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Türkei: Islam kehrt unter Erdogan verstärkt in Öffentlichkeit zurück

Türkei

Islam kehrt unter Erdogan verstärkt in Öffentlichkeit zurück

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    Eine verschleierte Frau in Istanbul: Seit der Regierungsübernahme durch die AK-Partei von Recep Tayyip Erdogan gewann der Islam zunehmend an Bedeutung zurück.
    Eine verschleierte Frau in Istanbul: Seit der Regierungsübernahme durch die AK-Partei von Recep Tayyip Erdogan gewann der Islam zunehmend an Bedeutung zurück. Foto: Alexander Kaya/Symbolbild, Archiv

    Seit der Regierungsübernahme durch die AK-Partei von Recep Tayyip Erdogan hat sich die Türkei immer mehr vom Erbe des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk entfernt. Insbesondere der Islam gewann unter dem islamisch-konservativen Politiker Erdogan zunehmend an Bedeutung in Politik und Öffentlichkeit zurück. Nicht nur finden sich in politischen Reden vermehrt religiöse Referenzen, sondern islamische Werte bestimmen auch verstärkt das Handeln der Regierung.

    Während Atatürk keinen Hehl aus seiner Verachtung für den Islam machte, den er für ein Hindernis für Modernisierung und Fortschritt hielt, tritt Erdogan demonstrativ fromm auf und lässt sich regelmäßig beim Gebet filmen. Auf einem Hügel über dem Bosporus errichtete Erdogan eine riesige Moschee, und auch am symbolträchtigen Taksim-Platz im Zentrum Istanbuls wurde kürzlich der Bau einer Moschee begonnen.

    Anders als der Junggeselle Atatürk, der Oper und Bälle liebte und dessen kurze Ehe kinderlos blieb, pflegt Erdogan einen konservativen Lebensstil und tritt für ein traditionelles Geschlechterverhältnis ein. Mit seinem Aufruf an die Türkinnen, wie seine Ehefrau Emine vier Kinder zu haben, sorgte Erdogan für Aufruhr. Auch dass er Abtreibung als Verbrechen bezeichnete, stieß bei Frauenrechtlerinnen auf Empörung.

    Viele säkular und westlich orientierte Türken werfen Erdogan vor, ihnen seine Lebensweise aufzwingen zu wollen. Sie kritisieren, dass unter Erdogan die Steuern auf Alkohol erhöht und Werbung für Spirituosen eingeschränkt wurden. Neue Regeln wie ein Ausschankverbot rund um Moscheen machten zudem Bars das Leben so schwer, dass selbst im Istanbuler Ausgehviertel Beyoglu das Nachtleben deutlich zurückging.

    Für heftige Debatten sorgte die Zulassung des Kopftuchs in staatlichen Einrichtungen. Bei den Kemalisten, die den Schleier als Symbol des Islam verbannt hatten, stieß der Einzug kopftuchtragender Frauen in Universitäten, Gerichte und das Parlament auf wütenden Protest. Allerdings war das Kopftuchverbot nur schwer zu rechtfertigen in einem Land, in dem bis zu 80 Prozent der Frauen ein Kopftuch tragen.

    Der Streit um den Islam ist in der Türkei schon immer ein Kulturkampf zwischen sozialen Schichten gewesen. Die radikale Säkularisierungs- und Modernisierungspolitik Atatürks begann als Projekt der urbanen, westlich orientierten Mittel- und Oberschicht - und blieb es auch. Nur eine Minderheit übernahm die kemalistische Staatskultur, während die Mehrheit dem Islam und seinen Traditionen verhaftet blieb.

    Die Rückkehr des Islam in die Öffentlichkeit stieß viel auf Zustimmung

    Die Rückkehr des Islam in die Öffentlichkeit unter der AKP stieß daher in großen Teilen der Bevölkerung auf Zustimmung. Viele Türken fühlen sich in ihrer Kultur und Lebensweise von Erdogan und anderen AKP-Politikern erstmals richtig anerkannt. Manche Konservative empfinden es nur als gerecht, dass nach der jahrzehntelangen Dominanz der Kemalisten nun sie die Ordnung der Gesellschaft bestimmen können.

    Zwar hat die AKP in den vergangenen Jahren das Erbe Atatürks zunehmend in Frage gestellt, doch bleibt sie selbst von ihm geprägt. So sehr sich die islamisch-konservative Partei auch von den Kemalisten unterscheidet, so tragen ihr Personenkult um Erdogan, der Einsatz des Staates zur Durchsetzung einer bestimmten Kultur und ihre Intoleranz gegenüber Kritik unverkennbar Züge des Kemalismus. (afp)

    Mehr zum Referendum in der türkei lesen sie auch in unserem News-Blog: Türkei-Referendum: Über 600.000 Türken in Deutschland haben abgestimmt

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