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USA: Hillary Clintons Abrechnung mit sich selbst

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Hillary Clintons Abrechnung mit sich selbst

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    Hillary Clinton tritt in ihrem neuen Buch auch noch einmal gegen ihre Rivalen im Kampf um die US-Präsidentschaft nach: Donald Trump und Bernie Sanders.
    Hillary Clinton tritt in ihrem neuen Buch auch noch einmal gegen ihre Rivalen im Kampf um die US-Präsidentschaft nach: Donald Trump und Bernie Sanders. Foto: Brendan Smialowski, AFP

    Nach der Niederlage, als alles vorbei war und Hillary Clinton die politische Bühne verlassen hatte, saß sie auf dem Rücksitz ihres Autos. In diesem Moment habe sie nicht einmal mehr sprechen können, alle Energie sei aufgebraucht gewesen. So zumindest erzählt es die ehemalige demokratische Präsidentschaftskandidatin in diesen Tagen, in denen sie durch die USA tourt, um für ihr neues Buch zu werben. "What Happened" (dt. "Was geschehen ist") heißt das Werk, das am Dienstag auf Englisch erschienen ist. 

    Es ist eine bittere Erzählung, es geht viel um Fehler, so kann man es zumindest in US-Medien nachlesen. Auszüge gab der Verlag nur an ausgewählte Journalisten.

    Ein Jahr ist es erst her, dass in den USA ein unerbittlicher Wahlkampf tobte. Dass Clinton bei einer Gedenkveranstaltung zu den Terroranschlägen vom 11. September einen Schwächeanfall erlitt und Amerika tagelang über die Fitness der Kandidatin diskutierte. Dass Donald Trump die Eltern eines getöteten muslimischen Soldaten beleidigte. Dass der damalige FBI-Chef James Comey die Ermittlungen zu Clintons E-Mail-Affäre wieder aufnahm. Dass Julian Assange von einem Botschaftszimmer in London E-Mail um E-Mail aus dem Inneren von Clintons Wahlkampfteam veröffentlichte. 

    Am Ende verlor Clinton die Wahl.

    Das alles wirkt Jahre entfernt, längst bestimmt Trump jeden Tag mit ganz anderen Themen die Nachrichten. Der Ausnahmezustand hält an, aber Clinton ist Geschichte. 

    Clinton sieht in neuem Buch viele Fehler

    Ihr Buch ist ein Versuch, ein bisschen die Deutungshoheit über den Wahlkampf zu behalten. Es geht um Trump, um Bernie Sanders, um Comey, die E-Mails, um Russland

    So schildert Clinton den Moment im Juli 2016, als Comey ihr vorwarf, sie habe sich extrem nachlässig verhalten, als sie als Außenministerin einen privaten E-Mailserver für ihre dienstliche Korrespondenz nutzte. "Mein erster Instinkt war, dass mein Wahlkampflager zurückschlagen sollte und erklären müsse, dass Comey seine Grenzen überschritten hat", schreibt sie. Ihre Berater hätten ihr das ausgeredet. "Im Nachhinein betrachtet war das ein Fehler."

    Einer von vielen Fehlern, die die Demokratin aufzählt. In Teilen lesen sich die Auszüge wie eine Läuterung. "An jedem Tag als Kandidatin wusste ich, dass Millionen Menschen auf mich zählten, und ich konnte den Gedanken nicht ertragen, sie im Stich zu lassen. Aber ich tat es." Und weiter: "Ich habe es nicht hingekriegt. Und damit muss ich für den Rest meines Lebens zurechtkommen."

    Das ist Hillary Clinton

    Herkunft: Hillary Clinton wird am 26. Oktober 1947 als Hillary Diane Rodham in Chicago geboren. Ihrem Vater, Hugh Ellsworth, einem überzeugten Republikaner, gehört eine Textildruckerei. Sie kommt früh mit der US-Politik in Berührung. Bereits im Jugendalter engagiert sie sich politisch und setzt sich für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater als Wahlhelferin ein.

    Studium: Ab 1965 studiert sie am Wellesley College Politikwissenschaft und Psychologie. In dieser Zeit wird sie auch zur Präsidentin der Jungen Republikaner gewählt, legt ihr Amt aber schon bald nieder, da sie Zweifel an der Politik bekommt, vor allem wegen deren Haltung gegenüber dem Vietnamkrieg. 1969 erlangte sie in Politikwissenschaften den Bachelor of Art mit Auszeichnung.

    Doktortitel: Hillary Clinton schreibt sich im Herbst 1969 an der Yale Law School in New Haven ein, um Rechtswissenschaft zu studieren. Hier setzt sie sich für den Schutz der Interessen von Kindern und Familien ein und verbindet dabei soziales Engagement mit ihrer juristischen Karriere. Mit einem Doktortitel beendet sie ihr Jurastudium.

    Privatleben: Im Frühjahr 1971 trifft sie erstmals Bill Clinton, ebenfalls Student der Yale Law School. Bereits im Sommer desselben Jahres sind die beiden offiziell ein Paar und beziehen eine gemeinsame Wohnung. Geheiratet haben sie am 11. Oktober 1975.

    Karriere: Die frischgebackene Ehefrau Hillary Clinton arbeitet als Rechtsanwältin in der renommierten Anwaltskanzlei Rose und als Professorin an der Law School der University of Arkansas . Ihr Mann, Bill Clinton, macht derweil in der Politik Karriere.

    Mutter: Als Bill Clinton 1978 zum Gouverneur von Arkansas gewählt wird, legt Hillary ihr Lehramt als Juraprofessorin nieder. Am 27. Februar 1980 kommt ihre Tochter Chelsea Victoria Clinton zur Welt. Als Bill Clinton von 1979 bis 1981 und von 1983 bis 1992 Gouverneur von Arkansas ist, übernimmt sie die Rolle der First Lady des Bundesstaates.

    First Lady: Für Bill Clinton geht es weiter steil bergauf. 1992 gewinnt er die US-Wahl gegen den amtierenden Präsidenten George W. Bush. Im Januar 1993 zieht die Familie ins Weisse Haus ein und Hillary Clinton ist offiziell First Lady. Sie widmet sich weiterhin dem Thema Kinderrechte.

    Lewinsky-Affäre: In der zweiten Amtsperiode ihres Mannes dominiert in den Medien die Lewinsky-Affäre, eine außereheliche Beziehung Bill Clintons zu seiner Praktikantin, die in ein (gescheitertes) Amtsenthebungsverfahren gegen ihn mündet. Das Ehepaar Clinton geht dennoch weiter unbeirrt seinen Weg.

    Senatorin: Das Ende von Bill Clintons Präsidentschaft im Jahr 2000 ist der Beginn ihrer politischen Karriere. 2001 wird Hillary Clinton Senatorin für den Bundesstaat New York und 2008 kandidiert sie für den Posten der Präsidentin der Vereinigten Staaten. Sie unterliegt Barack Obama knapp.

    Außenministerin: Im Januar 2009 holt Barack Obama seine einstige Rivalin ins Kabinett. Hillary Clinton wird Außenministerin und legt ihr Amt als Senatorin nieder. Bereits im März 2011 kündigt sie an, dass sie sich im Falle einer Wiederwahl Obamas vom Amt als Außenministerin zurückziehen werde, was sie 2013 dann auch tut. Bis zu ihrer Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2016 zog sie sich in ihr Privatleben zurück und engagierte sich sozial.

    Sie bedauere es, dass sie einen Teil der Trump-Anhänger als "bedauerliches Pack" bezeichnet habe. Damit habe sie dem Republikaner ein Geschenk gemacht. Und dann zitiert sie Studien, die belegen sollen, dass Trumps Kernanhänger eben tatsächlich Anschauungen hätten, die "bedauerlich" seien. 

    Clinton beschreibt auch ihre Abneigung gegenüber Trump. Als der Republikaner bei einer der TV-Debatten hinter ihr gestanden habe, habe sie Gänsehaut bekommen. "Donald Trump lauerte hinter mir. Zwei Tage vorher hörte ihn die Welt darüber prahlen, wie er Frauen begrapscht hatte. Jetzt waren wir auf einer kleinen Bühne und wo auch immer ich hinging, er folgte auf Schritt und Tritt, er starrte mich an, machte Grimassen. Es war unglaublich unangenehm."

    Clinton bewege sich "zwischen Bereuen und Zorn"

    Warum das Ganze, was ist die Motivation für diese öffentliche Geißelung? "Ich denke, das Land ist in Gefahr, und ich versuche, Alarm zu schlagen, so dass mehr Menschen zumindest Notiz nehmen", sagte Clinton dem Radiosender NPR. Trump verstehe nicht einmal ansatzweise die strategische Gesamtlage in der Welt und was man tun müsse, um sich vorzubereiten. Deshalb werde sie nicht still sein. 

    Das Buch sei eine "aufrichtige und schwarzhumorige" Beschreibung ihres Gemütszustands direkt nach der Niederlage gegen Donald Trump, meint die New York Times. Clinton bewege sich "zwischen Bereuen und Zorn, manchmal in einem Absatz", vermerkte die Washington Post

    Für viele auf der rechten Seite des politischen Spektrums ist das Buch ein weiterer Beleg dafür, dass es den Clintons immer nur ums Geld gehe. So listete die rechte Nachrichtenseite Breitbart genüsslich auf, wie viel Eintritt Clinton für ihre Lesetour verlange.

    Aber Clinton ist auch immer noch beliebt. In New York ist die Faszination für die 69-Jährige unter Hardcorefans ungebrochen. Schon Stunden vor der Ticketausgabe für eine Lesung aus "What Happened" standen am späten Montagabend ein gutes Dutzend Fans vor einem Buchladen am Union Square an und wollten die Nacht über ausharren. Karten sollte es erst ab 7.00 Uhr morgens geben. Mitgebrachte Decken und Pizza würden sie durch die Nacht bringen, sagte eine junge Frau, die hinter sich Fanplakate aus Wahlkampfzeiten aufgebaut hatte. "Was würde ich jetzt sonst machen? Und ihr morgen früh die Hand zu schütteln und zu danken, das wird die Mühen wert sein."

    Alle News zur Politik in der USA lesen Sie in unserem Trump-Newsblog.

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