Mit einer neuen Attacke gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Streit mit Deutschland befeuert. "Frau Merkel, Sie unterstützen Terroristen", sagte Erdogan am Montag. Die Bundesregierung lasse es zu, dass sich "Terroristen" in Deutschland verstecken. Regierungssprecher Steffen Seibert nannte die Vorwürfe "erkennbar abwegig". In der Debatte um Wahlkampfauftritte türkischer Minister in den Niederlanden solidarisierte sich Merkel mit Den Haag.
"Frau Merkel, warum verstecken Sie Terroristen in Ihrem Land? (...) Warum tun Sie nichts?", sagte Erdogan am Montag in einem Interview mit dem Fernsehsender A-Haber. Erdogan warf den deutschen Behörden vor, auf Informationen der Türkei zu 4500 "Terrorverdächtigen" nicht zu reagieren.
Bundesregierung bezeichnet Erdogans Anschuldigungen als "erkennbar abwegig"
Die Bundesregierung wies die jüngsten Anschuldigungen des türkischen Präsidenten umgehend und sehr deutlich zurück: "Die Vorwürfe sind erkennbar abwegig", erklärte Merkels Sprecher Seibert. "Die Bundeskanzlerin hat nicht die Absicht, sich am Wettlauf der Provokationen zu beteiligen."
Erdogan hatte die deutschen Behörden bereits Anfang März beschuldigt, den "Terrorismus" in der Türkei zu unterstützen. Damals äußerte er sich im Zusammenhang mit dem Streit zwischen Berlin und Ankara um die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Erdogan warf Yücel Spionage für Deutschland vor und bezeichnete ihn als "Repräsentanten" der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Was Präsident Erdogan schon über Deutschland gesagt hat
„Assimilierung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ (Am 10. Februar 2008 vor 16 000 überwiegend türkischen Zuhörern in Köln)
„Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten Voraussetzung erklärt, verletzt die Menschenrechte.“ (Am 1. November 2011 in einem Interview der „Bild“-Zeitung)
„Die Entscheidung, die das deutsche Parlament soeben getroffen hat, ist eine Entscheidung, die die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei ernsthaft beeinflussen wird.“ (Am 2. Juni 2016 in Nairobi nach der Resolution des Bundestages, das Massaker an Armeniern während des Ersten Weltkrieges durch das Osmanische Reich als Völkermord zu verurteilen)
„Ihr habt das bei der Wiedervereinigung in noch größerem Ausmaß betrieben.“ (Am 10. August 2016 in Ankara nach Kritik aus Deutschland an den Entlassungen zehntausender Staatsbediensteter nach dem Putschversuch im Juli)
„Ich glaube nicht an die deutsche Justiz und habe auch keinen Respekt vor der deutschen Justiz in diesem Zusammenhang.“ (Am 13. August 2016 in einem RTL-Interview über das vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Verbot einer Live-Schalte von Erdogan nach Köln im Juli)
„Im Moment ist Deutschland eines der wichtigsten Länder geworden, in denen Terroristen Unterschlupf finden.“ (Am 3. November 2016 in Ankara nach deutscher Kritik an neuerlichen Festnahmen von Journalisten in der Türkei)
„Ich dachte, dass der Nationalsozialismus in Deutschland beendet ist. Dabei dauert er immer noch an.“ (Am 5. März 2017 in Istanbul nach Absagen geplanter Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland) (dpa)
Der Streit um Yücel sowie die Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland belasten derzeit das deutsch-türkische Verhältnis schwer. Für Unmut sorgten in Ankara am Montag auch Merkels demonstrative Unterstützung für die niederländische Regierung, die sich mit der Türkei ebenfalls einen diplomatischen Schlagabtausch liefert.
Erdogan wirft Niederlande Nazi-Methoden vor
Die niederländischen Behörden hatten am Wochenende türkische Minister von Wahlkampfauftritten abgehalten. Präsident Erdogan warf den Niederlanden wie auch zuvor den deutschen Behörden Nazi-Methoden vor. Merkel sagte dazu am Montag in München, die NS-Vergleiche führten "völlig in die Irre".
"Gerade mit Blick auf die Niederlande, die so gelitten haben unter dem Nationalsozialismus, ist das völlig inakzeptabel", sagte die Kanzlerin. Deshalb hätten die Niederlande ihre "volle Unterstützung und Solidarität".
Derzeit schickt Erdogan seine Minister zu Wahlkampfauftritten in EU-Staaten; sie sollen bei dort lebenden Türken für das Verfassungsreferendum am 16. April werben, mit dem Erdogan seine Machtbefugnisse deutlich ausweiten will.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn warnten die türkische Führung davor, Öl ins Feuer zu gießen. In einer gemeinsamen Erklärung forderten sie die Türkei auf, "auf überzogene Erklärungen und Handlungen zu verzichten, welche die Lage weiter zu verschärfen drohen".
Auswärtiges Amt warnt vor Menschenansammlungen in der Türkei
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mahnte in der "Bild"-Zeitung vom Montag: Deutschland sollte "mit kühlem Kopf bei uns Redefreiheit nach Recht und Gesetz gewähren, aber auch klarmachen, dass mit unerträglichen Nazi-Vergleichen einige türkische Politiker ihr Rederecht selbst in Frage stellen".
Das Auswärtige Amt rief deutsche Reisende am Montag auf, sich von politischen Veranstaltungen und größeren Menschenansammlungen in der Türkei fernzuhalten. Es müsse mit Protesten gerechnet werden, "die sich auch gegen Deutschland richten können". afp
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