Nach der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger Donald Trumps hat der Kurznachrichtendienst Twitter das wichtigste Konto des abgewählten US-Präsidenten nach eigenen Angaben dauerhaft gesperrt. Grund sei das "Risiko einer weiteren Anstiftung zur Gewalt", teilte Twitter am Freitagabend (Ortszeit) mit. Die Demokraten im Repräsentantenhaus treiben deswegen die Vorbereitungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren voran. Twitter ist die wichtigste Kommunikationsplattform Trumps gewesen. Er hatte sich über die Plattform meist mehrfach täglich direkt an seine Anhänger und die Weltöffentlichkeit gewandt. Mehr als 87 Millionen Menschen folgten dem Präsidenten auf dessen Account @realDonaldTrump.
Twitter sperrt auch den Account von Trumps Wahlkampfteam
Nach der Sperrung seines privaten Twitterkontos verbreitete Trump seine Erklärung auch über das offizielle Twitterkonto des Präsidenten @POTUS (President Of The United States) und über das Konto seines Wahlkampfteams @TeamTrump. Twitter löschte jedoch die Tweets bei @POTUS und sperrte @TeamTrump ganz.
Trump erhob schwere Vorwürfe gegen Twitter. In einer über Journalisten im Weißen Haus verbreiteten Mitteilung Trumps hieß es: "Twitter-Mitarbeiter haben sich mit den Demokraten und der radikalen Linken bei der Entfernung meines Kontos von ihrer Plattform abgesprochen, um mich zum Schweigen zu bringen - und Euch, die 75 Millionen großartigen Patrioten, die mich gewählt haben." Belege für seine Anschuldigung legte er nicht vor. Trump kündigte an, man sei mit mehreren anderen Webseiten in Verhandlung und ziehe auch den Aufbau einer eigenen Plattform in Betracht.
Kritiker werfen Trump vor, seine Anhänger am Mittwoch bei einer Kundgebung zum Angriff auf das Kapitol angestiftet zu haben. Bei den Ausschreitungen kamen fünf Menschen ums Leben. Die Tweets auf dem Konto @realDonaldTrump waren am Freitagabend nicht mehr zugänglich. Stattdessen erschien dort die Meldung "Account gesperrt". Twitter führte zur Begründung der neuen Sperre konkret zwei Tweets des Präsidenten vom Freitag auf.
Donald Trump will nicht an der Amtseinführung von Joe Biden teilnehmen
In einem dieser Tweets schrieb Trump - teils in Großbuchstaben -, die 75 Millionen "großartigen amerikanischen Patrioten", die bei der Wahl für ihn gestimmt hätten, würden bis weit in die Zukunft eine "gewaltige Stimme" haben. Sie würden nicht gering geschätzt oder in irgendeiner Form unfair behandelt. In einem zweiten Tweet kündigte Trump an, er werde der Amtseinführung seines Nachfolgers Joe Biden am 20. Januar fernbleiben.
Twitter wertete die Kombination beider Tweets als geeignet, um Menschen zu gewalttätigen Akten im Stile der Stürmung des Kapitols zu inspirieren. Der Kurznachrichtendienst argumentierte unter anderem, Trumps Hinweis, dass er selbst nicht an der Vereidigungszeremonie teilnehme, könne für jene, die möglicherweise Gewalttaten in Betracht zögen, als Ermutigung dienen, "dass die Vereidigung ein 'sicheres' Ziel sei", weil Trump selbst dort nicht anwesend sei.
Auf Twitter und anderswo würden bereits Pläne für künftige bewaffnete Proteste verbreitet, hieß es weiter. Unter anderem sei dort die Rede von einer vorgeschlagenen weiteren Attacke auf den Kongresssitz am 17. Januar.
Twitter hatte das Konto von Donald Trump zunächst vorübergehend gesperrt
Nach den Ausschreitungen am Kapitol am Mittwoch hatte Twitter den Account @realDonaldTrump bereits für zwölf Stunden gesperrt, weil Tweets des Präsidenten "wiederholt und schwerwiegend" gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen hatten. Der Kurznachrichtendienst hatte Trump mit einer dauerhaften Sperre gedroht, sollten diese Tweets nicht entfernt werden.
Betroffen war unter anderem ein Video, in dem Trump seine Anhänger zwar zum Rückzug aus dem von ihnen gestürmten Kapitol aufrief - aber zugleich abermals seine unbelegten Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug wiederholte. In einem weiteren Tweet hatte Trump mit Blick auf die Ausschreitungen seiner Anhänger am Parlament geschrieben: "Das sind Dinge und Ereignisse, die passieren, wenn ein heiliger Erdrutschsieg so unvermittelt und gemein" gestohlen werde. Twitter begründete die dauerhafte Sperre nun aber mit neuen Tweets.
Trump droht wegen "Anstiftung zum Aufruhr" erneutes Amtsenthebungsverfahren
Kritiker werfen dem Republikaner vor, seine Unterstützer durch diese Tweets angestachelt zu haben. Die Demokraten im Repräsentantenhaus treiben deswegen die Vorbereitungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren voran. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, teilte am Freitagabend (Ortszeit) nach einer Online-Konferenz mit ihren demokratischen Fraktionskollegen mit: "Es ist die Hoffnung der Abgeordneten, dass der Präsident sofort zurücktritt."
Pelosi forderte wegen der Unruhen am Kapitol auch strafrechtliche Konsequenzen für Trump. "Leider ist die Person, die die Exekutive führt, ein gestörter, verwirrter, gefährlicher Präsident der Vereinigten Staaten", sagte in einem vorab veröffentlichten Auszug eines Interviews des Senders CBS, das am Sonntag ausgestrahlt werden soll. "Und es sind nur noch ein paar Tage, bis wir vor ihm geschützt werden können. Aber er hat etwas so Schwerwiegendes getan, dass er strafrechtlich verfolgt werden sollte."
In einem von demokratischen Abgeordneten vorbereiteten Resolutionsentwurf für ein Amtsenthebungsverfahren ist ein einziger Anklagepunkt vorgesehen: "Anstiftung zum Aufruhr". Darin wird Trump beschuldigt, bei einer Kundgebung seine Unterstützer angestachelt zu haben, von denen viele danach das Kapitol stürmten. Der Republikaner habe damit seine Bemühungen fortgesetzt, die Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl zu behindern.
Mit seinem Verhalten habe Trump gezeigt, "dass er eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung bleiben wird, wenn er im Amt bleiben darf", hieß es in dem Entwurf weiter. Trump müsse daher aus dem Amt entfernt werden. Er müsse außerdem für künftige Regierungsämter gesperrt werden.
Amtsenthebungsverfahren könnte Trump Kandidatur bei der US-Wahl 2024 verwehren
Die demokratische Kongressabgeordnete Diana DeGette teilte mit, es sei geplant, die Resolution an diesem Montag einzubringen. In dem von den Demokraten beherrschten Repräsentantenhaus gilt eine Zustimmung zur Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens als sicher. Entschieden würde es allerdings im US-Senat. Dass das Verfahren im Senat vor der Vereidigung Bidens und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris am 20. Januar abgeschlossen werden könnte, ist quasi ausgeschlossen.
Der Senat kommt zu seiner nächsten regulären Sitzung erst am 19. Januar zusammen. Aus einem von der Washington Post verbreiteten Memorandum des republikanischen Mehrheitsführers im Senat, Mitch McConnell, geht hervor, dass das Verfahren nach den geltenden Regeln frühestens am 20. Januar um 13 Uhr beginnen könnte - eine Stunde nach Bidens Vereidigung und Trumps Ausscheiden aus dem Amt.
Die Demokraten im Kongress dürften mit dem Verfahren ein anderes Ziel verfolgen: Sollte Trump im Senat schuldig gesprochen werden, könnte er zusätzlich mit einem Verbot belegt werden, künftig öffentliche Ämter des Bundes zu bekleiden - damit wäre ihm eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2024 verwehrt. Für eine Verurteilung müssten aber mindestens 67 der 100 Senatoren stimmen. Für eine solche Zweidrittelmehrheit müssten 17 Republikaner die künftig 50 Demokraten im Senat unterstützen, was derzeit nicht absehbar ist. Sollte das dennoch geschehen, würde eine einfache Mehrheit ausreichen, um Trump künftig von Bundesämtern auszusperren.
Hochrangige Kirchenvertreter in den USA stellten sich hinter die Forderungen nach einem sofortigen Rücktritt Trumps. "Präsident Donald J. Trumps Handlungen und Worte haben die Sicherheit des Landes und seiner Regierungsinstitutionen gefährdet, indem sie einen gewalttätigen, tödlichen, aufrührerischen Mob-Angriff auf das US-Kapitol anstifteten", hieß es in einem vom Nationalen Kirchenrat verbreiteten offenen Brief an Vizepräsident Mike Pence, die Mitglieder des Kongresses und Angehörige von Trumps Kabinett.
Auch Facebook hat Donald Trump gesperrt
Facebook hatte am Donnerstag mitgeteilt, Trump bis auf Weiteres ebenfalls zu sperren. Trumps Konten bei dem Online-Netzwerk und auch bei der Fotoplattform Instagram sollten für mindestens zwei Wochen beziehungsweise bis zur Amtsübergabe an Nachfolger Joe Biden blockiert bleiben, wie Facebook-Chef Mark Zuckerberg am Donnerstag ankündigte. Zunächst hatte Facebook Trump für 24 Stunden gesperrt.
Vor allem Twitter beschränkte sich bei Trump bisher auf Warnhinweise, weil der Dienst die Beiträge des Präsidenten als geschichtliche Dokumente betrachtet. Twitter und Facebook hatten in den vergangenen Monaten zahlreiche Beiträge Trumps mit Warnungen vor falschen Informationen versehen und zum Teil auch deren Verbreitung eingeschränkt. Der scheidende Präsident warf den Plattformen daraufhin politische Zensur vor. Trump kündigte zudem an, man sei mit mehreren anderen Webseiten in Verhandlung und ziehe möglicherweise auch den Aufbau einer eigenen Plattform in Betracht. (dpa)
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