Anfangs waren es die illegalen Migranten aus den „Drecksloch“-Ländern, die die USA angeblich bedrohten. Dann standen China und Europa wegen ihrer Handelspolitik im Visier. In diesem Wahlkampf nun scheint Donald Trump den Hauptfeind im eigenen Land zu orten: Es ist der „neue linksradikale Faschismus, der absoluten Gehorsam verlangt“. Zwei düstere Reden zum amerikanischen Unabhängigkeitstag an diesem Wochenende vermittelten einen Vorgeschmack, wie der in der Corona-Krise unter Druck geratene Präsident in den kommenden Wochen seine Anhänger mobilisieren will.
Eigentlich ist der „Independence Day“ in den USA ein unpolitischer Feiertag, der mit einer betont einigenden, fröhlich-patriotischen Rede des Präsidenten und einem Barbecue beim Feuerwerk ausklingt. Trump hatte den Charakter des 4. Juli schon im vorigen Jahr verändert, als er Panzer vor dem Lincoln Memorial ausstellen ließ. In diesem Jahr setzte er auch rhetorisch ganz auf Spaltung, Wut und Angst: „Wir lassen uns nicht terrorisieren, wir lassen uns nicht erniedrigen und wir lassen uns nicht von schlechten, bösartigen Menschen einschüchtern“, rief er seinen Zuhörern zu.
Dramatisch sinkende Umfragewerte
Trump bezog seine Kampfansage auf den „wütenden Mob“, der mit seinen Demonstrationen die amerikanische Geschichte auslöschen und die Kinder indoktrinieren wolle. Doch man konnte sie auch als Reaktion auf seine dramatisch sinkenden Umfragewerte verstehen. Denen will er nun offensichtlich mit der Dämonisierung der Anti-Rassismus-Proteste begegnen, die seit Wochen überall in den USA tausende Menschen auf die Straße treiben.
Bei seinen Attacken unterscheidet Trump nicht zwischen der überwiegend friedlichen Mehrheit der Demonstranten und jenen Protestlern, die anfangs Geschäfte plünderten oder nun die Denkmäler von umstrittenen historischen Figuren beschädigen. Grundsätzlich spricht der Präsident vage von „denen“. Im Garten des Weißen Hauses stellte er seine Gegner in eine Reihe mit Nazis. „Amerikanische Helden“ hätten die Nazis, Faschisten, Kommunisten und Terroristen besiegt, sagte er gleich zu Beginn seiner Rede: „Wir sind nun dabei, die radikale Linke, die Marxisten, die Anarchisten, die Unruhestifter, die Plünderer und Leute, die absolut keine Ahnung haben, was sie machen, zu besiegen.“
Rassistischen Tweet gelöscht
In den vergangenen Tagen hatte Trump wiederholt den Slogan „Law and Order“ (Recht und Gesetz) ge-twittert und dabei auch rassistische Ressentiments bedient. Vor wenigen Tagen retweetete er ein Video, in dem einer seiner Anhänger „White Power“ (etwa: Die Macht den Weißen) brüllte. Erst nach einer öffentlichen Empörungswelle löschte Trump den Tweet. Am Samstag beschwor er die einzigartigen amerikanischen „Werte, Traditionen, Gebräuche und den Glauben“ und verkündete: „Wir werden die amerikanische Lebensart verteidigen, die 1492 mit der Entdeckung des Landes durch Christopher Kolumbus begann.“
Nicht nur für die Nachfahren der Ureinwohner Amerikas, die bei der Kolonialisierung getötet wurden, klingen diese Worte feindsinnig. Auch viele Afroamerikaner sehen Kolumbus kritisch, da er den Weg für den transatlantischen Sklavenhandel ebnete.
Corona überschattet Wahlkampf
Bereits die Inszenierung der beiden Trump-Reden inmitten der Corona-Pandemie mit inzwischen fast drei Millionen Fällen hatte das Land gespalten. Am Vorabend des Unabhängigkeitstages trat der Präsident vor dem monumentalen Felsdenkmal am Mount Rushmore auf. Gegen den Rat von Gesundheitsexperten wurden die Zuschauer auf fest installierten Klappsitzen dicht aneinandergedrängt. Kaum jemand trug eine Maske. Am Tag darauf ließ Trump in Washington gegen den ausdrücklichen Willen der Bürgermeisterin eine militärische Flugschau und ein gewaltiges Feuerwerk veranstalten. In seiner Rede behauptete er, die USA kämen bei der Bekämpfung des Coronavirus „gut voran“, und 99 Prozent der Fälle seien „komplett harmlos“.
Die Bevölkerung der Hauptstadt sah das angesichts täglich neuer Rekord-Infektionszahlen offenbar anders: Die in Vorjahren prall gefüllte National Mall war während des Feuerwerks nur von wenigen Schaulustigen besiedelt.
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