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Trident Juncture 2018: So schlägt sich die Bundeswehr beim Großmanöver der Nato

Trident Juncture 2018

So schlägt sich die Bundeswehr beim Großmanöver der Nato

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    Über den Fluss kommt die Nato: Buchstäblich zu Lande, zu Wasser und in der Luft prägten Truppen des westlichen Verteidigungsbündnisses den Ernstfall.
    Über den Fluss kommt die Nato: Buchstäblich zu Lande, zu Wasser und in der Luft prägten Truppen des westlichen Verteidigungsbündnisses den Ernstfall. Foto: Kevin Schrief, dpa

    Die feindlichen Truppen kommen von Norden. Es ist ein düsterer, nasskalter Tag, gerade ist der erste Schnee auf die kargen Nadelwälder gefallen. Nahe des norwegischen Provinznests Telneset in der Hedmark setzen die Angreifer mit ihren leichten, schwimmfähigen Kettenpanzern über den Fluss Glomma. Doch der Vorstoß ist nicht unbemerkt geblieben.

    Etwa 160 Kilometer weiter südlich, nahe der Kleinstadt Rena, formieren sich die Kräfte der Verteidiger zur Gegenoffensive. Beide Seiten werden massiv von ihren Luftstreitkräften unterstützt – und auch in der eiskalten Nordsee stehen sich mächtige Marineflotten gegenüber. Der „Krieg“, zum Glück ein simulierter, hat begonnen, exakt nach dem „Drehbuch“ des größten Nato-Manövers seit dem Ende des Kalten Krieges.

    Trident Juncture 2018: 50.000 Soldaten aus 31 Ländern

    Rund 50.000 Soldaten aus allen 29 Staaten des Nordatlantik-Bündnisses sowie aus Finnland und Schweden proben in Norwegen gemeinsam den Ernstfall, den Angriff einer feindlichen Macht auf ein Mitgliedsland. Es ist klar, dass die Nato dabei Russland im Blick hat, auch wenn das offiziell niemand sagt.

    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen betont beim Truppenbesuch in Rena, dass das Großmanöver „gegen niemanden gerichtet“, sondern ein Signal der Nato-Staaten untereinander sei, „dass das starke Bündnis seine Mitglieder schützt“. Schutz, den sich gerade die Nato-Mitgliedsländer Polen, Estland, Lettland und Litauen wünschen, in denen Russland mit der Annexion der Krim und der Unterstützung prorussische Separatisten im blutigen Konflikt in der Ostukraine tiefe Ängste geweckt hat. So hält die Nato nun erstmals seit dem Ende der „Reforger“-Manöver im Jahr 1993 wieder eine echte Großübung. Russland hat angekündigt, in den internationalen Gewässern vor Norwegen, in denen auch die Nato-Kriegsschiffe kreuzen, Schießübungen mit Marschflugkörpern durchzuführen. Die Nato reagiert gelassen.

    Island, Reykjavik: Das Foto zeigt Soldaten auf dem Weg zum Feldlager für das Nato-Großmanöver „Trident Juncture“.
    Island, Reykjavik: Das Foto zeigt Soldaten auf dem Weg zum Feldlager für das Nato-Großmanöver „Trident Juncture“. Foto: Lance Cpl. Menelik Collins, US-Marine Corps, dpa

    Deutschland stellt mit rund 8000 Soldaten den zweitgrößten Truppenanteil nach Gastgeber Norwegen. Im Feldlager der „Verteidigungstruppen“ in Rena lässt sich Ursula von der Leyen von Brigadegeneral Ulrich Spannuth über den bisherigen Verlauf des Manövers informieren. Hauptziel sei, so Spannuth, zu gewährleisten, dass im Ernstfall „die Verlegung eines Gefechtsverbands in einem sehr engen Zeitfenster funktioniert“.

    Für die Bundeswehr ist es eine Art Generalprobe, denn im kommenden Jahr stellt sie erstmals die „schnelle Speerspitze“ der Nato. Im Rahmen der „Very High Readiness Joint Task Force“ (VJTF), auf Deutsch „Einsatzgruppe mit sehr hoher Einsatzbereitschaft“, müssen dann bestimmte Truppenteile zwölf Monate lang praktisch ständig auf Abruf stehen. Innerhalb von nur zwei bis sieben Tagen sollen sie in der Lage sein, befreundeten Ländern im Falle eines Angriffs von außen zur Seite zu springen.

    Trondheim: Das Foto der NATO zeigt einen niederländischen Cougar-Hubschrauber, der während einer amphibische Landeübung startet.
    Trondheim: Das Foto der NATO zeigt einen niederländischen Cougar-Hubschrauber, der während einer amphibische Landeübung startet. Foto: Rob Kunzing/NATOChannel, dpa

    Im Moment läuft mit der Truppenübung die „heiße Phase“ des Großmanövers in Norwegen. Doch die Vorbereitungen haben bereits im August begonnen, vor allem die Logistik sei eine gewaltige Herausforderung, so der Brigadegeneral. 13 Frachtschiffe waren demnach wochenlang im Einsatz, um unzählige Container und rund 4000 Fahrzeuge, darunter zahlreiche Marder- und Leopard-2-Panzer, von Emden in den norwegischen Hafen Frederikstad zu bringen. Und nur einmal, berichtet der Brigadegeneral stolz, sei der gewaltige Warenstrom für einige Stunden unterbrochen worden – als hoher Wellengang das Auslaufen der Schiffe verhinderte.

    Für die Bundeswehr ist "Trident Juncture" ein wichtiger Test

    Für die Bundeswehr ist das Manöver aber auch in einer anderen Hinsicht ein Lackmustest. Ist die Truppe voll einsatzfähig, obwohl es seit Jahren große Probleme mit mangelhafter oder gar fehlender Ausrüstung gibt? Dass die Ausrüstungsgegenstände für das Manöver zum Teil bei anderen Truppenteilen geliehen werden mussten, daraus macht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen keinen Hehl: „Das sind die Spuren, die 25 Jahre des Sparens hinterlassen haben.“

    Inspektion: Oberleutnant Brockschmidt begutachtet im Feldlager "Camp Gardermoen" der deutschen Bundeswehr die Ausrüstung.
    Inspektion: Oberleutnant Brockschmidt begutachtet im Feldlager "Camp Gardermoen" der deutschen Bundeswehr die Ausrüstung. Foto: Mohssen Assanimoghaddam (dpa)

    Im „Camp Gardemoen“, der deutschen Nachschubbasis bei Oslo, sagt der Kommandeur des Logistikbataillons aus Beelitz bei Berlin, dass es seine Einheit „so gar nicht gibt“. Die 350 Fahrzeuge und 800 Soldaten unter seinem Befehl seien zuvor von insgesamt sieben Standorten zusammengezogen worden. Ursula von der Leyen hört nachdenklich zu. „Das wollen wir ändern“, sagt sie. Die Trendwende bei der Ausrüstung, das betont das Verteidigungsministerium immer wieder, sei geschafft, viele Anschaffungen beschlossen, zahlreiche Aufträge erteilt. Doch es dauere eben, bis das Material auch bei der Truppe ankomme.

    Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen besucht deutsche Truppen bei dem Nato-Manöver Trident Juncture.
    Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen besucht deutsche Truppen bei dem Nato-Manöver Trident Juncture. Foto: Kay Nietfeld (dpa)

    Beim Manöver, bestätigen mehrere Offiziere, sei alles Nötige vorhanden. Für den Einsatz im Winter etwa haben die Truppen gerade erst neue Spezialkleidung bekommen, von der Thermo-Unterwäsche bis zu den wasserdichten Überschuhen. Bei einem Lehrgang hoch im norwegischen Norden, bei Temperaturen bis zu 27 Grad unter dem Gefrierpunkt, habe sich die Ausrüstung schon bewährt, berichtet ein Soldat. Das habe direkte Auswirkungen: „Die Leute werden viel seltener krank.“ Gerade von den norwegischen Kameraden lasse sich viel lernen über das Überleben bei extremen Bedingungen.

    Den Austausch mit den Kameraden aus den anderen Nato-Staaten empfinden viele Bundeswehrsoldaten als bereichernd. Beim Essen im 2000 Leute fassenden Verpflegungszelt mischen sich an den Tischen die unterschiedlichen Schattierungen von Grün der Uniformen aus Norwegen, Deutschland, Tschechien oder Holland. Bei Gemüsesuppe, Salat und Bergen von Räucherlachs wird so viel gefachsimpelt wie gelacht – auf Englisch. Ein deutscher Offizier nennt das Großmanöver „einen unschätzbaren Beitrag zur Motivation – die Soldaten machen hier genau das, was sie sich vorgestellt haben, als sie zum Militär gingen“.

    Und dennoch – dass hier für ein Kriegsszenario geprobt wird, gerät niemals in den Hintergrund. Im Gegensatz zu einem Ernstfall steht in Norwegen immerhin fest, wie die Sache ausgehen wird: Die Angreifer aus dem Norden machen anfangs erhebliche Geländegewinne. Doch dann erfolgt der Gegenschlag der Süd-Armee mit ihrer geballten Feuerkraft. Den Angreifern bleibt nur der Rückzug. Als sie schließlich wieder bei Telneset die eisige Glomma überqueren, ist dieser „Krieg“ zu Ende gespielt.

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