In der Affäre um ihren vermissten Gastautor Dschamal Chaschukdschi bringt ein Artikel der Washington Post die saudischen Behörden in Erklärungsnot.
Demnach wurden in Riad schon vor dem Verschwinden des regimekritischen Journalisten Pläne geschmiedet, den 59-Jährigen gefangen zu nehmen und zu verhören - oder sogar zu töten. Das gehe aus Informationen des US-Geheimdienstes hervor, der die Kommunikation zwischen saudischen Regierungsvertretern ausgespäht habe, berichtete die US-Zeitung in der Nacht zum Mittwoch.
Die der türkischen Regierung nahestehenden Zeitung Sabah veröffentlichte am Mittwoch Fotos und die Identitäten von 15 Saudis, die am Tag von Chaschukdschis Verschwinden mit zwei Privatflugzeugen in Istanbul gelandet sein sollen. Die Verlobte des Vermissten, Hatice C., bat unterdessen in einem Gastbeitrag US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melanie Trump um Hilfe.
Fall Dschamal Chaschukdschi sorgt in USA für Aufmerksamkeit
Chaschukdschi wird seit einer Woche vermisst. Der Saudi betrat das Konsulat seines Heimatlandes in Istanbul vor mehr als einer Woche, um Papiere für seine Hochzeit abzuholen, kam aber nicht wieder heraus. Medien und Freunde des Vermissten berichteten daraufhin unter Berufung auf türkische Polizei- und Regierungskreise, dass er im Konsulat ermordet wurde. Saudi-Arabien weist die Vorwürfe zurück und beharrt darauf, dass Chaschukdschi erst nach dem Verlassen des Konsulats verschwunden sei. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die saudischen Behörden aufgefordert, das zu beweisen. Die Türkei erhofft sich nun von einer Durchsuchung des Konsulats neue Erkenntnisse.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat derweil eine unabhängige internationale Untersuchung gefordert. RSF beklagte am Mittwoch in einer Mitteilung zugleich, seit September vergangenen Jahres seien in Saudi-Arabien mehr als 15 Journalisten und Blogger auf völlig undurchsichtige Art und Weise festgenommen worden. In den meisten Fällen seien die Festnahmen nie offiziell bestätigt worden. Zudem sei unklar, wo die Betroffenen wegen welcher Vorwürfe festgehalten würden, erklärte RSF weiter.
Der Fall Chaschukdschi findet in den USA große Aufmerksamkeit, weil Chaschukdschi dort im Exil lebte und unter seinem anglisierten Namen "Jamal Khashoggi" auch Artikel für die Washington Post geschrieben hat. Die Zeitung berichtete, wie zuvor schon die türkische Nachrichtenagentur Anadolu, am Morgen des 2. Oktober sei ein 15-köpfiges Team aus der saudischen Hauptstadt Riad mit zwei Privatfliegern nach Istanbul gereist und anschließend zu dem Konsulat gefahren. Das Blatt beruft sich auf zwei mit den Ermittlungen vertraute Informanten. Am Ende des Tages sei die Männergruppe dann mit verschiedenen Maschinen abgereist, die auf Umwegen nach Riad zurückgeflogen seien, wie auch Flugaufzeichnungen bestätigten. Anadolu meldete, die türkischen Behörden hätten am 2. Oktober eine Gruppe Saudis und deren Privatflugzeug am Atatürk Flughafen durchsucht, aber nichts gefunden.
Was zwischen An- und Abreise der Saudis geschah, ist nicht klar. Allerdings liegen der Washington Post nach eigenen Angaben Aufnahmen einer Polizei-Überwachungskamera vor, auf denen ein Van mit getönten Scheiben zu sehen ist. Laut Vertretern der Sicherheitsbehörden hat er einige der Männer vom Konsulat zur knapp 500 Meter entfernten Residenz des saudischen Konsuls gebracht - und das etwa zwei Stunden, nachdem Chaschukdschi die Landesvertretung betreten hatte.
Laut der Zeitung gehen die türkischen Ermittler davon aus, dass die Gesandten Riads in dem Konsulat auf Chaschukdschi warteten. Auch türkische Medien hatten berichtet, dass ein schwarzer Van mit verdunkelten Scheiben das Konsulat zur kritischen Zeit verlassen hatte und dass die Ermittler versuchten, die Insassen zu identifizieren.
Chaschukdschis Verlobte schrieb in ihrem Gastbeitrag in der Washington Post, sie hoffe, Trump und die First Lady könnten Licht ins Dunkel bringen. Sie forderte den saudischen König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman zudem auf, diplomatisches Feingefühl zu zeigen und Videoaufnahmen vom Konsulat zu veröffentlichen. "Auch wenn dieser Vorfall eine politische Krise zwischen den beiden Nationen auslösen könnte, lasst uns nicht den menschlichen Aspekt von dem, was passiert ist, aus den Augen verlieren", schrieb sie. (dpa)
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier .