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Treffen: Es war kalt in Sotschi

Treffen

Es war kalt in Sotschi

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    Diese Blicke sind nicht von vorbehaltlosem Zutrauen geprägt: Kanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin trafen sich gestern in Sotschi am Schwarzen Meer.
    Diese Blicke sind nicht von vorbehaltlosem Zutrauen geprägt: Kanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin trafen sich gestern in Sotschi am Schwarzen Meer. Foto: Alexander Nemenow, afp

    Es steht nicht gut um die Beziehung der Kanzlerin zum russischen Präsidenten. Jedenfalls wirkt der Auftritt von Angela Merkel und Wladimir Putin am Dienstag in dessen südrussischer Residenz in Sotschi am Schwarzen Meer unterkühlt, um es zurückhaltend zu formulieren.

    Merkel verzieht keine Miene, bleibt knallhart in ihren Antworten, die Trennendes von Putin zementieren. Der Kremlchef gibt sich dagegen erheitert, wenn es um Vorwürfe geht, Moskau habe sich durch Meinungsmanipulationen in sozialen Medien in den US-Wahlkampf eingemischt, die Ukraine gespalten oder bisher wenig für Frieden in Syrien getan: alles falsch. Sagt er.

    Befürchtet Merkel, dass Russland durch sogenannte Meinungsroboter in den Bundestagswahlkampf eingreift, bei dem es um ihre Zukunft und die des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz geht? Die Kanzlerin antwortet so, als rechne sie sogar damit. Sie gehöre „nicht zu den ängstlichen Menschen“, betont sie – und da muss sie sogar doch einmal kurz schmunzeln. Aber sie wisse natürlich, dass die „hybride Kriegsführung“ in der russischen Militärdoktrin „durchaus“ eine Rolle spiele. Ein Teil davon ist etwa Cyberkriminalität.

    Putin kontert, Russland mische sich nie in die Angelegenheiten anderer Länder ein. Umgekehrt werde ein Schuh daraus.

    Für den Deutschlandexperten Viktor Wassiljew von der Russischen Akademie der Wissenschaften ist Merkels Besuch ein klarer Bestandteil ihrer Wahlkampfstrategie. „Das Treffen ist ein Signal an die deutsche und europäische Wirtschaft und die mit ihr verbundenen Wähler, die seit langem eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Moskau und Berlin erwarten“, sagt er der Agentur Interfax. Das heiße aber nicht, dass sie Putin mit Samthandschuhen anfasse. Merkel versuche auch damit zu punkten, dass sie unangenehme Themen anspreche, sagt Wassiljew.

    Putin behauptet, Moskau unterdrücke weder die Opposition noch Demonstranten oder Homosexuelle. Die russischen Strafverfolgungsbehörden seien viel weicher als anderswo. Sie hätten Tränengas und Knüppel nicht nötig. Bei Demonstrationen der Opposition gab es in den vergangenen Wochen in Russland allerdings hunderte Festnahmen.

    Zur Ukraine: Ob man dem Friedensabkommen nicht besser ade sagt, weil es ohnehin keinen Waffenstillstand gibt? Lieber ein anderes Format? Merkel sagt: „Es fehlt an der Umsetzung, nicht an Abkommen.“ Putin sagt, Kiew sei an allem schuld. Nach westlicher Argumentation gab es immer wieder Provokationen prorussischer Separatisten in der Ostukraine, damit sich das Land nicht stabilisiert.

    Merkel macht sich keine Illusionen. Ihr rund vierstündiges Gespräch mit Putin wird kaum zu Frieden führen, mögen die Hoffnungen auch noch so hoch sein, dass sich endlich etwas zum Guten bewegt in Syrien oder in der Ukraine. Was den schrecklichen Bürgerkrieg in Syrien betrifft, kann Deutschland ohnehin wenig ausrichten.

    Auf Merkels Vorstoß, in Syrien Sicherheitszonen einzurichten, geht Putin öffentlich nicht ein. Eine Lösung für das geschundene Land gibt es wohl nur, wenn sich Putin – der den Machthaber Baschar al-Assad unterstützt – und US-Präsident Donald Trump aufeinander zubewegen. Die USA führen die internationale Koalition zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien an. Putin und Trump wollten nach Merkels Besuch immerhin miteinander telefonieren.

    Wie sich das Verhältnis der beiden Männer entwickeln wird, ist noch unklar. Zunächst hatte es so ausgesehen, dass Putin unbedingt Trump als Nachfolger des demokratischen, feingeistigen und russlandkritischen US-Präsidenten Barack Obama haben wollte. Doch bisher haben sich die beiden seit Trumps Amtsantritt im Januar noch nicht einmal getroffen.

    Zum Schluss fragt ein russischer Journalist, ob die bilateralen Beziehungen noch eine Zukunft hätten oder ob es nur noch Krisenmanagement gebe. Merkel sagt, trotz aller Meinungsverschiedenheiten müssten Deutschland und Russland im Gespräch bleiben. „Über die Sprache verliert man auch nicht den Blickwinkel des anderen.“ Und: „Bei jedem Gespräch lernt man natürlich auch etwas.“ Kristina Dunz, Thomas Körbel, dpa

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