Washington Newt Gingrich hat bei der Vorwahl zur republikanischen Präsidentschaftskandidatur einen unerwartet hohen Sieg eingefahren. In South-Carolina sprachen sich 40 Prozent der Wahlberechtigten für den 68-Jährigen aus. Der bisherige Favorit Mitt Romney (64) kam nur auf 28 Prozent. Einen Tag zuvor hatten sie in den Umfragen gleichauf gelegen. Für die entscheidende Nominierungsversammlung hat Romney bislang 31 Delegierte, Gingrich 26. Zum Sieg sind 1144 nötig.
Gingrichs Kampagne war bereits mehrfach für tot erklärt worden, zuletzt nach einem kümmerlichen Ergebnis in New Hampshire. Er gilt als Schwergewicht unter den republikanischen Präsidentschaftskandidaten, für viele allerdings auch als „Dinosaurier“. Schon dass der ehemalige Gegenspieler Bill Clintons seinen Hut 2011 überhaupt in den Ring warf, sorgte im Führungszirkel der Partei für Unruhe.
Gingrich ist einer der einflussreichsten US-Politiker des 20. Jahrhunderts; er hat vier Präsidenten als Abgeordneter erlebt. Der promovierte Historiker rückte seine Partei in den 80er und 90er Jahren ideologisch nach rechts und führte sie 1994 erstmals nach 40 Jahren im Repräsentantenhaus an die Macht. Als Gegenüber des damaligen demokratischen Präsidenten Clinton ließ er es tatsächlich zur Haushaltssperre kommen, mit der die Republikaner 2011 nur drohten. Er rechnet sich allerdings in Kooperation mit Clinton auch eine Konsolidierung der Sozialsysteme, einen Aufschwung am Arbeitsmarkt und mehrere ausgeglichene Etats in Folge an.
Revolte gegen Newt Gingrich
Genießen konnte Gingrich seinen Erfolg nur kurz: Nachdem die eigenen Leute gegen ihn revoltiert hatten, zog er sich 1999 als Sprecher des Repräsentantenhauses zurück und gab auch seinen Sitz im Kongress auf: „Ich bin bereit zu führen“, grollte er damals, „aber ich bin nicht bereit, den Vorsitz über Kannibalen zu übernehmen.“ Gingrich wurde Privatier und machte ein Vermögen als Berater und Autor.
Weggefährten bescheinigen dem 68-Jährigen damals wie heute genialische Anflüge, aber auch Jähzorn, Sprunghaftigkeit und Größenwahn. Sein Beraterstab zeichnet das Bild eines gereiften, geläuterten Großvaters, aber Minderwertigkeitskomplexe hat Gingrich immer noch nicht: „Ja, ich denke großartige Gedanken“, tönte er, als er in der jüngsten TV-Debatte darauf angesprochen wurde. „Dies ist ein großartiges Land, in dem großartige Menschen großartige Dinge tun.“
Gingrichs größtes Handicap ist, dass sein eigenes Tun mit den geäußerten Gedanken oft kontrastiert. Der konvertierte Katholik, der wie die konservative Konkurrenz viel Zeit darauf verwendet, sittliche Ideale zu predigen, ist selbst zum dritten Mal verheiratet. 1997 musste er wegen Steuervergehen und Falschaussagen im Parlament eine Rekordstrafe zahlen.
Der politische Einbruch der Republikaner, der 1999 zu seinem Abschied führte, hing auch damit zusammen, dass Gingrich vergeblich versucht hatte, Clinton wegen dessen Lewinsky-Skandal aus dem Amt zu drängen. Zur fraglichen Zeit betrog Gingrich allerdings seine eigene Frau ebenfalls. Nach seiner aktiven Zeit kassierte er als Berater rund 1,7 Millionen Dollar von der Hypothekenbank Freddie Mac. Selbst Republikaner fürchten, dass dieses Honorar eine Einflussnahme auf den damaligen Reglementierungsprozess sicherstellen sollte.
Newton Leroy McPherson wurde am 17. Juni 1943 in Pennsylvania als Sohn einer Teenagerin geboren und später von ihrem zweiten Mann, dem Offizier Robert Gingrich, adoptiert. Er ging im Bundesstaat Georgia zur Schule, für den er schließlich 20 Jahre im Kongress arbeitete. In den Südstaaten werden ihm deshalb Heimvorteile zugeschrieben. Die rechte Basis erhofft sich von ihm wirkungsvolle Attacken auf Präsident Obama. Diejenigen, die sich einen Kandidaten wünschen, der mit dem vermeintlichen Filz der Hauptstadt aufräumt, sind mit dem Washingtoner Urgestein weniger glücklich. Er symbolisiert für viele keinen Schritt nach vorn, sondern zwei zurück.