Verführerisch funkelt die neue Konsumwelt: Wenn die großen Kreuzfahrtschiffe aus dem kapitalistischen Norden auf Kuba anlegen, spülen sie Millionen in die Staatskasse. In der Altstadt Havannas haben derweil die Restauratoren ganze Arbeit geleistet und das koloniale Erbe der kubanischen Metropole auf Hochglanz geputzt. Hier stehen jetzt die kleinen Kathedralen des Konsums, Luxushotels und Edelboutiquen, neben alten historischen Kirchen. Und mehr und mehr Apartments öffnen die Türen für zahlungskräftige Gäste: Der Vermieter temporärer Ferienwohnungen Airbnb meldete zuletzt Millioneneinnahmen.
Vom Aufschwung profitiert auch das kubanische Militär, das hinter dem staatlichen Tourismuskonzern Gaesa steht. Genau das aber ist der US-Regierung unter Donald Trump ein Dorn im Auge. Sie befürchtet, dass die Millionenströme den Militär- und Geheimdienstapparat noch dominanter machen und damit die Macht der kommunistischen Eliten stärken. Deswegen verkündete Trump gegen Kuba wieder Reise- und Handelsbeschränkungen.
Obamas Ziel: Demokratie durch wirtschaftliche Öffnung
Ziel der Obama-Strategie war, dass mit der wirtschaftlichen Öffnung auch eine demokratische Öffnung einhergehe. „Die Maßnahmen haben Kubas Diktatur sogar noch gestärkt“, sagt jedoch Rosa Maria Paya, Tochter des vor ein paar Jahren auf mysteriöse Weise ums Leben gekommenen Oppositionsführers Oswaldo Paya. Denn geführt wird der staatliche Tourismuskonzern von Raul Castros Schwiegersohn. Die Verhandlungen mit der Obama-Regierung führte der Sohn des Machthabers Alejandro Castro Espin. Was den Einfluss der Familie auf die Regierungsgeschäfte und ihre Verknüpfungen mit der nationalen Wirtschaft angeht, sind sich die Familien Trump und Castro erstaunlich ähnlich.
Im Park Ghandi, dem Aufmarschgebiet der kubanischen Opposition, hat sich nichts geändert: Die Bürgerrechtsorganisation „Frauen in Weiß“ versucht hier ihr wöchentliches Ritual zu wiederholen. Schweigend und nur mit einer Blume bewaffnet marschieren sie, um friedlich für eine Öffnung des Ein-Parteien-Systems zu demonstrieren. Sie fordern freie Wahlen, die Zulassung von Parteien und eine freie Presse.
Die Familie Castro hat das System nicht gelockert
Doch fast seit 100 Sonntagen in Folge wird sie daran massiv und zum Teil auch mit Gewalt des Inlandsgeheimdienstes an ihrem Demonstrationsrecht gehindert. Nach Angaben der kubanischen Kommission für Menschenrechte werden weiterhin jeden Monat hunderte Menschen verhaftet, weil sie für eine Öffnung und eine Demokratisierung Kubas demonstrieren. Die meisten dieser Verhaftungen sind vorübergehend, doch es kommt auch zu langjährigen Haftstrafen gegen strategisch wichtige kubanische Oppositionelle, die der Regierung einmal gefährlich werden könnten.
Kuba und die USA: Von der Eiszeit zur Normalisierung
1960: Washington erlässt ein Teilembargo. Schon unmittelbar nach der Revolution 1959 hatten die USA die Wirtschaftshilfe eingestellt und die Einfuhr von Zucker gedrosselt, Kubas wichtigstem Exportgut.
1961: Im Januar bricht Washington seine diplomatischen Beziehungen zu Havanna ab. Im April versucht eine Söldnertruppe von Exilkubanern, mit Hilfe des US-Geheimdienstes CIA das Regime zu stürzen. Kubas Revolutionsarmee schlägt die Invasion in der Schweinebucht zurück.
1962: Die USA verhängen ein komplettes Handelsembargo. Die Kubakrise führt die Welt an den Rand eines Atomkrieges. Wegen der Stationierung sowjetischer Atomraketen auf der Insel ordnet US-Präsident John F. Kennedy eine Seeblockade an, Kremlchef Nikita Chruschtschow zieht die Raketen wieder ab.
1977: 16 Jahre nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen eröffnet Washington in Havanna eine Interessenvertretung unter dem Dach der Schweizer Botschaft.
1982: Washington wirft Kuba vor, Terroristen in anderen Staaten zu unterstützen, und setzt das Land auf die US-Terrorliste.
1992: Der US-Kongress verabschiedet den "Cuban Democracy Act", der US-Firmen in Drittländern jeden Kuba-Handel untersagt.
1999: Die USA lockern ihre Sanktionen. So soll es künftig mehr Charterflüge nach Kuba geben.
2004: US-Präsident George W. Bush verschärft Reisebeschränkungen für US-Bürger und schränkt Geldüberweisungen weiter ein.
2009: US-Präsident Barack Obama hebt die Reisebeschränkungen für Exilkubaner auf. Außerdem dürfen sie wieder Geld nach Kuba schicken. Bald darauf gibt es auch wieder Gespräche auf Regierungsebene.
2014: Im Dezember kündigen Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro an, die bilateralen Beziehungen zu normalisieren.
2015: Nach einigen Telefonaten treffen sich Obama und Raúl Castro im April erstmals zu einem direkten Gespräch beim Amerika-Gipfel in Panama. Im Mai wird Kuba von der US-Terrorliste gestrichen. Im Juli werden die diplomatischen Beziehungen wiederhergestellt. Im August reist Außenminister John Kerry als erster US-Chefdiplomat seit 1945 nach Havanna und eröffnet die Botschaft wieder.
2016: Im Februar wird eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach es vom Herbst an wieder direkte kommerzielle Flugverbindungen geben soll. Obama kündigt an, als erster US-Präsident seit 1928 Kuba zu besuchen.
Das alles sorgt bei Kubas Dissidenten für großen Frust. Sie hatten sich vom Tauwetter zwischen Washington und Havanna auch eine schrittweise politische Öffnung des Systems versprochen. Doch die hat die Familie Castro nicht geliefert. „Das Einzige, was uns bleibt, ist, dass wir auf die schweren Menschenrechtsverletzungen in Kuba hinweisen können. Wir haben keine andere Möglichkeit“ , sagt Paya.
Raul Castro wird in wenigen Monaten abtreten, doch hinter den Kulissen stellt seine Familie bereits die Weichen für die Nachfolge.
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