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Türkei: Präsident Erdogan erklärt teure Zwiebeln zur Chefsache

Türkei

Präsident Erdogan erklärt teure Zwiebeln zur Chefsache

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    Teure Zwiebeln könnten für den türkischen Präsidenten Erdogan zum Problem werden.
    Teure Zwiebeln könnten für den türkischen Präsidenten Erdogan zum Problem werden. Foto: Matthias Becker (Symbolbild)

    Woanders reden die Leute übers Wetter oder die Nachbarn – in der Türkei reden derzeit alle über Zwiebeln. „Letztes Jahr kostete ein Kilo noch um die drei Lira“, also etwa 50 Cent, sagt ein Istanbuler Gemüsehändler. „Dieses Jahr waren es zeitweise zehn Lira.“

    Zwiebeln sind unverzichtbar für die türkische Küche, selbst der ärmste Türke braucht sie täglich für den Familientisch. Deshalb sind viele Verbraucher sauer auf die Regierung. „Die Leute beschweren sich sehr“, sagt ein anderer Istanbuler Krämer. „Die Inflation ist eh schon hoch genug.“ Nun hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Zwiebeln zur Chefsache erklärt, denn er befürchtet einen Denkzettel bei der Kommunalwahl im März.

    Inflation: Millionen von Türken  wissen nicht mehr, wo sie das Geld hernehmen sollen

    Eine Missernte, hohe Ausfälle durch schlechte Lagerung, dazu viele Zwischenhändler auf dem Weg vom Bauern zum Verbraucher – es gibt viele Gründe dafür, dass Zwiebeln so teuer geworden sind, sagen Experten. Hinzu kommt eine Jahresinflation von 25 Prozent.

    Am Wetter kann die Regierung nichts ändern, wohl aber an einer Wirtschafts- und Finanzpolitik, die den Wert der Lira in diesem Jahr um zeitweise 40 Prozent gegenüber dem US-Dollar abstürzen ließ und mitverantwortlich für die hohe Inflation ist. Millionen von Türken, die mit dem Mindestlohn von umgerechnet 270 Euro netto auskommen müssen, wissen nicht mehr, wo sie das Geld hernehmen sollen. Ein Krämer in Istanbul berichtet, allein seine Stromrechnung sei dieses Jahr um ein Drittel gestiegen.

    Erdogan sieht die Schuld an den Missständen bei hinterhältigen Verschwörern, ähnlich wie schon beim Einbruch des Lira-Kurses im Sommer. Der Präsident hat Großhändlern den Kampf angesagt, die angeblich Zwiebeln horten, um die Preise hochzutreiben. Publikumswirksame Razzien in Lagerhäusern sollen seine Wähler beruhigen.

    Werden die Zwiebeln für Erdogans Partei AKP bei der Kommunalwahl zum Problem?

    Eine reine Schauveranstaltung, sagen Kritiker wie der Journalist Mirgün Cabas. Er rechnete auf Twitter vor, dass selbst die Beschlagnahmung von 100 Tonnen Zwiebeln in den Lagerhäusern angesichts einer Jahresproduktion von zwei Millionen Tonnen das Problem wohl kaum lösen könne. Der Agrar-Experte Ali Ekber Yildirim befürchtet, dass Zwiebeln wegen der Razzien bald noch teurer werden könnten. Erst im April werde wieder geerntet. Wenn aber auf Befehl der Regierung schon jetzt alle Lagerhäuser leergeräumt würden, stelle sich die Frage: „Was sollen wir bis dahin essen?“

    Erdogan handelt beim Zwiebel-Problem wie seine ganze Regierung bei der Inflationsbekämpfung: Ankara will Probleme quasi verbieten. Präsidenten-Schwiegersohn und Finanzminister Berat Albayrak hat führende türkische Unternehmen zu Preissenkungen verdonnert, um die Geldentwertung zu bremsen.

    Der Unmut der Wähler über die Inflation könnte Erdogans Partei AKP bei der Kommunalwahl einige Probleme bereiten. Laut Umfragen sehen drei von vier Wählern das Land in einer Krise – während Erdogan nur von Angriffen auf eine an sich kerngesunde Volkswirtschaft spricht. Immer häufiger machen Meldungen über Unternehmenskonkurse die Runde, Rechnungen werden nicht mehr bezahlt, die Zuversicht von Unternehmen und Verbrauchern ist auf einem Tiefstand. Manche Kritiker vermuten, dass die Regierung den Türken erst nach der Kommunalwahl die Rechnung präsentieren wird.

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