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Türkei / Griechenland: Bundesinnenminister Seehofer auf heikler Mission

Türkei / Griechenland

Bundesinnenminister Seehofer auf heikler Mission

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    Flüchtlinge warten im Hafen von Piräus auf ihre Weiterreise in eines der überfüllten Lager.
    Flüchtlinge warten im Hafen von Piräus auf ihre Weiterreise in eines der überfüllten Lager. Foto: Socrates Baltagiannis, dpa

    Wogen glätten, Pakt retten – so lässt sich Horst Seehofers Flüchtlingsmission in der Türkei und in Griechenland zusammenfassen. Bei seinem Besuch in Ankara und Athen von Donnerstagabend bis Freitagmittag hat der deutsche Innenminister der Türkei angesichts des wackelnden Migration-Abkommens mit der EU für die Betreuung der vielen Flüchtlinge im Land weitere Unterstützung zugesagt. Auch in der griechischen Hauptstadt Athen beschwor Seehofer die europäische Solidarität in der Flüchtlingspolitik. Wenn man die Krise nicht gemeinsam und solidarisch löse, drohe eine Neuauflage des Chaos-Jahres 2015, warnte Seehofer. Deshalb verdienten Griechen und Türken Hilfe, denn „das hilft auch uns“. „Mir ist eine geordnete Flüchtlingspolitik lieber als ungeordnete Zuwanderung“, sagte er.

    Die Zahlen, die Seehofer im Ministerium für Bürgerschutz an der Athener Katechaki-Straße zu hören bekam, sind beunruhigend: Seit Mai hat sich die Zahl der Flüchtlinge und Migranten, die aus der Türkei über die Ägäis kommen, gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Die Lage in den überfüllten Erstaufnahmelagern auf den Inseln wird immer explosiver. Über 31.000 Menschen hausen in Camps, die nur für 8700 Personen konzipiert sind. Zufall? Die Griechen glauben eher an Erpressung: Die Türkei lasse den Schleusern freiere Hand, um bei der EU Finanzhilfen locker zu machen.

    Seehofer zum Gespräch in Ankara: Die EU soll die Türkei politisch und finanziell mehr unterstützen

    Seehofer, einst ein wortstarker Kritiker der europäischen Flüchtlingspolitik, versuchte es lieber mit Diplomatie und freundlichen Worten. „Ein ganz herzliches Dankeschön. Das ist eine Leistung, die auch in die Welthistorie eingehen wird“, lobt Seehofer die türkische Regierung, die seit 2011 mehr als drei Millionen Menschen aus dem Nachbarland Syrien aufgenommen hat. Über Finanzhilfen müsse gesprochen werden. „Ich werde nach Brüssel fahren und der neuen Kommissionspräsidentin meine Eindrücke hier schildern, damit das sehr schnell angegangen wird.“ Der türkische Innenminister werde außerdem eine Liste zusammenstellen mit Punkten, bei denen Deutschland helfen könne. Die werde noch mit Präsident Recep Tayyip Erdogan abgestimmt. Denkbar sei beispielsweise Unterstützung bei der Grenzüberwachung, sagte Seehofer.

    Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu zeigte sich zufrieden – und wies zugleich Vorwürfe zurück, die Türkei würde den Pakt nicht einhalten und die Flüchtlinge ungehindert ausreisen lassen. Er sprach von einem „kleinen Anstieg von Ankünften auf den griechischen Inseln“ und von „unbegründeten Vorwürfen gegen die Türkei“.

    Bei den Gesprächen ging es aus türkischer Sicht vor allem um zwei Themen: mehr Geld und politische Unterstützung der EU für die Pläne Ankaras, zwei Millionen syrische Flüchtlinge aus der Türkei in eine Schutzzone in Nordsyrien umzusiedeln. Die Türkei fürchtet eine neue Flüchtlingswelle aus der umkämpften syrischen Region Idlib. Der Migrationsdruck auf das Land sei „gewaltig“ und steige weiter an, sagte Seehofer. Doch zu den Umsiedlungsplänen äußerte sich der Innenminister „kritisch“. „Ich habe deutlich gesagt, dass es ja viele Regierungen gibt, unsere eingeschlossen, die da ihre Probleme haben“, betonte Seehofer am Donnerstagabend.

    Bundesinnenminister will die EU-Außengrenzen dichter machen und die Schleierfahndung intensivieren

    Im Flüchtlingsdeal, der im März 2016 geschlossen wurde, hatte die EU der Türkei Finanzhilfen von sechs Milliarden Euro für die Unterbringung und Versorgung syrischer Flüchtlinge zugesagt. Davon wurden nach Angaben der EU-Kommission bereits 5,6 Milliarden bereitgestellt. Die türkische Regierung klagt hingegen, bisher seien erst 2,6 Milliarden geflossen. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan drohte in jüngster Zeit mehrfach, er werde „die Tore öffnen“ – also Migranten massenhaft nach Europa schicken –, wenn die Europäische Union keine weiteren Zahlungen leiste.

    Die Verhandlungen mit der Türkei und Griechenland sind nicht der einzige Baustein in Seehofers Konzept zur Begrenzung der Migration. Im Kern will der Bundesinnenminister die EU-Außengrenzen dichter machen, damit weniger Schutzsuchende nach Europa kommen. Gleichzeitig verlängert er die Kontrollen an der Grenze zu Österreich. Die Schleierfahndung an der deutschen Grenze soll intensiviert werden, um die sogenannte Sekundärmigration zu bremsen. Das heißt, durch verdachtsunabhängige und lageabhängige Kontrollen im 30-Kilometer-Raum vor der Grenze will man verhindern, dass viele Asylbewerber nach Deutschland weiterziehen. Das ist zwar aufwendig und läuft der Idee des Schengen-Raums zuwider. Unter dem Strich ist es aber vielleicht leichter umzusetzen als die von Seehofer angekündigte Abschiebungsoffensive.

    Horst Seehofer hofft auf Unterstützung weiterer europäischer Staaten bei der Seenotrettung

    Und dann gibt es da noch Seehofers Plan für die Seenotrettung. Dem haben sich außer Deutschland und Frankreich zwar bisher nur Italien und Malta angeschlossen. Und die aus Seenot geretteten Menschen, die mit Schlepperbooten aus Libyen und Tunesien kommen, sind auch nur ein kleiner Teil der Migrationsbewegung in Richtung Europa. Doch Seehofer hofft, dass sich am Dienstag beim Rat der europäischen Innen- und Justizminister noch einige weitere Staaten dem Verteilmechanismus anschließen. Der könnte dann so etwas wie die Keimzelle für eine Einigung über Quoten für die Aufnahme aller Asylbewerber sein. Und es wäre eine Abkehr von den Dublin-Regeln, wonach jeder da seinen Asylantrag stellen muss, wo er zuerst registriert wurde.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Flüchtlingspolitik: Wo Erdogan recht hat

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