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USA: Erleichterung nach Schuldspruch im George Floyd-Prozess

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Erleichterung nach Schuldspruch im George Floyd-Prozess

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    Der Bruder von George Floyd, Philonise Floyd, wischt sich die Augen nach der Urteilsverkündung im Mordprozess gegen Ex-Polizist Derek Chauvin.
    Der Bruder von George Floyd, Philonise Floyd, wischt sich die Augen nach der Urteilsverkündung im Mordprozess gegen Ex-Polizist Derek Chauvin. Foto: John Minchillo, dpa

    Das Urteil war gerade gefallen, als auf dem Flur des Bezirksgerichts in Minneapolis ein Handy klingelte. Es gehörte einem Angehörigen von George Floyd. Am anderen Ende der Leitung meldete sich Joe Biden. „Wir sind so erleichtert“, sagte der US-Präsident und wandte sich an Floyds junge Tochter Gianna, die gesagt hatte, ihr Vater werde die Welt verändern: „Jetzt beginnt er damit.“

    Nicht nur im Weißen Haus war Genugtuung zu spüren. Auf dem Platz vor dem abgesicherten Gerichtsgebäude in Minneapolis brach Jubel aus, es flossen Freudentränen. Anderswo im Land fuhren Autos hupend durch die Straßen. Halb Amerika schien kollektiv aufzuatmen, als Richter Peter Cahill um kurz nach 16 Uhr Ortszeit das Urteil der Jury gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin verlas: schuldig in allen drei Punkten der Anklage.

    Eric Nelson (links), Anwalt des ehemaligen Polizisten Derek Chauvin, und sein Mandant Derek Chauvin.
    Eric Nelson (links), Anwalt des ehemaligen Polizisten Derek Chauvin, und sein Mandant Derek Chauvin. Foto: Court TV Pool/AP, dpa

    Viele befürchteten einen Freispruch von Derek Chauvin

    Bis zuletzt hatte es Sorgen gegeben, der weltweit verfolgte Prozess gegen den Mann, der den Afroamerikaner George Floyd tötete, könne doch noch platzen oder mit einem Teil-Freispruch enden. Zwar hatten in den vergangenen drei Wochen zahlreiche Augenzeugen, Polizeiexperten und Mediziner belastende Aussagen gegen Chauvin vorgebracht. Doch im Rechtssystem der USA liegt die Entscheidung bei einer schwer berechenbaren zwölfköpfigen Laien-Jury, die sich einigen muss. Ein einziger Geschworener mit Zweifeln reicht, um eine Verurteilung zu verhindern. Die verbarrikadierten Läden in der Innenstadt und das massive Aufgebot von Nationalgardisten in Minneapolis ließen erahnen, was in einem solchen Fall hier und anderswo im Land gedroht hätte.

    Chauvin nahm das Urteil äußerlich ungerührt zur Kenntnis. Der 45-Jährige hatte am 25. Mai 2020 nach einer Festnahme neuneinhalb Minuten lang sein Knie auf den Hals des auf dem Boden liegenden George Floyd gepresst, obwohl dieser über Atemnot klagte und das Bewusstsein verlor. Deswegen war er wegen sogenannten Mordes zweiten und dritten Grades sowie Totschlags zweiten Grades angeklagt, was im deutschen Rechtssystem etwa Totschlag und fahrlässiger Tötung entsprechen würde. Alleine auf den schwerwiegendsten Anklagepunkt steht eine Höchststrafe von 40 Jahren. Bei Straftätern ohne Vorstrafen ist aber eine deutlich kürzere Haft von 12,5 Jahren üblich. In acht Wochen wird der Richter das tatsächliche Strafmaß verkünden.

    Die Tötung von George Floyd hatte Bestürzung, Empörung und auch gewaltsame Krawalle ausgelöst. Befeuert wurden die weltweiten Proteste durch die Videoaufnahmen einer jugendlichen Passantin, die den brutalen Polizeieinsatz dokumentieren. Der Vorfall von Minneapolis wurde zum Symbol für Polizeigewalt und Rassismus in den USA. So war die Stimmung angespannt vor dem Prozess, denn nur äußerst selten werden Polizisten für exzessive Brutalität zur Rechenschaft gezogen.

    Gibt das George-Floyd-Urteil den Glauben an die US-Justiz zurück?

    „Dies könnte der Beginn der Wiederherstellung des Glaubens sein, dass ein Justizsystem funktionieren kann“, erklärte nun der Bürgerrechtler Martin Luther King III nach dem Urteilsspruch. Ben Crump, Anwalt der Floyd-Familie, sprach von „schmerzlich verdienter Gerechtigkeit“ für die Hinterbliebenen, forderte zugleich aber gesetzgeberische Konsequenzen. Tatsächlich versprach Biden bei einer Fernsehansprache: „Wir werden echte Veränderungen und Reformen liefern. Wir können und müssen die Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass so etwas wieder passiert.“

    Ein Wandbild von George Floyd in Minneapolis.
    Ein Wandbild von George Floyd in Minneapolis. Foto: Jim Mone/AP, dpa

    Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Kongress ist dies freilich nicht einfach. Ohnehin hat sich Biden die radikale Forderung der „Black Lives Matter“-Bewegung, die eine Kürzung der Mittel für die Polizei verlangt, nie zu eigen gemacht. Stattdessen setzt die Mehrheit der Demokraten auf eine Einschränkung der Immunität der Beamten und ein Verbot besonders gefährlicher Einsatzpraktiken. Im März hat das Repräsentantenhaus eine Reform beschlossen, die unter anderem das Verbot von Würgegriffen und unangemeldeten Hausstürmungen vorsieht. Auch sollen Beamte Menschen nicht mehr alleine aufgrund ihrer Hautfarbe kontrollieren dürfen. Bislang jedoch lehnen die Republikaner den Vorstoß ab und blockieren damit die Verabschiedung im Senat.

    Derweil will Justizminister Merrick Garland nach amerikanischen Medienberichten eine umfassende Untersuchung der Polizei in Minneapolis und ihrer Praktiken einleiten. Dabei soll unter anderem herausgefunden werden, inwieweit es strukturelle Diskriminierung von Schwarzen durch die Beamten gibt und wie mit früheren Beschwerden über Missstände umgegangen wurde. Die drei Ex-Beamten, die gemeinsam mit Chauvin im Einsatz waren und trotz der Hilferufe von Passanten den Kollegen nicht von seiner Tat abhielten, müssen sich im August vor Gericht verantworten.

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