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Türkei/Deutschland: Türken im Ausland stimmen über mehr Macht für Erdogan ab

Türkei/Deutschland

Türken im Ausland stimmen über mehr Macht für Erdogan ab

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    Für die Türken im Ausland hat die zweiwöchige Wahlphase, in der sie über das umstrittene türkische Präsidialsystem abstimmen können, begonnen.
    Für die Türken im Ausland hat die zweiwöchige Wahlphase, in der sie über das umstrittene türkische Präsidialsystem abstimmen können, begonnen. Foto: Odd Andersen, afp

    In Deutschland und anderen europäischen Ländern lebende Türken können seit Montag über eine starke Ausweitung der Machtbefugnisse des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan abstimmen. In

    Das von Erdogan angestrebte Präsidialsystem würde die Stellung des Präsidenten erheblich stärken. Kritiker warnen vor einer Ein-Mann-Herrschaft und einer Einschränkung der Gewaltenteilung. Der Wahlkampf in der Türkei und vor allem der Widerstand in Deutschland, den Niederlanden und anderen europäischen Ländern gegen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker hatten wütende Reaktionen Erdogans und anderer Regierungsmitglieder in Ankara ausgelöst. Unter anderem überzog Erdogan Deutschland und die Niederlande mit Nazi-Vergleichen. Die Beziehungen zwischen der

    Verfassungsreferendum: "Demokratie in Gefahr"

    Gülay Kizilocak, Wissenschaftlerin des Essener Zentrums für Türkeistudien, sagte im WDR, die Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken stehe Erdogans islamisch-konservativer Regierungspartei AKP nahe. "Insgesamt stammen die Menschen mit türkischen Wurzeln, die hier seit über fünf Jahrzehnten leben, aus ländlichen Gegenden, die konservativ-religiös geprägt sind", erläuterte Kizilocak. "Und die fühlen sich von der AKP angesprochen und wählen diese Partei. Dieser Konservatismus überträgt sich auch auf die nachfolgenden Generationen."

    Das Leben von Recep Tayyip Erdoğan

    Recep Tayyip Erdoğan wird als Sohn eines türkischen Seemanns am 26. Februar 1954 in Istanbul geboren.

    Er geht auf eine Imam-Hatip-Schule in Istanbul, ein religiös orientiertes Fachgymnasium.

    Nach der Schule besucht er die Marmara Universität in Istanbul und studiert dort Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften.

    Im Alter von 24 Jahren heiratet er seine Frau Emine.

    Erdoğan ist zwischen 1994 und 1998 Oberbürgermeister von Istanbul.

    Wegen Demagogie wird er 1999 zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt, vier davon sitzt er ab.

    2001 gründet er die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP).

    2002 ist die AKP bei den Parlamentswahlen erfolgreich. Erdoğan darf wegen seiner Strafe kein öffentliches Amt ausüben.

    Er zieht 2003 nach Verfassungsänderungen durch seine Partei ins Parlament ein.

    Er übernimmt den Vorsitz seiner Partei und wird zum Ministerpräsidenten.

    In den darauffolgenden Wahlen gewinnen Erdoğan und seine Partei immer die absolute Mehrheit.

    Der Präsident hat insgesamt vier Kinder. Sein Schwiegersohn Berat Albayrak ist Mitglied des türkischen Parlamentes.

    Zu den Andersdenkenden gehört Hattice G., die seit 28 Jahren in Köln lebt und in Hürth ihre Stimme abgab: "Wenn die Verfassungsänderung kommt, ist die Demokratie in Gefahr, deshalb habe ich mit Nein gestimmt", sagte sie. Dagegen sagte Ahmet Gidal, das Präsidialsystem werde die Türkei "politisch und wirtschaftlich weiter stärken". 

    Gibt es eine Mehrheit für Erdogans Pläne?

    Die Ja-Kampagne der Befürworter der Verfassungsänderung war von der türkischen AKP-Partei in Deutschland besser organisiert als das Nein-Lager. Dessen Vertreter kündigten zum Auftakt des Referendums an, sie wollten nun viele Nein-Wähler mobilisieren. Eine der Organisatoren der Nein-Kampagne, Mürvet Öztürk, bezweifelte am Montag in Frankfurt, dass es unter den in Hessen lebenden Türken eine Mehrheit für Erdogans Pläne gebe. Die Einschränkung der Menschenrechte in der Türkei habe auch bei Erdogan-Anhängern in Deutschland Kritik gefunden.

    Der türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu beklagte sich hingegen nach seiner Stimmabgabe für das türkische Referendum in Hürth bei Köln über die Medien und die Politik in Deutschland. "Die Ja-Sager haben überall maximale Behinderung erleiden müssen", sagte er. Gegner der Verfassungsänderung seien dagegen unterstützt worden.

    Was Präsident Erdogan schon über Deutschland gesagt hat

    „Assimilierung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ (Am 10. Februar 2008 vor 16 000 überwiegend türkischen Zuhörern in Köln)

    „Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten Voraussetzung erklärt, verletzt die Menschenrechte.“ (Am 1. November 2011 in einem Interview der „Bild“-Zeitung)

    „Die Entscheidung, die das deutsche Parlament soeben getroffen hat, ist eine Entscheidung, die die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei ernsthaft beeinflussen wird.“ (Am 2. Juni 2016 in Nairobi nach der Resolution des Bundestages, das Massaker an Armeniern während des Ersten Weltkrieges durch das Osmanische Reich als Völkermord zu verurteilen)

    „Ihr habt das bei der Wiedervereinigung in noch größerem Ausmaß betrieben.“ (Am 10. August 2016 in Ankara nach Kritik aus Deutschland an den Entlassungen zehntausender Staatsbediensteter nach dem Putschversuch im Juli)

    „Ich glaube nicht an die deutsche Justiz und habe auch keinen Respekt vor der deutschen Justiz in diesem Zusammenhang.“ (Am 13. August 2016 in einem RTL-Interview über das vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Verbot einer Live-Schalte von Erdogan nach Köln im Juli)

    „Im Moment ist Deutschland eines der wichtigsten Länder geworden, in denen Terroristen Unterschlupf finden.“ (Am 3. November 2016 in Ankara nach deutscher Kritik an neuerlichen Festnahmen von Journalisten in der Türkei)

    „Ich dachte, dass der Nationalsozialismus in Deutschland beendet ist. Dabei dauert er immer noch an.“ (Am 5. März 2017 in Istanbul nach Absagen geplanter Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland) (dpa)

    Dass Deutschtürken im Ausland abstimmen dürfen, ergibt sich aus türkischem Recht. Deutschland hatte eine entsprechende Genehmigung trotz aller Nazi-Vergleiche und Verbalattacken aus Ankara erteilt. Abgestimmt werden kann in neun türkischen Generalkonsulaten - Berlin, Hamburg, Hannover, Frankfurt, Köln/Hürth, Düsseldorf, Münster, Karlsruhe und Mainz sowie an vier weiteren Standorten. Nach dem Ende der zweiwöchigen Abstimmungszeit werden die Wahlurnen in die Türkei gebracht und die Stimmen dort gezählt.  dpa

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