Ein wütender Mob wirft Fensterscheiben ein, Randalierer stürmen das Kongressgebäude, Parlamentssäle müssen geräumt werden: Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump stürzten das politische Zentrum der USA am Mittwoch in ein beispielloses Chaos. Die Ausschreitungen beschäftigen heute die Kommentarspalten der Zeitungen - in den USA und der ganzen Welt. Die Presseschau im Überblick.
Das schreiben amerikanische Zeitungen über den Sturm auf das Kapitol
"Die Weigerung von Präsident Trump, seine Wahlniederlage zu akzeptieren und seine unablässige Aufstachelung seiner Anhänger, führte am Mittwoch zu dem Undenkbaren: ein Angriff auf das US-Kapitol von einem gewalttätigen Mob, der die Polizei überwältigte und den Kongress aus seinen Räumen trieb, während dort gerade die Zählung der Stimmen der Wahlleute debattiert wurde. Die Verantwortung für diesen Akt der Aufwiegelung liegt direkt beim Präsidenten, der gezeigt hat, dass seine andauernde Amtszeit eine große Bedrohung für die US-Demokratie darstellt. Er sollte abgesetzt werden." Washington Post
"Das war die Tat eines Mannes, der nicht bereit war, seine Pflichten als Präsident zu erfüllen oder sich den Folgen seines eigenen Verhaltens zu stellen. Der Präsident muss zur Rechenschaft gezogen werden - durch Amtsenthebungsverfahren oder strafrechtliche Verfolgung - und das gilt auch für seine Anhänger, die die Gewalt ausgeübt haben. Außerdem muss mit der Zeit untersucht werden, ob die Capitol Police sich nicht auf einen Angriff vorbereitet hat, der öffentlich angekündigt und geplant wurde." New York Times
Presse über Sturm aufs Kapitol:"Autoritäre Führer in China und Russland lachen sich ins Fäustchen"
"Ich nenne es einen Putschversuch. Denn obwohl ich davon ausgehe, dass das die Biden-Präsidentschaft nicht verhindern wird, war das sicherlich Ziel der Ausschreitungen und Teil einer Kampagne zur Delegitimierung und damit zur Schwächung der künftigen Regierung." Guardian
"Bevor der bewaffnete Aufstand das Kapitol überwältigte, gab es etwas, das normalerweise als eine bemerkenswerte Rede von Mitch McConnell, dem Anführer der republikanischen Senatsmehrheit, wahrgenommen worden wäre. Er erklärte eindeutig, dass die Präsidentschaftswahl nicht gestohlen wurde und dass sie auch nicht nur knapp ausgegangen sei. Der Trump-Teil der republikanischen Bewegung sieht das als Verrat an, ebenso wie die Weigerung von Vizepräsident Mike Pence, das Wahlergebnis einseitig aufzuheben. Es ist nun eine offene Frage, ob eine arbeitsfähige Koalition zwischen Republikanern der Mitte und Trumps populistischen Kräften immer noch möglich ist. Trump könnte das Zerbrechen seiner Partei der Liste seiner Errungenschaften hinzufügen." The Times
"Eine mühsame Aufgabe des nationalen Wiederaufbaus liegt vor uns. Joe Biden scheint aufgrund seiner Erfahrung und seines Geistes eine gute Figur zu sein, um es zu versuchen. Aber der Schaden ist enorm. Bei dieser Aufgabe ist die Einheit aller Demokraten in den Vereinigten Staaten von entscheidender Bedeutung, um das für die Demokratie schädliche Virus zu isolieren, das Donald Trump verkörpert." El Pais
"Es ist klar, dass der Sturm auf das Kapitol weltweit große Auswirkungen haben wird. Wie immer es weitergeht, dies ist ein schwerer Schlag für die amerikanische Demokratie. Das gesamte System wird nun in Zweifel gezogen. Abgesehen von der Frage, ob es für dieses Geschehen irgendeine logische Begründung gibt, bleibt vor allem die Feststellung, dass der Glaube an Wahlen in einer Nation gestorben ist, die behauptete, die Demokratie in andere Länder zu exportieren. Das ist nicht nur für die USA ein schwarzer Tag. Autoritäre Führer in China und Russland lachen sich ins Fäustchen. Dem westlichen Modell demokratisch errichteter Gesellschaften ist mehr als nur ein heftiger Schlag zugefügt worden. Für Joe Biden ist das ein Alptraum. Nicht allein, weil die Amtsübergabe zu einem vollständigen Chaos gerät, sondern vor allem, weil er nun die Glaubwürdigkeit der USA wiederherstellen muss." De Tijd
Sturm auf das Kapitol in Washington: So blickt die deutsche Presse auf die Ereignisse in den USA
"Die Szenen aus Washington schockieren. Sie überraschen jedoch nicht. Der Putschversuch der Wahlverlierer ist das grotesk anmutende, aber erschütternde Finale eines vierjährigen, autokratischen Fiebertraums, dessen unheimlicher Regisseur Donald Trump war, der selbsternannte 'Law-and-Order'-Präsident, assistiert von der zusehends radikalisierten Republikanischen Partei und rechtsextremen Propagandamedien. Spiegel
"Wenn es noch eines Beweises bedurfte, wie sehr die Präsidentschaft Trumps in vier Jahren die Fundamente der US-Demokratie erschüttert hat, dann haben die unrühmlichen Szenen auf dem Kapitolshügel von Washington ihn erbracht. Trump ist bereit zu allem, wenn es darum geht, sich an die Macht zu klammern. Er ist ein Brandstifter, der seine Hände in Unschuld wäscht. Dass er später die Nationalgarde ausschickte, um die zuvor von ihm aufgeputschten Massen wieder unter Kontrolle zu bringen, kann niemanden mehr täuschen. Was da aufgegangen ist, ist die Saat des Demagogen im Weißen Haus. Er wird nicht damit durchkommen." Badische Zeitung
"Der Sturm auf das Kapitol ist mehr als nur ein unrühmlicher Schlusspunkt unter Trumps Schreckenspräsidentschaft. Es ist ein Tag, der schonungslos vor Augen führt, wie tief die Spaltung in den USA ist. Wie kann man jemals Menschen wieder zur Vernunft bringen, die wegen einer Wahl, die anders ausgegangen ist, als man sich das gewünscht hat, das Kapitol stürmen und andere derart bedrohen und attackieren? Wie soll Joe Biden diese Nation wieder heilen? Am Ende dieses Mittwochs bleiben vor allem zwei Dinge: Entsetzen und Ratlosigkeit." Augsburger Allgemeine(Lesen Sie den ganzen Kommentar hier)
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Auf dieser Seite finden Sie unsere Artikel zum Sturm auf das Kapitol in den USA.
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