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US-Wahl 2016: TV-Duell Trump gegen Clinton: Trumps böser Schachzug

US-Wahl 2016

TV-Duell Trump gegen Clinton: Trumps böser Schachzug

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    Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, Hillary Clinton beim TV Duell: „Ich werde Sie auf die Folter spannen.“
    Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, Hillary Clinton beim TV Duell: „Ich werde Sie auf die Folter spannen.“ Foto: Chip Somodevilla, afp

    Am Tag nach der dritten und letzten TV-Debatte zwischen den beiden führenden US-Präsidentschaftskandidaten gibt es im ganzen Land nur eine Schlagzeile: Der Republikaner Donald Trump behält sich vor, die Wahl nicht anzuerkennen, falls Hillary Clinton gewinnt. „Ich werde Sie auf die Folter spannen“, beschied er dem TV-Duell-Moderator in Las Vegas. Der Satz könnte die Wahl am 8. November entscheiden.

    Trumps Temperament ist Hauptthema im Wahlkampf

    Bis dahin schien es noch Trumps bester Auftritt im direkten Aufeinandertreffen mit Hillary Clinton zu sein. Als die beiden Kandidaten über weite Strecken politische Sachfragen diskutieren, präsentiert sich Trump gemäßigter als in den beiden Debatten zuvor. Eine halbe Stunde lang trägt Trump ruhig und konzentriert Argumente vor und platziert mehrere wirkungsvolle Angriffe auf seine Gegnerin. Seine Basis wird sich zudem gewundert haben, dass über die Deportation von elf Millionen illegaler Einwanderer, anders als bislang versprochen, doch erst „später entschieden“ werden solle.

    Bei einem Wahlkampfauftritt deutete Donald Trump am Dienstag an, dass nur Waffenfreunde seine Rivalin Hillary Clinton aufhalten könnten. Das Wahlkampfteam des Republikaners versuchte, diesen Verdacht zu zerstreuen. Trump habe lediglich gesagt, dass die Waffenfreunde in hoher Zahl in November zur Wahl gehen und geschlossen gegen Clinton und für Trump stimmen würden.
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    In Donald Trumps jüngster Äußerung sehen viele einen Gewaltaufruf gegen Hillary Clinton. Es ist aber nicht die erste provokante Äußerung des Republikaners.

    Doch als Clinton ihn als Marionette von Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnet, zeigt sein Nervenkostüm Risse. „Keine Marionette! Keine Marionette!“, fällt er ihr mehrfach ins Wort. „Du bist die Marionette! Nein! Du bist die Marionette!“ Dann brechen andere Untugenden wieder durch: „Falsch!“, schnauzt der Immobilienmogul ins Mikrofon, wenn Clinton ihn mit seinen eigenen Aussagen konfrontiert. Doch Clinton kann Trump nicht nur wörtlich zitieren. Die dazugehörigen Videos sind auch endlos durch alle Sender gelaufen. „Das habe ich nie gesagt!“ – Trumps beliebte Verteidigungsstrategie entlarvt ihn als Lügner.

    Als die Rede auf neun Frauen kommt, die Trump beschuldigen, sie sexuell belästigt zu haben, lässt er sich zu einem sehr riskanten Satz verleiten: „Ich kenne diese Frauen nicht.“ Im Publikum brandet Gelächter auf, als er erklärt: „Niemand hat mehr Respekt für Frauen als ich.“ Nichtsdestotrotz beginnt er, sein Gegenüber als „diese Person“ zu titulieren. Als Clinton Trumps Finanzpläne auseinandernimmt, rutscht ihm sogar ein „So eine garstige Frau!“ heraus („such a nasty woman!“).

    Keine Frage, Clinton provoziert diese Entgleisungen mit gezielten Nadelstichen. Ein US-Präsident muss aber beim Charaktertest auch unter Druck funktionieren, und Trumps Temperament ist Hauptthema dieses Wahlkampfs. Je mehr er sich angegriffen fühlt, desto mehr vergisst er seinen eigenen Text. Unter Stress wird aus vermeintlich differenzierter Kritik eine Beleidigung der Geheimdienste, des Militärs und überhaupt sämtlicher Entscheidungsträger bis zur Konservativen-Ikone Ronald Reagan. Clinton muss nicht viel tun, um das Bild eines Größenwahnsinnigen zu entlarven, der glaubt, er allein könne die Lage richten: Trump selbst hat das bei seiner Nominierung gesagt.

    Trump wolle sich überlegen, ob er das Wahlergebnis anerkannt

    Clinton gerät durchaus auch unter Druck, etwa bei den Themen Außenpolitik, Handel oder ihrem Umgang mit sexuellen Anschuldigungen gegen ihren eigenen Mann. Sie zeigt aber, wie man solche Phasen rhetorisch routiniert überbrückt, während Trump zu sehr mit sich beschäftigt ist, um die Löcher in ihrer Verteidigung zu bemerken.

    Stattdessen vertieft er sich noch tiefer in Verschwörungstheorien, die selbst seine Parteikollegen entschieden zurückweisen: Die Wahl sei zugunsten Clintons manipuliert, raunt Trump seit Wochen. Ein solches Unterfangen wäre im dezentralisierten US-Wahlsystem extrem schwierig, es gibt keinerlei Anzeichen dafür.

    Das Wahlsystem in den USA

    Das Verfahren zur Wahl eines Präsidenten der USA ist komplex und langwierig. Einige der wichtigsten Bestimmungen:

    WAHLTAG (election day) ist alle vier Jahre, immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November.

    WAHLBERECHTIGT sind an diesem Tag im Prinzip alle Bürger ab dem 18. Lebensjahr, die ihren Wohnsitz in einem der 50 Bundesstaaten oder in der Hauptstadt Washington haben. Bewohner von Außengebieten (etwa Puerto Rico) dürfen nicht wählen. Nicht wahlberechtigt sind auch illegale Einwanderer sowie Kriminelle, denen das Recht aberkannt wurde.

    VORAUSSETZUNG für die Teilnahme ist, dass die Wahlwilligen sich zuvor nach einzelstaatlichen Regelungen registrieren lassen. Wer nicht auf der Liste steht, kann eine provisorische Wahlberechtigung erhalten. Auch wegen der hohen Registrierungshürden gibt nur etwa die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung ihre Stimme ab.

    WÄHLBAR als Kandidat für das Präsidentenamt ist ein in den USA geborener US-Bürger, der bei Amtsantritt mindestens 35 Jahre alt ist. Die Amtszeit des Staatsoberhaupts, zugleich Chef der Regierung und der Streitkräfte, währt vier Jahre. Eine Wiederwahl ist nur ein Mal zulässig.

    DER NOMINIERUNGSPROZESS der Parteien für ihre Spitzenkandidaten beginnt lange vor der Wahl. Bei Vorwahlen in den einzelnen Bundesstaaten konkurrieren Bewerber um die Stimmen der Basis. Auf nationalen Parteitagen im Spätsommer wird der Sieger von den Delegierten offiziell nominiert. Der Kandidat präsentiert seinen Stellvertreter.

    DAS VOLK wählt den Präsidenten am Wahltag nicht direkt, sondern indirekt. Es bestimmt in jedem Bundesstaat, wie viele Wahlmänner und -frauen die Partei ihres Wunschkandidaten in das Wahlmännergremium (electoral college) entsendet. Der Kandidat, der am Wahltag einen Bundesstaat gewinnt, erhält nach dem in den meisten Staaten geltenden Mehrheitswahlrecht alle Wahlmänner dieses Staates zugesprochen (the winner takes all). Der bevölkerungsreichste Bundesstaat Kalifornien stellt 55 Wahlmänner, kleine Staaten wie Alaska nur 3.

    AUSSENSEITER, die nicht für eine der beiden großen Parteien (Demokraten und Republikaner) antreten, haben unter den Bedingungen des Mehrheitswahlrechts keine Chance. So gewann der Unternehmer Ross Perot bei den Wahlen 1992 und 1996 zwar 18,9 beziehungsweise 8,4 Prozent, aber keine Wahlmännerstimme.

    DIE WAHLMÄNNER vertreten die Bürger bei der eigentlichen Wahl im Dezember. Sie wählen den Präsidenten und Vizepräsidenten direkt. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der 538 Stimmen des electoral college erhält, das sind mindestens 270 Stimmen. Die Wahlmänner geben ihre Stimme nicht auf einer zentralen Versammlung, sondern in ihren jeweiligen Hauptstädten ab.

    DAS ERGEBNIS der Wahlmännerentscheidung wird vom Kongress (Parlament) geprüft und Anfang Januar vom amtierenden Vizepräsidenten verkündet.

    BEI DER FEIERLICHEN AMTSEINFÜHRUNG am 20. Januar legen der gewählte Präsident und der Vizepräsident in der Hauptstadt Washington ihren Amtseid ab. In der Antrittsrede skizziert der Präsident seine wichtigsten Ziele.

    Doch Trump legt nach: Selbst die aktuelle Militärkampagne gegen den Islamischen Staat im irakischen Mossul finde nur statt, um Clinton in ein günstiges Licht zu rücken, behauptet er. Dann versetzt er sich den entscheidenden Schlag selbst: Nein, er könne nicht versprechen, das Resultat der Präsidentschaftswahl anzuerkennen – das wolle er sich dann überlegen.

    Das war am Ende nicht nur deshalb absurd, weil Trumps Vizekandidat, seine Kampagnensprecherin und die eigene Tochter Ivanka noch kurz zuvor versichert hatten, man werde das Ergebnis selbstverständlich akzeptieren. In einem Land, das sich als größte Demokratie der Erde begreift, tat Trump sich auch bei den meisten Wählern keinen Gefallen. Clinton hatte einen guten Abend, sie präsentierte sich als parteiübergreifende Stimme der Vernunft und gewann die Blitzumfragen im Anschluss. Aber das spielte so wenig eine Rolle wie Trumps bessere Phasen: Sein Angriff auf die Grundregel des Systems verdrängte alles aus den Schlagzeilen, was diesen Abend sonst noch geschah. Das könnte den Wahlkampf besiegeln.

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