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Türkei: Putsch gescheitert - Wer steckt hinter dem Komplott?

Türkei

Putsch gescheitert - Wer steckt hinter dem Komplott?

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    Ein Panzer fährt in der Nacht des Putschversuchs durch die Straßen von Ankara.
    Ein Panzer fährt in der Nacht des Putschversuchs durch die Straßen von Ankara. Foto: epa/str (dpa)

    Noch in der Nacht schlägt die Stunde der Verschwörungstheoretiker. Wer steckt hinter den verstörenden Szenen, die sich in Istanbul und Ankara abspielen? Wer will den türkischen Präsidenten und die Regierung, die ihm Treue geschworen hat, stürzen? Hat ein alter Bekannter seine Finger im Spiel? Geht der Putschversuch auf das Konto hochrangiger Armeemitglieder, die Angst um ihre Karriere haben? Während die Welt fassungslos auf die Fernsehbilder starrt, nehmen die Spekulationen bizarre Züge an. Die einen mutmaßen, Recep Tayyip Erdogan sei längst tot. Andere behaupten, er selbst habe die ganze Sache inszeniert, um anschließend umso härter gegen seine Gegner vorgehen zu können.

    Erdogan vermutet Fethullah Gülen hinter dem Komplott

    Als es wieder hell wird in der Türkei, als klar ist, dass die Putschisten gescheitert sind, rückt die Suche nach den Drahtziehern endgültig in den Mittelpunkt. Für Erdogan selbst steht der Hauptverdächtige schon fest: Er vermutet seinen früheren Verbündeten Fethullah Gülen hinter dem Komplott.

    Der 75-Jährige war einst ein populärer Imam in der Türkei. Er wurde aber nicht nur für seine Predigten, sondern auch für seinen Kampf um eine bessere Bildung des Volkes gefeiert. Gülen und seine Anhänger unterstützten Erdogan auf seinem Weg nach oben. Beiden war der starke Einfluss des türkischen Militärs ein Dorn im Auge. Doch als Erdogan in einem Korruptionsskandal vor drei Jahren ins Zwielicht geriet, zerbrach das Bündnis der beiden Männer – und nicht nur das: Der Prediger wurde zum Erzfeind des Präsidenten.

    Bis heute ranken sich um Gülen zahlreiche Legenden. Das liegt auch daran, dass er die Türkei vor 17 Jahren unter dubiosen Umständen verließ. Auch damals stand er schon unter Verdacht, einen Umsturz zu planen. Seitdem lebt er zurückgezogen in einem Dorf im US-Bundesstaat Pennsylvania. Gesehen haben ihn nur wenige der etwa 1000 Einwohner. Gülen geht kaum auf die Straße, sein Haus wird streng bewacht. Immer wieder machen Gerüchte die Runde, er sei gesundheitlich angeschlagen. Doch aus der Ferne zieht der mysteriöse Prediger bis heute die Strippen. Seine Anhänger saßen über Jahrzehnte an Schalthebeln in der Türkei. Kritiker werfen ihm schon lange vor, einen Staat im Staat aufgebaut zu haben. Vor allem auf Polizei und Justiz sollen Gülens Leute großen Einfluss haben – oder zumindest gehabt haben. Zu seiner Bewegung, die von Ankara heute als terroristische Vereinigung eingestuft wird, gehören aber auch Schulen, Banken, Unternehmen und Medien wie die große Tageszeitung Zaman. Deren Redaktion wurde vor ein paar Monaten von der

    Seit ihrem Zerwürfnis fühlt sich Erdogan von seinem einstigen Weggefährten regelrecht verfolgt. Kein Wunder, dass er ihn für den gescheiterten Putsch verantwortlich macht und die USA auffordert, Gülen an die Türkei auszuliefern. Dieser bestreitet allerdings jede Verwicklung in den Umsturzversuch. Um sich zu verteidigen, gibt er eines seiner ganz seltenen Interviews. Darin verdächtigt er Erdogan, die Aktionen in der Nacht zum Samstag selbst inszeniert zu haben. Die Amerikaner schließen eine Auslieferung Gülens nicht aus, fordern aber „solide Beweise“ für seine Beteiligung an dem Putschversuch. Doch bewiesen ist nach den dramatischen Stunden in Ankara und Istanbul praktisch nichts.

    Auch Akin Öztürk auf der Liste der Verdächtigen

    Ein Name, der ebenfalls weit oben auf der Liste der Verdächtigen steht, ist Akin Öztürk. Der Vier-Sterne-General war Kommandant der türkischen Luftwaffe und zuletzt Mitglied des mächtigen Militärrates. Am Wochenende tauchten Bilder auf, die angeblich zeigen, wie er von Polizisten abgeführt wird. Aus der Regierung wird kolportiert, Öztürk gelte als einer der Drahtzieher. Das Militär in der Türkei gilt traditionell als „kemalistisch“. Das heißt, die Soldaten fühlen sich der Idee des Staatsgründers Kemal Atatürk verpflichtet. Dieser hatte eine klare Trennung von Staat und Religion durchgesetzt. Erdogan und seine islamisch-konservative Regierungspartei AKP verwässern dieses Prinzip seit Jahren. Experten sprechen von einer „Re-Islamisierung“ der Türkei. Demokratische Grundrechte bleiben dabei immer öfter auf der Strecke. Liegt darin das Motiv der Putschisten in den Reihen des Militärs? Möglich. Es könnte aber auch etwas viel Banaleres dahinterstecken.

    In den kommenden Wochen sollte die Militärführung umgebaut werden. Ging es den Hintermännern also vielleicht nur um ihre Posten? Musste es schnell gehen? Wirkte der Putsch deshalb so dilettantisch und war nach wenigen Stunden schon vorbei? Der Istanbuler Politikwissenschaftler Akin Ünver legt diesen Verdacht zumindest nahe. „Das war kein Coup. Das war die Kamikaze-Aktion einer skrupellosen Gruppe, die eher aus Frustration denn aus Kalkül gehandelt hat“, zitiert Spiegel Online den Experten. Was bleibt, sind Spekulationen.

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