Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Tragödie in Schweizer Tunnel: Eltern trauern am Unglückstunnel - Ganz Belgien nimmt Anteil

Tragödie in Schweizer Tunnel

Eltern trauern am Unglückstunnel - Ganz Belgien nimmt Anteil

    • |
    Viele Angehörige suchten am Donnerstag den Unglückstunnel auf. Belgien steht unter Schock.
    Viele Angehörige suchten am Donnerstag den Unglückstunnel auf. Belgien steht unter Schock. Foto: Laurent Gillieron

    Für die Eltern der schwerste Gang ihres Lebens: Abgeschirmt von der Öffentlichkeit haben Mütter und Väter aus Belgien ihre Kinder identifiziert, die bei dem Busunglück in der Schweiz getötet worden sind. Trauma-Spezialisten betreuten die Angehörigen. Die Leichen waren zur Identifizierung in der Kapelle des Zentralfriedhofs in Sitten (französisch: Sion) im Wallis aufgebahrt. Bei dem ums Leben gekommen, darunter 22 zehn- bis zwölfjährige Kinder.

    Angehörige am Unglückstunnel

    Viele Angehörige suchten am Donnerstag den Unglückstunnel auf. Noch immer kämpften drei Kinder um ihr Leben. Sechs verletzte Kinder brachen am Donnerstag bereits nach Hause auf. Am Freitag soll um 11 Uhr in ganz Belgien der Opfer gedacht werden, es werde eine Schweigeminute geben. Erste Leichen sollen mit einem Flugzeug der belgischen Armee übergeführt werden. Die Särge werden vom Alpenflughafen bei Sitten nach Brüssel gebracht. Ein erstes Transportflugzeug des Militärs werde am Freitagvormittag eintreffen.

    Die Eltern wurden unter Polizeischutz zum Tunnel nahe des Ferienortes Siders (französisch: Sierre) gefahren. Sie waren mit einer Militärmaschine von Brüssel aus in die Schweiz gebracht worden. Sie brachten Blumen mit und legten schriftliche letzte Grüße für ihre Lieben nieder. Von einer Autobahnbrücke aus filmten TV-Kamerateams die Angehörigen bei ihrem Weg in den "Todestunnel von Siders".

    Drei Kinder schweben noch in Lebensgefahr

    Busunglücke mit Schülern

    Schon zahlreiche Kinder und Jugendlichen sind bei Busfahrten zur Schule oder auf Klassenreisen verunglückt.

    Januar 2004: Bei einem Schulbusunfall im Schweizer Kanton Wallis werden sechs Kinder verletzt. Der Bus war auf schneebedeckter Straße ins Rutschen geraten. Er schlitterte etwa 40 Meter einen Abhang hinunter.

    Juli 2004: Beim Auffahrunfall zweier Reisebusse in der Schweiz werden 14 Schüler aus Baden-Württemberg verletzt. Die Jugendlichen aus dem Raum Heilbronn waren auf der Rückreise von einer Schulfahrt nach Italien.

    Juni 2005: Am Hamburger Elbtunnel fährt ein voll besetzter Bus mit Schülern aus dem nordrhein-westfälischen Lübbecke auf einen im Stau haltenden Lastwagen auf. 20 Kinder, ihre Lehrerin und drei Autofahrer werden verletzt.

    Februar 2006: Drei Schüler sterben in Coppenbrügge in Niedersachsen: Ihr Bus wird bei Schneetreiben von einem entgegenkommenden, mit Eisenteilen beladenen Lastwagen gerammt und aufgeschlitzt.

    Mai 2008: Bei einem Unfall mit einem Schulbus nahe Hohenlockstedt in Schleswig-Holstein kommt ein Autofahrer ums Leben. Die Busfahrerin sowie drei Jugendliche und ein weiterer Autofahrer werden leicht verletzt. Die übrigen etwa 50 Kinder kommen mit dem Schrecken davon.

    Februar 2010: Beim Unfall eines Doppeldeckerbusses werden in Österreich 32 junge ungarische Wintersportler verletzt. Der Bus mit etwa 80 Jugendlichen kam auf dem Weg ins Kärntner Skigebiet Innerkrems von der schneeglatten Straße ab und stürzte in einen Graben.

    Mai 2011: Auf einer Klassenfahrt werden drei Jugendliche und drei Erwachsene aus Bayern bei einem Busunglück in Slowenien zum Teil schwer verletzt. Sie waren zur Feier ihres Mittelschulabschlusses nach Kroatien unterwegs.

    Februar 2012: Ein Reisebus mit etwa 50 Schülern aus Hamburg gerät auf der A7 bei Soltau in Niedersachsen in Brand. Acht Jugendliche werden verletzt. Der Bus brennt vollkommen aus.

    Für die Heimreise der Angehörigen von Genf aus stellt die belgische Luftwaffe ein Passagierflugzeug zur Verfügung. Vier der 24 verletzten Schulkinder seien vorerst nicht transportfähig, sagte Di Rupo. Sie lagen noch schwer verletzt in Kliniken, drei von ihnen in Lebensgefahr im Universitätskrankenhaus von Lausanne, das vierte im Berner Inselspital.

    Von den anderen 20 Kindern machten sich bereits drei leicht Verletzte mit ihren Eltern per Auto auf die Heimreise, drei andere per Linienflugzeug, wie Gesundheitsministerin Laurette Onkelinx sagte. Die übrigen Kinder lagen in Krankenhäusern des Kantons Wallis. Sie befinden sich auf dem Weg der Besserung, wie eine Sprecherin des Krankenhausverbunds Spital Wallis sagte. Viele hätten mehrfache Knochenbrüche erlitten, deren Heilung Zeit brauche.

    Papst Benedikt XVI. betet für die Opfer

    Aus allen Teilen der Schweiz schickten Menschen Kondolenzbotschaften. Papst Benedikt XVI. betete für die Opfer und ihre Angehörigen. Er sei zugleich auch den Verletzten, ihren Familien sowie den Bergungsmannschaften in Gedanken sehr nahe, hieß es in einem Beileidstelegramm an den Erzbischof von Brüssel, André Leonard.

    Der Fahrer des verunglückten Busses wollte angeblich unmittelbar vor der Kollision eine DVD mit einem Film einlegen, wie die belgische Boulevardzeitung Het Laatste Nieuws am Donnerstag online berichtete und sich auf Aussagen überlebender Kinder gegenüber ihren Eltern berief. Demnach brachte einer der Lehrer die DVD zum Fahrer, der sie dann angeblich einlegen wollte. Der Sprecher des Busunternehmens widersprach: Der Fahrer sei von den erhöht sitzenden Passagieren überhaupt nicht zu sehen. Ein Sprecher der Schweizer Polizei sagte, er höre dies zum ersten Mal. Für ihn sei das "reine Spekulation".

    Die Beamten gingen bislang von drei "Thesen" aus: eine technische Panne, menschliches Versagen oder ein akutes Gesundheitsproblem des Fahrers wie ein Herzinfarkt. Die genaue technische Untersuchung des Buswracks soll am Freitag beginnen.

    Belgiens Radprofis treten bei Rennen mit Trauerflor an

    Die Walliser Regierungsrätin Esther Waeber-Kalbermatten äußerte sich zu in Belgien aufgeworfenen Fragen, wieso die Eltern erst sechs Stunden nach dem Busunglück informiert worden seien. Die Rettung der Verletzten habe Vorrang gehabt. Doch abgesehen davon habe es Probleme mit der belgischen Passagierliste gegeben. Es habe nur eine gemeinsame Liste für drei Reisebusse gegeben. So sei es schwierig gewesen, festzustellen, welche der darauf genannten Kinder tatsächlich in dem letzten Bus saßen, also im Unglücksfahrzeug.

    Belgiens Regierungschef Di Rupo und auch der flämische Ministerpräsident Kris Peeters forderten "mit Nachdruck" vor allem die internationale Presse auf, die Privatsphäre der Opfer und ihrer Verwandten zu respektieren. Die Verwandten fürchteten einen Medienrummel bei der Ankunft der Särge in Belgien. Auch in der Umgebung der beiden Schulen, in denen die Kinder unterrichtet wurden, würden die Eltern ständig belagert.

    Belgiens Radprofis wollen beim Frühjahrs-Klassiker Mailand-San Remo an diesem Samstag mit Trauerflor antreten. Im radsportverrückten Belgien ist in der nächsten Woche am Freitag zudem beim Eliterennen E3 Prijs Vlaanderen-Harelbeke eine Schweigeminute geplant. dpa

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden