutzen.

    Der abrupte Verwaltungsstillstand, der sogenannte „Shutdown“, ist eine amerikanische Spezialität. Er droht immer dann, wenn sich der Präsident und das Parlament nicht auf das neue Budget einigen können. Meist ist er nach wenigen Tagen vorbei. Doch am Samstag könnte die bisherige Rekordzeit von 21 Tagen aus dem Jahr 1995/96 geknackt werden. Präsident Donald Trump will den Etat nämlich nur unterschreiben, wenn darin 5,7 Milliarden Dollar für sein Lieblingsprojekt einer Mauer zu Mexiko bereitgestellt werden. Das lehnen die erstarkten Demokraten entschieden ab.

    Nur auf den ersten Blick wirkt der politisch verordnete Stillstand relativ harmlos: Die amerikanischen Flughäfen sind weiter geöffnet, die Polizei ist im Einsatz und auch die Post wird noch zugestellt. Besuchern der Hauptstadt Washington fällt allerdings bald auf, dass die berühmten Smithsonian-Museen und der Zoo mit den beliebten Panda-Bären geschlossen sind. Die National Mall zwischen dem Kapitol und dem Lincoln Memorial wirkt wie eine öde Brache. Draußen im Land sind die meisten Nationalparks ohne Aufseher geöffnet. Dort bleiben die Toiletten ungereinigt, die Müllberge wachsen und zunehmend wird die Natur durch rücksichtslose Besucher in Mitleidenschaft gezogen, die mit ihren Geländewagen verbotswidrig querfeldein fahren.

    Die Müllberge wachsen und niemand räumt sie weg: Szene am Martin Luther King Jr. Memorial in Washington.
    Die Müllberge wachsen und niemand räumt sie weg: Szene am Martin Luther King Jr. Memorial in Washington. Foto: Jacquelyn Martin/AP, dpa

    Was ein landesweites Chaos noch verhindert

    Ein landesweites Chaos wird einstweilen verhindert, weil mehr als die Hälfte der von der Haushaltssperre betroffenen Beamten ohne Lohn trotzdem arbeiten muss. Davon sind neben den Steuerbehörden, der Bundespolizei FBI und dem Grenzschutz auch die Mitarbeiter des Secret Service betroffen, die für den Schutz des Präsidenten und der Regierung verantwortlich sind. Die meisten Staatsdiener wollen sich aus Furcht vor Repressalien nicht öffentlich äußern. Doch Donald Mihalek hat nach 20 Jahren beim Secret Service ohnehin seinen Abschied eingereicht. „Sie erwarten von dir, dass du dein Leben aufs Spiel setzt und bezahlen dich nicht – das ist irrwitzig“, beklagte sich der 49-Jährige in der New York Times.

    Die Ungewissheit über die Dauer des Zwangsurlaubs belastet zwar auch Debra Delay. Doch um ihr Auskommen muss sie sich vorerst keine Sorgen machen: Ihr Mann bringt weiter ein Gehalt nach Hause, und die Hypothekenraten für das Haus können aus dem Ersparten bestritten werden. „Ich bin privilegiert“, sagt Delay. „Andere haben echte Probleme.“ Das gilt vor allem für die Bezieher geringer Einkommen, die viele Einkäufe auf Pump tätigen und sich normalerweise von einer vierzehntägigen Gehaltszahlung zur nächsten hangeln. Sie stehen am Ende dieser Woche zum zweiten Mal ohne Scheck des Arbeitgebers da, während die Miete, die Auto-Raten, die Kreditkartenschulden und die Arztrechnungen bezahlt werden müssen.

    „Es geht um reale Menschen im realen Leben. Der Shutdown hat für sie ernste Konsequenzen“, kritisiert David Cox, der Präsident der American Federation of Government Employees, die rund 700.000 Staatsdiener vertritt, die Untätigkeit der Politik. Die Mehrzahl der Mitglieder lebt von weniger als 2000 Dollar im Monat. Um das Ausmaß der Belastung vieler Mittelschichtfamilien deutlich zu machen, hat die AFGE gemeinsam mit anderen Gewerkschaften an diesem Donnerstag zu einer Demonstration vor dem Weißen Haus aufgerufen.

    Viele gering bezahlten Regierungsjobs sind nämlich außerhalb von Washington angesiedelt, etwa im Städtchen Ogden nördlich von Salt Lake City. Die Winteridylle der einstigen Austragungsstätte der olympischen Ski-Wettbewerbe täuscht. Rund 4000 Mitarbeiter der Steuerbehörden und der Forstverwaltung warten hier seit drei Wochen auf ihren Lohn. Eine Reporterin der Washington Post, die sich vor Ort umsah, traf nicht nur auf frustrierte Ladenbesitzer, deren Umsätze mangels Kundschaft eingebrochen sind. Eine Finanzbeamtin berichtete ihr, dass sie darüber nachdenkt, für 200 Dollar Blut zu spenden, um die Haushaltskasse aufzubessern. Eine andere Bundesbedienstete, die alleine ein behindertes Kind großzieht, deckte sich in der Armenküche der katholischen Gemeinde verschämt mit Lebensmitteln ein. „Es ist peinlich“, sagte die Frau, „aber es geht nicht anders.“

    Ein Taxifahrer schimpft: „Wie soll ich davon leben?“

    Längst strahlt die Ausgabensperre zudem weit über den Kreis der Beamten hinaus. In Washington können die Standesämter keine Heiratsurkunden mehr ausstellen. Überall im Land warten Farmer auf Beihilfen für die Schäden durch den Handelskrieg. Doch das zuständige Büro des Landwirtschaftsministeriums ist geschlossen. Selbst neue Etiketten von Brauereien können nicht genehmigt werden, weil die Alkoholaufsichtsbehörde geschlossen ist.

    Am härtesten sind die Folgen dort, wo Firmen direkt oder indirekt vom Geschäft mit der Regierung abhängen. Das gilt vor allem für externe Dienstleister wie Putzkolonnen, Sicherheitspersonal oder Kantinenkräfte der Behörden.

    Während die Beamten darauf hoffen dürfen, dass der Kongress ihnen nach Ende des Shutdowns den entgangenen Lohn nachzahlt, werden die Fremdfirmen nur bei erbrachter Leistung entlohnt. Ihre Mitarbeiter wurden mit einer lapidaren „Stop Work“-Notiz von einem Tag auf den anderen unbezahlt nach Hause geschickt und wissen nicht einmal, ob ihr Arbeitgeber die finanzielle Durststrecke übersteht.

    Auch Restaurantbesitzer und Taxifahrer in Behördenstädten leiden. „Sie sind mein dritter Kunde heute Nachmittag“, begrüßt Uber-Fahrer Mohammed frustriert den Fahrgast am ansonsten stets belebten Washingtoner Dupont Circle. „Das ist dramatisch“, schimpft der Mann, der vor 40 Jahren aus Pakistan in die USA kam: „Wie soll ich davon leben? Aber das interessiert unseren Präsidenten einen Scheißdreck!“

    Dieser Darstellung würde Donald Trump natürlich widersprechen. „Meine amerikanischen Mitbürger“, wandte er sich am Dienstagabend zur besten Sendezeit aus dem Oval Office an die Nation: „Ich spreche zu Ihnen, weil es eine wachsende humanitäre und Sicherheitskrise an unserer südlichen Grenze gibt.“ Nichts von dem, was der Präsident mit viel Pathos und präsidialem Habitus über die angeblich massenhafte Zuwanderung von Illegalen, die Kriminalität von Migranten, die Polizistenmorde oder den Drogenschmuggel vortrug, war neu. Viele Fakten waren verdreht oder überzeichnet. Aber die Stoßrichtung ist klar: „Wie viel amerikanisches Blut müssen wir noch vergießen, bevor der amerikanische Kongress seine Arbeit macht?“, fragte Trump suggestiv.

    Warum die Mauer zu Mexiko für Trump so wichtig ist

    Die Mauer zu Mexiko ist für Trump weit mehr als ein Außenzaun. Sie ist sein zentrales Wahlversprechen, und sie wäre ein mächtiges Symbol für seine nationalistische Politik ebenso wie ein monumentales Denkmal für seine Person. Der Shutdown, den er als Hebel für sein großes Ziel nutzen will, kam in der Rede nur ganz am Rande vor: „Die Verwaltung steht aus einem einzigen Grund still – weil die Demokraten die Grenzsicherung nicht bezahlen wollen“, behauptete Trump.

    Das ist Donald Trump

    Donald Trump ist der aktuelle Präsident der USA. Fakten und Zahlen zu ihm.

    Donald Trump, geboren am 14. Juni 1946, ist das vierte von fünf Kindern des Immobilienunternehmers Frederick Trump Jr. und seiner Frau Mary Anne MacLeod.

    Trumps Großeltern Frederick Trump und Elisabeth Christ stammen aus Kallstadt in der Pfalz und waren nach Amerika ausgewandert.

    Trump studierte Wirtschaftswissenschaft an der Fordham University in New York und an der renommierten Wharton School in Philadelphia.

    Schon als Student machte Trump sich selbstständig, indem er mit einem vom Vater gestellten Startkapital von 200.000 Dollar preiswert marode Häuser erwarb, sanierte und teuer weiter verkaufte.

    1974 übernahm er das Unternehmen des Vaters und realisierte Bau- und Hotelprojekte in den USA und anderen Ländern. Zu den bekanntesten zählen in New York der Trump Tower, der Trump World Tower sowie das Trump Building.

    Die Geschäftsfelder des Donald Trump sind vielfältig: Er investierte in Aktien, besitzt eine Modelagentur und betreibt 18 Golfplätze. Aus dem Geschäft mit Spielbanken und einer eigenen Fluglinie zog er sich dagegen zurück.

    Trump veröffentlicht 16 Bücher, die als Ratgeberliteratur von Verhandlungs- und Geschäftspraxis handeln.

    Trump hatte immer wieder kurze Gastauftritte in Filmen und Fernsehserien, wie in Kevin – Allein in New York, Der Prinz von Bel-Air oder Sex and the City. 2004 und 2015 war Trump Gastgeber der US-amerikanischen Comedy-Show Saturday Night Live des Senders NBC.

    Donald Trump heiratete 1977 das tschechische Model Ivana Marie Zelníčková, mit der er drei Kinder hat. 1992 folgte die Scheidung. Trump war kurzzeitig mit Carla Bruni liiert, der jetzigen Gattin des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Von 1993 bis 1999 hieß Trumps Ehefrau Marla Maples. Mit der Schauspielerin hat er eine Tochter.

    2005 heiratet er das Model Melania Knauss, mit der er einen weiteren Sohn hat. Inzwischen ist er achtfacher Großvater.

    Trump ist ein politisches Chamäleon: 1987 registriert er sich bei den Republikanern, wechselt 1999 zur Independence Party, 2001 zu den Demokraten und 2009 wieder zu den Republikanern.

    Im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft im Jahr 2016 provozierte Trump mit rassistischen und sexistischen Aussagen. Er beleidigte Behinderte und drohte, seine Konkurrentin Hillary Clinton ins Gefängnis zu schicken.

    Bei der US-Wahl am 8. November 2016 gelang es ihm dennoch, eine deutliche Mehrheit der Wahlmänner hinter sich zu vereinen.

    Wie es nun weitergeht, ist nach diesem konfrontativen Auftritt völlig unklar. Am Donnerstag will Trump nach Angaben des Weißen Hauses an die Grenze zu Mexiko reisen. Ein Spitzentreffen mit Vertretern der Demokraten hatte er am Mittwochnachmittag abrupt verlassen. Es sei "totale Zeitverschwendung" gewesen, schrieb Trump auf Twitter.

    Aber auch die Demokraten wirken derzeit kaum kompromissbereit. Sie registrieren mit Genugtuung, dass in Umfragen mehr als die Hälfte der Befragten den Präsidenten für den Shutdown verantwortlich macht. Auch wächst an der Basis langsam der Druck auf die republikanischen Senatoren, dem Spuk bald ein Ende zu bereiten.

    Vor allem könnten die Auswirkungen bald dramatisch zunehmen. Mehrere hundert TSA-Beamte, die für die Sicherheitskontrollen an den Flughäfen zuständig sind und derzeit ohne Gehalt arbeiten müssen, haben sich verärgert krankgemeldet. Reisende berichten von ersten Warteschlangen. Noch habe man die Lage im Griff, versichert ein Behördensprecher. Doch wenn am Wochenende der Gehaltsscheck ausbleibe, werde es „natürlich schwieriger“. Ende nächster Woche läuft zudem das Budget für viele Distriktgerichte in den USA aus. Zivilverfahren sollen dann auf unbestimmte Zeit vertagt werden.

    Auch Debra Delay macht sich mit jedem Tag größere Sorgen. Die Jahresplanung für Projekte ihrer Abteilung sei nun Makulatur, sagt sie. Zudem werden drei Viertel der Vorhaben mit externen Experten abgewickelt. Die sind am Markt begehrt und haben keine Lust, wochenlang auf ihr Geld zu warten. Nun fürchtet Delay, dass sich Mitglieder ihrer Arbeitsgruppe andere Auftraggeber suchen und beim Ende des Verwaltungsstillstands verschwunden sind: „Das wäre furchtbar.“

    Politisch profitieren werde keine Seite von dem gigantischen Machtkampf, glaubt Delay: „Das ist einfach nur eine gewaltige Verschwendung von Arbeitskraft und Geld“. Die wirklichen Verlierer, sagt sie, „sind die Beschäftigten“.

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