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USA: Impeachment wird zu Showdown für Demokraten und Republikaner

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Impeachment wird zu Showdown für Demokraten und Republikaner

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    US-Präsident Donald Trump bezeichnete die Anhörungen und das Impeachment mehrfach als "Hexenjagd".
    US-Präsident Donald Trump bezeichnete die Anhörungen und das Impeachment mehrfach als "Hexenjagd". Foto: Patrick Semansky, AP, dpa (Archiv)

    Vier Stunden lang hat Jim Jordan unruhig die Vorstellung verfolgt. Mal ist der Abgeordnete aus Ohio wie ein Tiger durch die Zuschauerreihen gestreift, mal ist er mit seinem schweren braunen Ledersessel auf dem Podium vor- und rückwärts gerollt. Es ist frostig kalt im Saal 1100 des Longworth-Gebäudes gegenüber vom Washingtoner Kapitol. Reporter und Zuschauer haben Schals und Mäntel übergezogen. Doch Jordan trägt sein hellblaues Anzughemd ohne Sakko. Der Trump-Anhänger glüht von innen.

    "Nancy Pelosi hat Präsident Trump einen Betrüger genannt", setzt der Republikaner mit halb heruntergezogener Brille zur Attacke an, als er um kurz nach 13 Uhr endlich das Wort erhält: "Soweit ist es in unserem Land gekommen. Die Demokraten machen alles, um die Wahl vom November rückgängig zu machen." Immer schärfer und lauter wird seine Stimme, während die beiden Zeugen an dem langen Holztisch vor ihm auf ihre Befragung warten. Einen "Impeachment-Coup" habe die Opposition angezettelt, dröhnt Jordan: "Aber die Fakten sind auf der Seite des Präsidenten, und das amerikanische Volk versteht das."

    Der Republikanische Abgeordnete Jim Jordan aus Ohio spricht mit den Medien nach einer Anhörung mit Zeugenaussagen von US-Spitzendiplomaten in der Ukraine.
    Der Republikanische Abgeordnete Jim Jordan aus Ohio spricht mit den Medien nach einer Anhörung mit Zeugenaussagen von US-Spitzendiplomaten in der Ukraine. Foto: Susan Walsh, AP, dpa (Archiv)

    Die Anhörungen im Repräsentantenhaus laufen nun seit zwei Wochen

    Der Abgeordnete hat keine einzige Frage gestellt und keine Antwort bekommen. Doch er wirkt zufrieden. Seine Brandrede war perfekt inszeniert für die Fernsehsender, die die stundenlange Anhörung aus dem Kongress übertragen. Wahrscheinlich wird sie nicht alle 327 Millionen Amerikaner überzeugen. Aber für einen Clip beim rechten Kabelsender Fox dürfte es reichen.  Und ein Zuschauer ist garantiert begeistert: der Regent im Weißen Haus.

    Seit zwei Wochen laufen die öffentlichen Anhörungen des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus. Sie sollen zu einer Amtsenthebungsanklage des Präsidenten führen, wie es sie bislang erst zweimal seit der Gründung der Vereinigten Staaten gegeben hat: 1868 gegen Andrew Johnson und 1999 gegen Bill Clinton. In der Watergate-Affäre war Richard Nixon 1974 zurückgetreten, bevor das Verfahren formal eröffnet wurde. Es wird Geschichte geschrieben im größten Ausschuss-Saal des Kongresses. Die pompösen Stuckfriese, die hohen Säulen, die schweren blauen Vorhänge und der massive Kronleuchter zeugen vom Selbstverständnis eines Parlaments, das sich als mindestens ebenbürtig mit dem Präsidenten fühlt.

    Formal geht es bei der Untersuchung darum, ob Donald Trump amerikanische Militärhilfen für die Ukraine zurückgehalten hat, um das osteuropäische Land zu einer Schmutzkampagne gegen seinen möglichen demokratischen Herausforderer Joe Biden zu nötigen. Nach weit über 30 Stunden Sitzungen mit mehreren tausend Seiten Mitschriften kann daran kein vernünftiger Zweifel mehr bestehen. Doch das Land ist tief gespalten. Aus der Faktensammlung ist ein politischer Showdown zwischen Demokraten und Republikanern geworden. Es ist offen, wie das Schauspiel endet – als Drama mit der Abberufung des Bösewichts oder als Farce mit dem Triumph des Skrupellosen.

    Die Aussagen lassen die Politsatire "House of Cards" naiv erscheinen

    Ein Dutzend hochrangige Beamte haben in den vergangenen Tagen dem Aussageverbot der Regierung getrotzt und sind vor dem Ausschuss erschienen – Fachleute aus dem Weißen Haus, amtierende und ehemalige Botschafter, ein Staatssekretär aus dem State Department und ein Sonderbeauftragter des Präsidenten. Ihre Schilderungen beleuchten eine absurde Welt voller  Intrigen und Korruptheiten, die Politsatiren wie "House of Cards" und "Veep" naiv erscheinen lässt. Eine Welt, in der der US-Präsident im Telefonat mit einem Amtskollegen von den attraktiven Miss-Universe-Kandidatinnen aus dessen Land schwärmt und sich von seinem Botschafter berichten lässt, dass ein ausländischer Staatschef seinen "Arsch liebt". Eine Welt, in der die Spitze des State Departments einer Diplomatin rät, etwas Freundliches über den Präsidenten zu twittern, um eine von diesem unterstützte Verleumdungskampagne gegen ihre Person zu stoppen. Das alles wird in diesen Tagen aufgerollt.

    Selten wohl sind patriotischer Idealismus und zynischer Nihilismus so hart aufeinandergeprallt wie bei den Impeachment-Anhörungen. Es treten auf: Vertreter der alten Ordnung und Opportunisten der neuen Macht. "Willkommen im Zirkus!", eröffnet Devin Nunes, der ranghöchste Republikaner im Raum, ironisch-süffisant die Sitzung. Kurz darauf erzählt der Ukraine-Experte Alexander Vindman voller Pathos und Ernst, wie er mit seinem jüdischen Vater, der Großmutter und seinem Zwillingsbruder als Dreijähriger aus der Sowjetunion in die USA floh, mit Stolz die Uniform eines Oberstleutnants trägt und nun trotzdem gegen den Präsidenten aussagen wird: "Keine Sorge, Dad, es wird gut gehen, wenn ich die Wahrheit sage!", hat er seinen besorgten Vater beruhigt. Restlos überzeugt davon wirkt er selbst nicht.

    Gordon Sondland, US-Botschafter bei der Europäischen Union, hält sein Eröffnungsplädoyer während seiner öffentlichen Anhörung vor dem Geheimdienstausschuss des US-Kongresses.
    Gordon Sondland, US-Botschafter bei der Europäischen Union, hält sein Eröffnungsplädoyer während seiner öffentlichen Anhörung vor dem Geheimdienstausschuss des US-Kongresses. Foto: Andrew Harnik, AP, dpa

    Auch ist kaum ein größerer Kontrast denkbar als der zwischen Gordon Sondland, dem von Trump berufenen EU-Botschafter, und George Kent, dem Vizestaatssekretär im State Department. Der erste ist Hotel-Unternehmer, hat den Job als Gegenleistung für eine Spende von einer Million Dollar bekommen, besitzt ein ausnehmend schlechtes Gedächtnis und verkehrt mit Trump üblicherweise im Gossenjargon. Der zweite, ein klassischer Karrierediplomat, hat in Harvard studiert, spricht sieben Sprachen, erscheint zur Anhörung im Dreiteiler mit Fliege und erklärt ziemlich deutlich, was er von Trumps Aktionen gegen Biden hält – nichts.

    George Kent, Diplomat im US-Außenministerium, kommt zum US-Kongress zu seiner Aussage.
    George Kent, Diplomat im US-Außenministerium, kommt zum US-Kongress zu seiner Aussage. Foto: Andrew Harnik, AP, dpa

    Mit dieser alten Schule der Diplomaten, die er verächtlich als "Bürokraten" bezeichnet, kann der Twitter-Präsident nichts anfangen. Die Ukraine hasst er. "Die Ukraine ist ein furchtbares Land. Die sind alle korrupt. Die haben versucht, meine Wahl zu verhindern", polterte er im Mai im Oval Office. "Das ist eine erfundene Erzählung", widerspricht Trumps ehemalige Russlandberaterin Fiona Hill ihrem Chef vehement. Tatsächlich mischte sich nicht die Ukraine, sondern Russland in die Wahlen ein – und zwar zugunsten von Trump. Gleichwohl ließ er seinen Anwalt Rudy Giuliani an den offiziellen Kanälen vorbei eine Neben-Außenpolitik aufbauen, die nicht dem offiziellen Ziel der Stärkung der Ukraine gegen Russlands Expansionsgelüste, sondern alleine seinen innenpolitischen Interessen dient.

    Auf diese Weise wird aus einem korrupten Generalstaatsanwalt in der Ukraine plötzlich ein Verbündeter und aus der US-Diplomatin, die ihn bekämpfte, eine Versagerin. "Bad News" nannte Trump am 25. Juli im Telefonat mit dem frischgewählten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die kurz zuvor buchstäblich über Nacht abberufene Botschafterin Marie Yovanovitch. "Ich war geschockt", berichtet die Frau mit leiser, aber fester Stimme dem Impeachment-Ausschuss. Noch während sie den Abgeordneten Rede und Antwort steht, bepöbelt sie der Präsident bei Twitter erneut: "Überall, wo Marie Yovanovitch hinkam, ging es den Bach herunter." Der demokratische Ausschussvorsitzende Adam Schiff lässt den Tweet auf die Fernsehtafeln im Kongresssaal werfen. Ein surrealer Moment. "Das ist Zeugenbeeinflussung in Echtzeit", moniert Schiff.

    Bisweilen wähnt man sich in einem düsteren Mafia-Film, bisweilen in einem eiskalten Polit-Thriller. Der könnte zum Beispiel am 26. Juli 2019 spielen - dem Tag nach dem Trump-Telefonat. Da treffen EU-Botschafter Sondland, der US-Sonderbeauftragte Kurt Volker und der amtierende Ukraine Botschafter William Taylor morgens in Kiew zunächst Präsident Selenskyj. Anschließend fährt Taylor ins nördliche Donbas an die Front, wo jede Woche Soldaten sterben. Der ukrainische Kommandeur dankt dem Diplomaten für die amerikanische Militärhilfe, die tatsächlich wenige Tage zuvor von Trump gestoppt wurde. "Ich fühlte mich unwohl", berichtet Taylor rückblickend.

    Sondland räumt ein, dass Ukraine-Hilfe an Biden-Ermittlung geknüpft war

    Derweil hat sich Sondland mit drei Mitarbeitern zum Lunch in ein schickes Restaurant in Kiew begeben und eine teure Flasche Wein bestellt. Irgendwann greift er zum Handy, um Trump anzurufen. Ein Botschaftsmitarbeiter kann hören, wie der Präsident am anderen Ende der Leitung fragt: "Also, macht er die Untersuchung?" Sondland antwortet laut dem Ohrenzeugen: "Er macht alles, was Sie von ihm verlangen." Der Botschaftsmitarbeiter ist verwundert, dass sich Trump gar nicht nach der Lage der Ukraine erkundigt. "Der interessiert sich einen Scheiß für die Ukraine", zitiert er die Antwort Sondlands. Dem Präsidenten gehe es alleine "um die großen Themen wie die Biden-Untersuchung".

    An diese Äußerung kann sich Sondland, der Mann mit dem schlechten Gedächtnis, zwar nicht mehr erinnern. Doch räumt er inzwischen ein, dass die Ukraine-Hilfe an Ermittlungen gegen Trumps politischen Rivalen Joe Biden geknüpft war, für die kein einziger Zeuge einen sachlichen Grund sah: "Wir sind den Anordnungen des Präsidenten gefolgt." Die Demokraten sind überzeugt, dass diese Aussagen reichen, um den Präsidenten des Amtsmissbrauchs und der Bestechung anzuklagen.

    Auch eine knappe Mehrheit der Bevölkerung teilt diese Ansicht. Doch eine öffentliche Empörungswelle, wie sie Nixon aus dem Amt trieb, gibt es bislang nicht. Das liegt wohl auch daran, dass der rechte Sender Fox News inzwischen höhere Einschaltquoten hat als CNN. "Es war ein weiterer riesiger Schwindel und ein peinliches Schauspiel für das ganze Land", fasst Trumps Lieblingseinpeitscher Sean Hannity dort am Dienstag die vorangegangene Anhörung zusammen. Kurz darauf zeigt er einen Ausschnitt der Sitzung.

    Es spricht der Abgeordnete Jim Jordan.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Trump ist ein Problem für die ganze Welt

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