Kurz vor dem am Mittwoch erwarteten Votum über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen sich hat US-Präsident Donald Trump seiner Wut über das Prozedere in einem Brief freien Lauf gelassen. In dem sechsseitigen Schreiben an die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, erhob Trump schwere Vorwürfe gegen die Frontfrau der Demokraten und ihre Partei. "Indem Sie mit Ihrem ungültigen Impeachment fortfahren, verletzen Sie Ihre Amtseide, brechen Sie Ihre Treue zur Verfassung und erklären Sie der amerikanischen Demokratie offen den Krieg", hieß es in dem Brief, den das Weiße Haus am Dienstag (Ortszeit) veröffentlichte. Trump erklärte, er habe das Schreiben aus geschichtlichen Gründen verfasst, um seine Gedanken "dauerhaft und unauslöschlich" festzuhalten.
In seinem - so beschriebenen - Vermächtnis für die Geschichtsbücher wiederholte der Präsident viele fast tägliche wiederholte Schmähungen gegen die Demokraten wegen ihrer Impeachment-Bemühungen. Seine Wortwahl fiel zum Teil aber schärfer denn je aus.
Impeachment: Trump wütet gegen die Demokraten - aber nicht auf Twitter, sondern per Brief
Trump kritisierte, ihm seien bei den Vorbereitungen der Demokraten für ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) Grundrechte verwehrt worden - etwa die Möglichkeit, Zeugen bei den Anhörungen im Repräsentantenhaus verhören zu lassen. "Den Beschuldigten bei den Hexenprozessen von Salem wurde ein faireres Verfahren gewährt." Im Jahr 1692 hatten in Salem im US-Bundesstaat Massachusetts berüchtigte Prozesse begonnen, bei denen zahlreiche Menschen der Hexerei bezichtigt wurden. 19 Unschuldige wurden gehängt. Trump beklagt immer wieder, dass er Opfer einer "Hexenjagd" sei.
Der Präsident kehrte die Vorwürfe um, die in der Ukraine-Affäre gegen ihn gerichtet sind. Er warf den Demokraten Machtmissbrauch und Einmischung in die Wahlen vor. "Sie sind diejenigen, die die Demokratie in Amerika untergraben. Sie sind diejenigen, die die Justiz behindern. Sie sind diejenigen, die unserem Land Schmerz und Leid zufügen, um sich selbst selbstsüchtig einen persönlichen, politischen und parteiischen Vorteil zu verschaffen."
Nach dem Willen der Demokraten soll sich der Präsident wegen Machtmissbrauchs und Behinderung der Ermittlungen des Kongresses verantworten. Das US-Repräsentantenhaus soll an diesem Mittwoch über die offizielle Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump entscheiden. Pelosi schrieb am Dienstagabend (Ortszeit) in einer Rundmail an ihre Parteikollegen, die Kongresskammer werde am Mittwochmorgen (Ortszeit) zusammenkommen, um am Ende über die zwei gegen Trump erhobenen Anklagepunkte abzustimmen. Sie rief alle demokratischen Abgeordneten auf, bei diesem ernsten Moment im Plenum der Kammer dabei zu sein.
Impeachment gegen Trump: Verfahren hat wenig Aussicht auf Erfolg
Mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus können die Demokraten ein Impeachment-Verfahren zwar offiziell eröffnen. Das Verfahren selbst - das einem Gerichtsprozess ähnelt - wird dann aber im Senat geführt. In dieser Kammer des Kongresses haben Trumps Republikaner die Mehrheit. Eine Zweidrittelmehrheit, die für eine Amtsenthebung Trumps notwendig wäre, ist derzeit nicht absehbar.
Trump wies die Vorwürfe gegen sich in dem Brief an Pelosi erneut vehement zurück. Die Anschuldigungen seien "gegenstandslos", "wertlos", ja "grotesk". Das von den Demokraten angestrebte Verfahren sei "nicht mehr als ein illegaler, parteiischer Umsturzversuch". Pelosi und ihre Demokraten würden dafür bei der Wahl im November kommenden Jahres abgestraft werden. "Sie sind nicht nur hinter mir her, sondern hinter der gesamten Republikanischen Partei. Aber wegen dieser kolossalen Ungerechtigkeit ist unsere Partei vereinter als je zuvor." Trump fügte hinzu: "Sie betrachten Demokratie als Ihren Feind!"
"Das ist lächerlich", kommentierte Pelosi das Schreiben am Dienstag (Ortszeit) auf Nachfrage. "Wir haben es nicht komplett gelesen, wir haben gearbeitet." Sie habe aber die wesentlichen Teile des Briefs gesehen. "Das ist wirklich krank."
Die Demokraten beschuldigen Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen Trumps politischen Rivalen Joe Biden gedrängt zu haben, um die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Sie sehen es als erwiesen an, dass Trump von der Ankündigung solcher Ermittlungen ein Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus und die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine abhängig gemacht habe. Als das herausgekommen sei, habe Trump alles daran gesetzt, die Ermittlungen im Kongress zu blockieren. (dpa)