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Türkei: Erdogans riskante Syrien-Offensive: Droht eine Eskalation mit den USA?

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Erdogans riskante Syrien-Offensive: Droht eine Eskalation mit den USA?

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    Präsident Erdogan (r) und Stabschef Hulusi Akar in Hatay (Türkei), nahe der syrischen Grenze. Die türkische Offensive in Nordsyrien ist international umstritten.
    Präsident Erdogan (r) und Stabschef Hulusi Akar in Hatay (Türkei), nahe der syrischen Grenze. Die türkische Offensive in Nordsyrien ist international umstritten. Foto: Uncredited/Presidency Press Service, dpa

    Der türkische Vormarsch in Syrien kommt kaum voran – und wird für Präsident Recep Tayyip Erdogan zum riskanten Manöver. Auch neun Tage nach Beginn der Intervention im Nachbarland ist die türkische Armee weit von der Stadt Afrin entfernt. Als großen Erfolg feierten Regierung und Armee in Ankara am Sonntag zwar die Einnahme eines umkämpften Hügels – der jedoch nur ein paar Kilometer von der türkischen Grenze entfernt liegt.

    Noch unterstützen die meisten Türken den Kampf gegen die syrische Kurdenmiliz YPG, doch das könnte sich ändern, wenn der Krieg lange dauert. Gleichzeitig kündigt sich eine neue Krise zwischen Ankara und Washington an, die sogar zu einer offenen Konfrontation zwischen den beiden Nato-Partnern führen könnte. Und in Deutschland gehen rund 20.000 Kurden gegen die türkische Militäraktion auf die Straße.

    Die Großdemonstration in Köln wurde am Samstag wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz von der Polizei aufgelöst. Überall hatten Demonstranten Fahnen mit Bildern des inhaftierten PKK-Anführers Abdullah Öcalan geschwenkt, wie die Polizei berichtete. Das Zeigen von Symbolen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und Öcalan-Abbildern ist aber strafbar. Zudem hatten sich einige Teilnehmer vermummt. Immerhin: Die zuvor befürchteten Ausschreitungen blieben weitgehend aus. Anlass für die Proteste ist die türkische Offensive in Nordsyrien, die auch den USA nicht gefällt.

    Syrien-Offensive in Türkei: US-Solden rücken ins Visier der Türkei

    Mit Artilleriebeschuss und Luftangriffen attackieren Erdogans Truppen dort Stellungen der Kurdenmiliz YPG. Diese gehört allerdings zu den wichtigsten Partnern der Amerikaner im Kampf gegen den Islamischen Staat und in ihren Bemühungen, den Norden Syriens zu sichern. Erst vor zehn Tagen hatte US-Außenminister Rex Tillerson angekündigt, die amerikanischen Soldaten würden dauerhaft in Syrien bleiben, unter anderem um eine Machterweiterung des Iran in der Region zu verhindern. Die YPG spielt in dieser Strategie eine Schlüsselrolle. Als nächstes Ziel hat Erdogans Regierung die Stadt Manbidsch – rund hundert Kilometer östlich von Afrin – ins Auge gefasst. Damit würden dann auch US-Soldaten ins Visier der Türken rücken. Denn

    Spätestens jetzt kollidieren die Überlegungen des Weißen Hauses mit den Zielen des Nato-Partners Türkei. „Wir werden Manbidsch und die Gegend östlich des Euphrat säubern“, sagte Erdogans Regierungssprecher gestern. Und Außenminister Mevlüt Cavusoglu forderte die USA auf, ihre Truppen abzuziehen und der YPG die Waffen wieder abzunehmen, die sie den Kurden für den Kampf gegen den Islamischen Staat geliefert hatten.

    Das Leben von Recep Tayyip Erdoğan

    Recep Tayyip Erdoğan wird als Sohn eines türkischen Seemanns am 26. Februar 1954 in Istanbul geboren.

    Er geht auf eine Imam-Hatip-Schule in Istanbul, ein religiös orientiertes Fachgymnasium.

    Nach der Schule besucht er die Marmara Universität in Istanbul und studiert dort Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften.

    Im Alter von 24 Jahren heiratet er seine Frau Emine.

    Erdoğan ist zwischen 1994 und 1998 Oberbürgermeister von Istanbul.

    Wegen Demagogie wird er 1999 zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt, vier davon sitzt er ab.

    2001 gründet er die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP).

    2002 ist die AKP bei den Parlamentswahlen erfolgreich. Erdoğan darf wegen seiner Strafe kein öffentliches Amt ausüben.

    Er zieht 2003 nach Verfassungsänderungen durch seine Partei ins Parlament ein.

    Er übernimmt den Vorsitz seiner Partei und wird zum Ministerpräsidenten.

    In den darauffolgenden Wahlen gewinnen Erdoğan und seine Partei immer die absolute Mehrheit.

    Der Präsident hat insgesamt vier Kinder. Sein Schwiegersohn Berat Albayrak ist Mitglied des türkischen Parlamentes.

    Erdogan legt sich auch mit Putin an

    Solche Forderungen bringen die USA in eine schwierige Lage, denn mit einem Abzug ihrer Soldaten würden sie nicht nur die Kurden den Türken ausliefern, sondern auch ihre eigene Strategie gefährden. Richard Haass, Chef einer einflussreichen Denkfabrik in Washington, hält einen Bruch zwischen den USA und der Türkei inzwischen für „unvermeidlich“.

    Und Erdogan hat noch ein Problem. Ihm droht auch noch Krach mit Russland. Kreml-Chef Wladimir Putin will das russische Militärengagement in Syrien eigentlich reduzieren und sich stattdessen als eine Art Friedensvermittler positionieren. Heute und morgen findet im russischen Schwarzmeerort Sotschi eine Konferenz verschiedener politischer Gruppierungen aus Syrien statt, bei der über eine friedliche Lösung des jahrelangen Konfliktes gesprochen werden soll. Doch die aggressive türkische Intervention im Nachbarland könnte die Moskauer Bemühungen konterkarieren: Die Führung der syrischen Kurden erklärte bereits, sie werde wegen des Angriffs auf Afrin nicht nach (mit afp, dpa)

    Die Türkei und der Kurdenkonflikt

    Die Beilegung des seit 1984 andauernden bewaffneten Konflikts zwischen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK und der türkischen Armee schien in den letzten zwei Jahren greifbar nahe zu sein.

    Nachdem in dem Konflikt etwa 45.000 Menschen getötet worden waren, begannen 2012 Gespräche des türkischen Geheimdienstes mit dem inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan.

    Zum Newroz-Fest am 21. März 2013 erklärte Öcalan eine Waffenruhe und den von der Türkei verlangten Rückzug der PKK-Einheiten aus der Türkei.

    Im Juli 2014 beschloss das Parlament in Ankara auf Initiative der Regierung Erdogan ein Gesetz als Basis für einen Friedensprozess und die Rückkehr der PKK-Mitglieder in die Gesellschaft.

    Ein neuer politischer Konflikt schwelt seit der Parlamentswahl am 7. Juni 2015. Die AKP von Staatschef Erdogan erreichte nur 41 Prozent der Stimmen und braucht damit einen Koalitionspartner.

    Bisher ist es nicht gelungen, eine Regierung zu bilden. Überraschend stark schnitt die legale Kurdenpartei HDP unter Oppositionsführer Demirtas ab. Sie erreichte 13 Prozent der Stimmen.

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