Im diplomatischen Geschäft sind manchmal die Dinge interessant, die nicht gesagt werden. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am 9. November 2016 auf die Wahl von Donald Trump reagierte, tat sie das mit der nüchternen Formel: „Sehr geehrter Herr Trump, zu Ihrer Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gratuliere ich Ihnen.“
Es fehlte eine Höflichkeitsformel, die die Kanzlerin schon beim Amtsantritt von Barack Obama verwendete und die sie am 9. November 2020 auch einfügte: „Ich gratuliere Joe Biden ganz herzlich zu seiner Wahl zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.“ Diese „Herzlichkeit“, sie soll in den transatlantischen Beziehungen der Zukunft den Unterschied ausmachen. Bidens Sieg ist aufseiten der deutschen Diplomatie mit großen Hoffnungen verbunden.
„Es gab bisher seitens des Oval Office bestenfalls eine große Ignoranz gegenüber Deutschland. Wir haben ja sogar erlebt, dass Deutschlands Bild in der Welt vom Präsidenten verunglimpft wurde“, blickt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour kritisch auf fast vier Jahre Trump zurück. Der Außenexperte ist unter anderem Vizevorsitzender der Parlamentariergruppe USA im Bundestag, er gehört den Vorständen der Atlantikbrücke und der Deutschen Atlantischen Gesellschaft an.
Ein Ausdruck des amerikanischen Desinteresses sei gewesen, dass Deutschland seit Trumps Amtsantritt die meiste Zeit ohne einen amerikanischen Botschafter habe auskommen müssen, sagte Nouripour unserer Redaktion und ergänzte: „Das sagt sehr viel aus, dieser Vorgang.“
Angela Merkel schätzt die Erfahrung Joe Bidens
Mit dem neuen Präsidenten soll sich das alles grundlegend ändern, wie auch die Kanzlerin hofft. „Joe Biden bringt die Erfahrung aus Jahrzehnten in der Innen- wie in der Außenpolitik mit“, sagte die CDU-Politikerin bei einem Statement im Kanzleramt. „Er kennt Deutschland und Europa gut. Ich erinnere mich gerne an gute Begegnungen und Gespräche mit ihm“, erklärte Merkel.
Nouripour sieht das ähnlich. „Jetzt kommt einer, der sich wieder für uns interessiert, der uns kennt“, sagte er. Ob es allerdings für die sofortige Verbesserung der deutsch-amerikanischen Beziehungen reicht, scheint fraglich. „Die größte Aufgabe für die neue amerikanische Regierung wird das Zusammenführen des Landes sein. Es geht dabei um soziale Fragen, um die Corona-Pandemie und den Rassismus“, sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen.
Das seien handfeste Gründe für die Annahme, „dass die Amerikaner in erster Linie mit sich selbst beschäftigt sein werden in den nächsten Jahren.“ Eine ähnliche Einschätzung hatte am Sonntag auch Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) geäußert.
Merkel bot Washington erneut an, dass Deutschland und die EU „in dieser Partnerschaft im 21. Jahrhundert mehr eigene Verantwortung übernehmen“. Amerika erwarte „von uns – und dies zu Recht – stärkere eigene Anstrengungen, um für unsere Sicherheit zu sorgen und in der Welt für unsere Überzeugungen einzutreten“.
Nouripour riet, mit dieser Positionierung nicht zu lange zu warten. Es wäre angesichts der drei großen internationalen Baustellen Handel, Klima sowie Außen- und Sicherheitspolitik „von großer Bedeutung, wenn die Europäer jetzt nicht erst einmal monatelang warten, bis die Biden-Administration uns erklärt hat, was sie sich vorstellt, sondern selber mit konkreten Vorschlägen für eine Kooperation auf den Markt gehen“, forderte er. Dies wäre auch ein Zeichen, „dass wir den Weckruf gehört haben und mehr für uns selbst stehen wollen“.
Ein bisschen Zeit haben die Diplomaten dies- und jenseits des Atlantiks noch, um sich auf die neue Herzlichkeit einzustellen. Biden soll am 20. Januar vereidigt werden, vorher kann es keine offiziellen Absprachen geben, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Montag erklärte.
USA und Deutschland: Diplomatische Kanäle waren nie zu
Allerdings waren die diplomatischen Kanäle nie komplett zu. Weder Trump konnte das verhindern noch die Corona-Pandemie, die das Reisen erschwerte. „Wir hatten gerade in den letzten Monaten extrem viel Austausch mit den amerikanischen Kolleginnen und Kollegen über digitale Foren. Der Kontakt ist ja nicht abgerissen“, sagte Nouripour. Es sei natürlich etwas anderes, wenn man in Washington sei und dort auch die Stimmung spüre. „Aber der fehlende Austausch war nicht das Problem. Das Problem war das fehlende Interesse im Weißen Haus selbst.“
Merkel erklärte, sie freue sich auf die Zusammenarbeit mit Biden und US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Beiden wünschte die Regierungschefin „Kraft, Erfolg und Gottes Segen“. Bei Trump hatte sich auch das weniger zuversichtlich angehört. Offenbar in Kenntnis seiner politischen Fähigkeiten wünschte Merkel dem Präsidenten seinerzeit „eine glückliche Hand“.
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