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Türkei: Grubenunglück in Soma: Regierung erlässt Demonstrationsverbot

Türkei

Grubenunglück in Soma: Regierung erlässt Demonstrationsverbot

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    Seit dem Grubenunglück sind die Proteste in der Türkei wieder aufgeflammt. Die Regierung hat nun ein Demonstrationsverbot verhängt.
    Seit dem Grubenunglück sind die Proteste in der Türkei wieder aufgeflammt. Die Regierung hat nun ein Demonstrationsverbot verhängt. Foto: Ulas Yunus Tosun (dpa)

    Nach Abschluss der Bergungsarbeiten in der Unglücksgrube im westtürkischen Soma will die Regierung in Ankara offenbar weitere kontroverse Debatten über eine Mitschuld der Politik so weit wie möglich verhindern. In Soma selbst wurde nach Zusammenstößen zwischen Polizei und Teilnehmern von Protestkundgebungen ein Demonstrationsverbot erlassen.

    Auch in Istanbul ging die Polizei gewaltsam gegen Soma-Demonstranten vor. Die Opposition wirft der Regierung vor, die Verantwortung für den schlimmsten Industrieunfall in der Geschichte des Landes mit 301 Toten allein auf die Betreiberfirma schieben zu wollen.

    25 Verdächtige wurden festgenommen

    Gegen drei Verdächtige wurden am Sonntag Verfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Staatsanwalt Bekir Sahiner sagte, die drei seien Teil der insgesamt 25 Verdächtigen, die festgenommen wurden. Medienberichten zufolge gehört zu den Festgenommenen auch die Leitung des Zechenbetreibers.

    Der Eingang zum Bergwerk wurde inzwischen abgeriegelt. Überlebende berichteten von schweren Versäumnissen. So sollen in der Grube die Sauerstoff-Sensoren ausgeschaltet worden sein – weil die Sensoren bei sinkendem Sauerstoffanteil in der Luft die Produktion automatisch stoppen könnten.

    Zudem habe sich in den Tagen vor dem Unglück merklich Hitze in den Stollen aufgebaut, doch die Firmenleitung habe alle Warnungen ignoriert. Grubenchef Alp Gürkan hatte sich 2012 damit gebrüstet, die Produktionskosten von 130 Dollar (rund 95 Euro) auf 24 Dollar pro Tonne Kohle gesenkt zu haben.

    Schuld soll auf Soma-Holding abgewälzt werden

    Im Parlament von Ankara will Erdogans Regierungspartei AKP in den kommenden Tagen einen Untersuchungsausschuss zum Soma-Unglück einrichten lassen. Oppositionspolitiker erklärten, die AKP wolle sich und die Regierung reinwaschen und alle Schuld auf die Firma Soma-Holding schieben.

    Wenige Wochen vor dem Unglück hatte die AKP im Parlament einen Oppositionsantrag auf Untersuchung von Missständen in der Soma-Grube abgeschmettert.

    Auch die regierungsnahe Presse schießt sich zunehmend auf das Unternehmen Soma-Holding als Verantwortlichen ein. Vizepremier Emrullah Isler versprach eine Bestrafung aller Schuldigen – doch politische Konsequenzen kommen für die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan offenbar nicht infrage.

    Kritisierter Erdogan-Berater bleibt im Amt

    Die Minister für Energie und für Arbeit, Taner Yildiz und Faruk Celik, sind weiter im Amt. Auch der wegen seiner Tritte gegen einen am Boden liegenden Demonstranten in Soma heftig kritisierte Erdogan-Berater Yusuf Yerkel ist auf seinem Posten geblieben.

    Laut Presseberichten will Erdogan in den kommenden Tagen staatliche Hilfen für die Angehörigen des Grubenunglücks verkünden. Kritische Fragen an die Regierung kann er damit jedoch nicht verhindern.

    So sagte Mustafa Ali Bilir, der Bruder eines getöteten Bergarbeiters, bei einem Gespräch mit Arbeitsminister Celik, Politiker versprächen seit Jahrzehnten bessere Arbeitsbedingungen, doch nichts werde getan.

    Schmiergeld statt Verbesserungen

    Stattdessen fließe Schmiergeld. Als Celik entgegnete, diesmal werde die Regierung handeln, antwortete Bilir: „Das glaube ich nicht. Es wird doch wieder alles vertuscht.“

    Der Ministerpräsident Erdogan war nach dem Unglück in die Kritik geraten, weil er tödliche Bergwerksunfälle als normal bezeichnete und laut Medienberichten ein Mädchen und einen Mann schlug. (mit dpa)

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