Im Dauerstreit zwischen dem Iran und den USA kommt eine neue Eskalationsspirale in Gang. Erst fuhren iranische Schnellboote gefährlich nahe an US-Kriegsschiffe im Persischen Golf heran, dann schoss die Revolutionsgarde den ersten iranischen Militärsatelliten ins All. Am Donnerstag schließlich drohte die Garde mit Angriffen auf US-Schiffe. Die Machtdemonstrationen entsprechen ihrem Machtzuwachs im Iran und sollen den USA klarmachen, dass sich das Land trotz Sanktionen und Corona-Krise nicht von seinem offensiven Kurs im Nahen Osten abbringen lässt.
Konflikt zwischen Iran und den USA: Innenpolitische Motive auf beiden Seiten
US-Präsident Donald Trump reagiert mit der Anweisung, die amerikanische Marine solle bei künftigen Provokationen im Golf die iranischen Boote versenken. Iran-Hardliner in Washington sowie der US-Partner Israel werfen dem Iran zudem vor, an Interkontinentalraketen zu bauen.
Auf beiden Seiten der Konfrontation spielen innenpolitische Motive eine große Rolle. Das iranische Regime steht zu Hause unter großem Druck, weil sich die Wirtschaftskrise wegen der US-Sanktionen und des Ölpreisverfalls verschlimmert und weil sich die Behörden dem Vorwurf ausgesetzt sehen, im Kampf gegen das Coronavirus zu spät gehandelt zu haben.
Der Sieg der iranischen Hardliner bei der Parlamentswahl im Februar hat die Befürworter eines kompromisslosen Kurses in Teheran gestärkt, die Anhänger einer Öffnung des Landes um Präsident Hassan Ruhani sind in der Defensive.
Donald Trump will von Corona-Problemen im eigenen Land ablenken
Auch Trump hat wegen seines vielfach kritisierten Umgangs mit der Corona-Krise und wegen der schnell wachsenden Arbeitslosigkeit allen Grund, von innenpolitischen Problemen abzulenken. Hinzu kommt die anstehende Präsidentenwahl im November, vor der Trump jedes Anzeichen von Schwäche gegenüber den iranischen Mullahs vermeiden will. Er werde nicht zulassen, dass die Iraner amerikanische Kriegsschiffe bedrängen und dabei auch noch „Spaß haben“, sagte Trump in Washington. Die US-Marine werde künftig das Feuer auf die iranischen Boote eröffnen.
Iranisch-amerikanisches Zerwürfnis steuert auf neuen Höhepunkt zu
Damit steuert das iranisch-amerikanische Zerwürfnis auf einen neuen Höhepunkt zu. Seit Trump vor zwei Jahren den Rückzug der USA aus dem internationalen Atomvertrag mit dem Iran anordnete und neue Sanktionen gegen Teheran einführte, sind die beiden Länder mehrmals an den Rand einer militärischen Konfrontation geschlittert.
Zuletzt fachten die USA im Januar mit der Ermordung des iranischen Generals Soleimani die Spannungen an; der Iran antwortete damals mit Raketenbeschuss auf amerikanische Militärstützpunkte im Irak. Am Donnerstag erklärte der Chef der iranischen Revolutionsgarde, Generalmajor Hossein Salami, die Marine-Einheiten der Garde im Golf hätten Befehl, US-Schiffe anzugreifen, wenn diese die Sicherheit der iranischen Schiffe gefährden sollten.
USA und Iran wollen einen Krieg vermeiden
Trotz des Säbelrasselns wollen beide Seiten einen Krieg vermeiden. Trump stellte klar, dass seine Drohung gegen die Iraner die offiziellen Einsatzregeln für die amerikanische Marine nicht verändert: Das bedeutet, dass die Kapitäne der US-Kriegsschiffe bei Begegnungen mit iranischen Schnellbooten auch weiterhin auf Deeskalation setzen werden.
Gefährlich ist die Lage aber trotzdem. Das liegt aus amerikanischer Sicht auch am Start des iranischen Militärsatelliten „Nuhr“ („Licht“). Dabei interessiert sich Washington besonders für das Trägersystem „Kassed“, das den Satelliten ins All brachte. Denn „Kassed“ – persisch für „Bote“ – könnte ein Zeichen dafür sein, dass der Iran an Interkontinentalraketen baut.
Israel fürchtet Atomangriff aus dem Iran
Israel, das von iranischen Raketen besonders bedroht ist, warf Teheran die Entwicklung von Langstreckenwaffen vor, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden könnten.
Auch US-Außenminister Michael Pompeo sagte, der Satelliten-Start sei ein Beweis dafür, dass der Iran militärische Ziele verfolge. Teheran müsse deshalb zur Rechenschaft gezogen werden. John Bolton, ehemaliger Sicherheitsberater im Weißen Haus, forderte auf Twitter eine weitere Verschärfung des Kurses gegenüber Teheran. In einem Brief an Trump verlangten 50 Experten und frühere Regierungsexperten ebenfalls, die Politik des „maximalen Drucks“ auf das Mullah-Regime zu verstärken. Der Präsident wird sich wohl nicht lange bitten lassen.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Trump stoppt Einwanderung: Amerikas Arbeiter zuerst
- Syrische Staatsfolter: Zwei mutmaßliche Täter in Deutschland vor Gericht
- Fastenmonat: Ramadan in Zeiten der Corona-Krise
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.