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USA: Gesicht des anderen Amerikas: Das ist Kamala Harris

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Gesicht des anderen Amerikas: Das ist Kamala Harris

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    Gewinnt das Duo Joe Biden/Kamala Harris am 3. November gegen Amtsinhaber Donald Trump, wäre Harris nicht nur die erste schwarze Stellvertreterin eines US-Präsidenten, sondern auch die erste Frau in diesem Amt.
    Gewinnt das Duo Joe Biden/Kamala Harris am 3. November gegen Amtsinhaber Donald Trump, wäre Harris nicht nur die erste schwarze Stellvertreterin eines US-Präsidenten, sondern auch die erste Frau in diesem Amt. Foto: John Locher, dpa

    Die Anhörung im Senat lief schon acht Stunden, als Brett Kavanaugh, der konservative Kandidat der Trump-Regierung für den frei gewordenen Sitz am Obersten Gericht, ins Schwimmen geriet. Ob er mit dem Vertreter einer bestimmten Anwaltsfirma über die Mueller-Untersuchung gesprochen habe, wollte Senatorin Kamala Harris von dem Top-Juristen wissen. Kavanaugh wich aus. Immer wieder stellte Harris dieselbe Frage. „Ich bin nicht sicher“, wandt sich Kavanaugh: „Ich weiß nicht, wer da arbeitet.“ Als Kavanaugh wenig später um die Wiederholung einer Frage bat, erwiderte sie kühl: „Ich habe die Frage erst vor einer Minute gestellt. Erstaunlich, dass Sie sich daran nicht erinnern können.“ Mehr als sieben Minuten dauerte das Kreuzverhör. Man konnte fast Mitleid mit dem Bewerber bekommen.

    „Boshaft“ sei die Senatorin damals im September 2018 gewesen, empörte sich nun Donald Trump: Der Auftritt der Senatorin, die der demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden zu seiner Stellvertreterin machen will, sei „eine furchtbare Sache“ gewesen. Die Reaktion illustriert die Verunsicherung des bekennenden Chauvinisten über eine Frau, die sich nicht einschüchtern lässt. Eine Frau, die als Ex-Generalstaatsanwältin von Kalifornien die Waffen der Rhetorik beherrscht. Und eine Frau, die einen starken Machtwillen hat.

    Harris wurde 1964 im kalifornischen Oakland als ältestes von zwei Kindern einer Krebsforscherin geboren

    Das hat Joe Biden, ihr neuer Partner im Rennen um das Weiße Haus, am eigenen Leib erfahren. Eher jovial und schlecht vorbereitet war er im Juni 2019 in die erste Debattenrunde der demokratischen Bewerber gestolpert. Die damalige Mitbewerberin ging ihn plötzlich scharf an, weil er sich in den 1970er Jahren dagegen ausgesprochen hatte, schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulbezirke zu fahren. Ein kleines Mädchen habe damals in so einem Bus gesessen, berichtete Harris: „Das kleine Mädchen war ich.“ Biden rang um Worte.

    Tatsächlich wurde Harris 1964 im kalifornischen Oakland als ältestes von zwei Kindern einer Krebsforscherin aus Indien und eines Ökonomen aus Jamaika geboren. Die Eltern hatten sich in den bewegten 1960er Jahren an der linken Universität von Berkeley kennengelernt und nahmen die Tochter im Kinderwagen zu Protestmärschen mit. Die Ehe hielt nicht lange. Nach der Scheidung wurden beide Mädchen von der Mutter großgezogen.

    Joe Biden tritt aller Voraussicht nach gegen Donald Trump an.
    Joe Biden tritt aller Voraussicht nach gegen Donald Trump an. Foto: Paul Sancya/AP, dpa

    „Meine Mutter verstand sehr gut, dass sie zwei schwarze Töchter erzog“, hat Harris später in ihrer Autobiografie geschrieben: „Und sie war entschlossen sicherzustellen, dass aus uns selbstbewusste, stolze schwarze Frauen wurden.“ Tatsächlich legte Kamala eine bemerkenswerte Karriere hin: Nach dem Jura-Studium arbeitete sie zunächst im Büro eines Staatsanwalts und wurde dann mit 38 Jahren zur ersten schwarzen Distrikt-Staatsanwältin von San Francisco gewählt. Acht Jahre später stieg sie zur kalifornischen Generalstaatsanwältin auf. Seit 2017 vertritt sie den Bundesstaat im US-Senat. Wenn sie im November erfolgreich ist, wäre sie die erste schwarze Frau und die erste Person mit indischen Wurzeln im Vizepräsidentenamt der USA.

    Mit eigenen Ambitionen war Harris weniger erfolgreich

    Mit ihren Ambitionen auf eine eigene Präsidentschaftskandidatur war Harris weniger erfolgreich. Ihre Kampagne, der eine klare Botschaft fehlte, geriet völlig außer Tritt. „Sie startete wie eine Rakete und endete wie ein geplatzter Heißluftballon“, schrieb das Magazin The Atlantic. Schon im Dezember gab Harris auf.

    Biden wählte Harris nun aus insgesamt 20 Kandidatinnen für seinen Stellvertreterposten aus. In dem Tweet, mit dem er die Personalentscheidung bekannt gab, lobt er sie als „furchtlose Kämpferin für den kleinen Mann“ sowie eine der besten Staatsdienerinnen und hebt hervor, dass sie eng mit seinem Sohn Beau zusammengearbeitet habe. Offensichtlich ist das persönliche Verhältnis zwischen Biden und Harris wieder intakt. Der Präsidentschaftsbewerber hat immer wieder erklärt, dass gegenseitiges Vertrauen für ihn eine unverzichtbare Voraussetzung der Zusammenarbeit ist.

    Eine selbstbewusste Frau, die Tochter zweier farbiger Immigranten, eine eloquente Rednerin, die noch dazu herzerfrischend laut lachen kann – in gewisser Weise scheint die 55-Jährige den mehr als 20 Jahre älteren Biden auf ideale Weise zu ergänzen. Vor allem aber ist sie das direkte Gegenbild zu Trump und seinem Stellvertreter Mike Pence, die für das weiße, männliche, alte Amerika stehen. „In ihrer Lebensgeschichte können ich und viele andere sich wiederfinden“, erklärt Ex-Präsident Barack Obama, der mit Harris seit seiner Senatsbewerbung im Jahr 2004 befreundet ist: „Ihre Geschichte besagt: Ganz gleich, wo du herkommst, wie du aussiehst, an was du glaubst oder wen du liebst – hier ist ein Platz für dich.“

    Biden setzt auf eine Mobilisierung der schwarzen Wähler

    Ganz offensichtlich setzt Biden mit der Wahl auch auf eine Mobilisierung der schwarzen Wähler. „Rassengerechtigkeit steht 2020 zur Abstimmung“, sagte Harris schon, im März. Nicht ganz so klar ist hingegen, wofür Harris politisch steht. In ihrer Zeit als Staatsanwältin setzte sie auf harte Law-and-Order-Politik, forderte mehr Polizei auf der Straße und lehnte die systematische Untersuchung von Polizeigewalt ab. Das hat ihr bei ihrer Präsidentschaftskampagne Kritik von Parteilinken eingebracht. Nun kämpft sie entschieden für eine Polizeireform und nennt eine personelle Aufstockung der Sicherheitskräfte falsch.

    Der Versuch der Trump-Kampagne, die Biden-Stellvertreterin als radikale Linke darzustellen, entbehrt jeder Grundlage. Eher könnte man ihre Position pragmatisch und etwas unbestimmt nennen. „Ich versuche nicht, die Gesellschaft umzukrempeln“, sagte sie vor Jahresfrist der New York Times: „Ich versuche nur, mich um die Dinge zu kümmern, die Menschen nachts um den Schlaf bringen.“

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