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Türkei: Vor der Nato-Sitzung: Von Bündnisfall will keiner sprechen

Türkei

Vor der Nato-Sitzung: Von Bündnisfall will keiner sprechen

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    Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bemühte sich um Deeskalation angesichts der Bitte aus Ankara um Beistand im Kampf gegen den Terrorismus.
    Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bemühte sich um Deeskalation angesichts der Bitte aus Ankara um Beistand im Kampf gegen den Terrorismus. Foto: Olivier Hoslet, dpa

    Der Nato-Alarm folgte nur wenige Stunden nach der Bitte des türkischen Regierungschefs Ahmet Davutoglu um Beistand: Jens Stoltenberg, der Generalsekretär der Allianz, rief für Dienstag den Rat des Bündnisses zusammen. Er besteht aus den ständigen Botschaftern der 28 Mitgliedstaaten, die im Brüsseler Nato-Hauptquartier ihre Regierungen vertreten.

    Auf der Grundlage des Artikels 4 des Vertrages, den das Bündnis am 4. April 1949 abgeschlossen hat, werden „sich die Parteien konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebietes, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist“. Erst der folgende Artikel 5 löst den sogenannten Bündnisfall aus, mit dem sich die Mitgliedstaaten gegenseitig Unterstützung geschworen haben. Nur wenn dieser Alarm aktiviert wurde und vor allem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zugestimmt hat, ist auch eine militärische Zusammenarbeit gefragt. Zuletzt war dies nach den Anschlägen der Al-Kaida-Terroristen auf New York und Washington der Fall, als die Kämpfe in Afghanistan begannen.

    „Der Bündnisfall ist noch weit weg“, ging der Sprecher der Bundesregierung, Georg Streiter, am Montag aber schon auf Distanz. So sollten Befürchtungen, dass Deutschland vom Nato-Partner Türkei in die Kämpfe an der Grenze zu Syrien hineingezogen wird, im Keim erstickt werden. Und auch eine Sprecherin von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekräftigte, man werde bei der Sitzung „erst einmal abwarten, was Ankara erwartet“.

    Partner haben Angst vor Eskalation des Konfliktes

    Diese Zurückhaltung teilen auch andere Nato-Staaten, wie gegenüber unserer Zeitung am Montag in Brüssel bestätigt wurde. Zwar bekräftigte Generalsekretär Stoltenberg: „Alle Länder haben das Recht auf Selbstverteidigung.“ Selbstverständlich dürfe sich die Türkei auch „gegen Terroranschläge verteidigen“. Aber es sei wichtig, dass „diese Maßnahmen verhältnismäßig sind und nicht in einer unnötigen Weise zu einer Eskalation des Konfliktes beitragen“. Genau das ist die Angst der Partner. Schließlich hatte Ankaras Luftwaffe zwar nach offizieller Darstellung den Kampf gegen die Extremisten des „Islamischen Staates“ (IS) aufgenommen, tatsächlich aber seien in den vergangenen Tagen vor allem Lager der kurdischen Arbeiterpartei PKK angegriffen worden.

    Kompliziert wird die Lage vor Ort noch dadurch, dass die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) an vorderster Front gegen den IS kämpfen und nicht zuletzt den Vormarsch auf die türkisch-syrische Grenzstadt Kobane gestoppt hatten – ohne jede Unterstützung Ankaras. In Kreisen der Allianz hieß es gestern, man dürfe sich nicht von der Türkei „vor den Karren ihrer Politik gegen die PKK“ spannen lassen. Deutsche Nato-Diplomaten sind zusätzlich beunruhigt, weil die Bundesregierung die kurdischen Peschmerga-Kämpfer mit Waffen ausgestattet hatte und nun befürchtet, diese könnten in die Hände der PKK-Extremisten fallen. Von der heutigen Sitzung in Brüssel wird vor diesem Hintergrund zunächst nicht mehr als ein Informationsaustausch erwartet. Ein ranghoher Nato-Diplomat sagte: „Hier wird nichts entschieden, weil die Lage und die Absichten Ankaras völlig unklar sind.“

    Anschlag des IS in Suruç Auslöser der jüngsten Eskalation

    Auslöser der jüngsten Eskalation waren ein Anschlag in der südlichen Stadt Suruç mit mehr als 30 Toten, für den der IS verantwortlich gemacht wird, und Gefechte mit IS-Kämpfern. Die PKK hatte am Mittwoch nach eigenen Angaben zwei Polizisten im Bezirk Ceylanpinar erschossen. Die Organisation nannte die Tat eine Vergeltung für den Suruç-Anschlag, sie warf den Beamten Kollaboration mit dem IS vor.

    Ab sofort beteilige sich die Luftwaffe des Landes am US-geführten internationalen Militäreinsatz gegen die Terrormiliz, erklärte das türkische Außenministerium. Zugleich erhielten die USA nach langem Drängen die Erlaubnis, Stützpunkte in der Türkei für Angriffe auf die Extremisten zu nutzen. Auf diese Weise soll der Druck aus der Luft auf die IS-Kämpfer weiter ausgebaut werden.

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