Hinweis: Dieser Artikel gibt den Stand vom 5. März 2019 wider und kann inzwischen überholt sein.
Kurz nach dem Entzug der Arbeitsgenehmigung für drei deutsche Korrespondenten in der Türkei facht Innenminister Süleyman Soylus die Spannungen in der Beziehung zwischen der Türkei und Deutschland weiter an: Die türkische Regierung will künftig Urlauber aus Deutschland, die als mutmaßliche Regierungsgegner gelten, gleich bei der Einreise festnehmen lassen. Die Worte des Innenministers legen nahe, dass Ankara die Teilnehmer von Türkei-kritischen Kundgebungen in der Bundesrepublik und anderen europäischen Staaten beobachten und Namenslisten von Verdächtigen erstellen lässt.
Schnell steht man auf der Liste der Verdächtigen
In einer Rede bei einer Kundgebung der Regierungspartei AKP in Ankara bezog sich Soylu laut Videomitschnitten und Berichten regierungsfreundlicher Medien auf Aktivitäten der kurdischen Terrororganisation PKK in Deutschland. „Es gibt ja Leute, die in Europa oder in Deutschland an Kundgebungen so einer Terrororganisation teilnehmen und dann nach Antalya, Bodrum oder Mugla kommen, um Urlaub zu machen“, sagte er. „Für die haben wir jetzt Maßnahmen getroffen. Die sollen ruhig kommen, dann werden sie bei der Einreise am Flughafen festgenommen – und ab geht’s mit ihnen. Im Ausland Verrat zu begehen und dann in der Türkei das Leben zu genießen, ist ab jetzt nicht mehr so einfach.“
Die Worte des Innenministers richteten sich insbesondere – aber nicht nur – an türkischstämmige Bundesbürger. Mit einer solchen Drohung hat Tourismusexperte Karl Born schon seit einiger Zeit gerechnet. Der Professor aus Wedemark in Niedersachsen warnt Urlauber vor einer Reise in die Türkei: „Vor Ort kann jetzt wirklich alles passieren. Und es kann jeden treffen.“ Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, Journalisten, politisch Engagierte und Nutzer in sozialen Netzwerken sind seiner Ansicht nach besonders gefährdet. „Man muss sich nicht mal selbst kritisch äußern. Es reicht meiner Meinung nach aus, mal einen Post zu liken oder mit jemandem über Ecken auf Facebook befreundet zu sein, der der Gülen-Bewegung angehören könnte. Dann steht man auf der Liste der Verdächtigen.“ Experte Born empfiehlt Reisenden jetzt vor allem, die Aussage von Innenminister Soylu ernst zu nehmen. „Die türkische Regierung fährt jetzt einen härteren Kurs.“
Experte rät zur Vorsicht bei Türkeiurlaub
Martin Lohmann, Professor für Tourismuswirtschaft an der Universität Lüneburg, schätzt die Situation nicht so drastisch ein. „Die Türkei ist für viele Urlauber nach wie vor ein wichtiges und sicheres Ziel.“ Aber der Tourismusprofessor warnt trotzdem: „In der Türkei rate ich immer zur Vorsicht. Die Regierung handelt sehr unerwartet. Darauf sollten sich Touristen einstellen.“
Viele von ihnen gehören zu den rund drei Millionen Türken und türkischstämmigen Deutschen in der Bundesrepublik, die ihre Ferienzeit für Besuche bei Verwandten oder Freunden in der Türkei nutzen. In den vergangenen Jahren waren bereits mehrere von ihnen in der Türkei wegen angeblich staatsfeindlicher Kommentare in sozialen Medien festgenommen worden.
Die Bundesregierung warnt deshalb in den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes für die Türkei, die im vergangenen Oktober erst verschärft wurden, dass auch „Äußerungen, die nach deutschem Rechtsverständnis von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, Anlass zu einem Strafverfahren in der Türkei geben“ könnten.
Die Rede des türkischen Innenministers Süleyman Soylus dürfte das Verhältnis zwischen Ankara und Berlin weiter belasten. Vorige Woche hatte das türkische Informationsamt dem Korrespondenten Thomas Seibert, dem ZDF-Reporter Jörg Brase sowie dem NDR-Journalisten Halil Gülbeyaz die Akkreditierung für das Jahr 2019 verweigert.
Die Bundesregierung fordert die rasche Erteilung von Arbeitsgenehmigungen
Die Bundesregierung bemüht sich bei der Regierung in Ankara jetzt um eine Rücknahme der Entscheidung und fordert die rasche Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für mehr als ein Dutzend weiterer deutscher Reporter, die noch auf ihre Akkreditierungen warten. Rund 30 Türkei-Korrespondenten aus anderen Ländern werden ebenfalls noch hingehalten.
Mit dem Streit um die Akkreditierungen versucht Informationsamts-Leiter Fahrettin Altun, die ausländische Presse in der Türkei zu disziplinieren. Der in Aalen geborene Altun leitet seit dem vergangenen Jahr das neu gegründete Informationsamt. Im vergangenen Jahr hatte Altun die angebliche Feindseligkeit westlicher Medien gegenüber der türkischen Regierung und Präsident Recep Tayyip Erdogan beklagt. Die Sicht westlicher Medien auf die Türkei werde von Regierungsgegnern im In- und Ausland beeinflusst, schrieb Altun damals in der Erdogan-nahen Zeitung Daily Sabah.
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