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USA: Lügen auf Twitter sind für das Modell Trump systemrelevant

USA

Lügen auf Twitter sind für das Modell Trump systemrelevant

Simon Kaminski
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    Donald Trump nimmt es mit der Wahrheit nicht immer so genau. Jetzt hat der Kurznachrichtendienst Twitter den US-Präsidenten öffentlich auflaufen lassen.
    Donald Trump nimmt es mit der Wahrheit nicht immer so genau. Jetzt hat der Kurznachrichtendienst Twitter den US-Präsidenten öffentlich auflaufen lassen. Foto: Evan Vucci, dpa

    Was auch immer Donald Trump gesagt oder getwittert hat, wie offensichtlich es auch immer ist, dass es letztlich nichts als Unsinn ist: Seine Anhänger glauben ihm fast immer – wenn nicht, verzeihen sie ihm sofort. Dieser eine Satz fehlte fast nie, wenn der US-Präsident mal wieder dreist gelogen, gepöbelt oder gedroht hat: Wahlumfragen und Beliebtheitsskalen schienen das Trump’sche Gesetz immer wieder zuverlässig zu bestätigen.

    Doch angesichts des in den USA verheerend wütenden Coronavirus, bei dessen Bekämpfung Trump kläglich versagt hat, wachsen die Zweifel. Nicht, dass sich die Treuesten der Treuen von ihrem Idol abwenden würden. Doch einige unter seinen Wählern, die ab und zu doch länger als eine Sekunde darüber nachdenken, was der erste Mann im Staate so alles von sich gibt, gehen offensichtlich auf Distanz. In nahezu allen Bundesstaaten mit einer starken Gruppe von potenziellen Wechselwählern liegt Herausforderer Joe Biden in den Umfragen in Front. Dort also, wo sich die Präsidentschaftswahlen traditionell entscheiden. Diese für den Amtsinhaber bedrohliche Entwicklung scheint sich zu verstetigen. Und das liegt gewiss nicht daran, dass Biden ein so brillanter, mitreißender Visionär ist. Nein, es reicht schon aus, dass der 77-jährige Demokrat völlig anders ist als der aufbrausende, kaum berechenbare Mister President.

    Dass der Wind sich dreht, dürfte Trump nicht entgangen sein

    Dass der Wind sich dreht, dürfte dem Bauchmenschen Trump nicht entgangen sein. Sein bewährtes Rezept dagegen: ein Bombardement von kleinen, nicht selten bösen Sätzen auf Twitter. Da geht es um immerhin rund 80 Millionen Menschen, die ihm auf Twitter folgen. Viele verzehren sich nach den knappen Nachrichten des Präsidenten wie andere nach Schokolade.

    Doch die Basis, auf der Trump seine Klientel direkt und ungefiltert ansprechen kann, könnte nun ins Wanken geraten. Und zwar, um im Bilde zu bleiben, weil der bekannteste Nutzer der Plattform mit seinen Tweets dort so hohe Wellen schlägt, dass die Taue zu reißen drohen. Trump lügt, dass sich die Balken biegen. Das ist nichts Neues, aber die Twitter-Macher sehen die – ohnehin überschaubare – Reputation ihres einträglichen Dienstes für Kurznachrichten in Gefahr. Unter diesem Druck wagten sie es, Trumps Behauptung, dass Briefwahl ein Einfallstor für Betrug und Manipulation sei, erstmals mit einem Faktencheck zu konterkarieren – mit einem niederschmetternden Ergebnis für den Präsidenten.

    Trump und sein Regierungsteam antworteten voller Zorn

    Trump und sein Regierungsteam antworteten voller Zorn. Und mit Drohungen. Die Rede war sogar von einer möglichen Schließung der Dienste. Eine Verfügung gegen die Anbieter, die bereits in Vorbereitung war, soll zügig in Kraft treten. Doch ganz abgesehen davon, dass es – gerade in den USA – schwer sein dürfte, eine rechtliche Grundlage für den präsidialen Eingriff zu finden: Was will Trump erreichen? Ganz einfach. Sein Ziel ist es, weiterhin unwidersprochen Lügen auf Twitter verbreiten zu können. Auch wenn er, wie bei seiner Empfehlung, gegen Corona Desinfektionsmittel zu spritzen, dabei mitunter die Gesundheit der Leser seiner Tweets gefährdet.

    Lügen und Beleidigungen sind essenziell für seine Präsidentschaft

    Die Wahrheit ist: Lügen und Beleidigungen sind essenziell für Trumps Präsidentschaft. Man könnte auch sagen: systemrelevant. Was wäre, wenn Trump – unterstützt durch umsichtige Berater – nur noch sachlich und faktengesättigt twittern würde?

    Spätestens dann würden auch die Treuesten der Treuen ins Grübeln geraten. Denn dann würde sich der Mann anhören wie ein ganz normaler Politiker, wie das Establishment. Das wäre der Anfang vom Ende der Marke Trump.

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