"Dagegenhalten", das sei ihr Motto, sagte Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) vor gerade einmal zwei Wochen im Interview mit unserer Redaktion (Lesen Sie hier das ganze Interview mit Künast und Roth: "Manches geht nicht spurlos an dir vorbei"). Es ging um Anfeindungen im Internet, verbale Übergriffe in den sozialen Medien. Jetzt wurde bekannt, dass die Grünen-Politikerin sogar mit dem Tod bedroht wird. Gemeinsam mit ihrem Parteikollegen Cem Özdemir steht sie auf einer Todesliste, die Rechtsextreme angelegt haben. Die Drohungen erreichten Roth und Özdemir per Mail, Absender war eine Gruppe namens "Atomwaffen Division Deutschland" (AWD), das Schreiben wurde an das Bundeskriminalamt weitergeleitet. Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe zitieren aus der ihnen vorliegenden Mail an Özdemir: "Zurzeit sind wir am Planen wie und wann wir Sie hinrichten werden, bei der nächsten öffentlichen Kundgebung? Oder werden sie von uns vor ihrem Wohnort abfangen."
Cem Özdemir erhält seit längerem Personenschutz
Roth sagte der Zeitung: "Die Drohung mag diesmal gegen Cem und mich gerichtet sein, doch sie reiht sich ein in eine lange Liste versuchter Einschüchterungen – gegen Kommunalpolitikerinnen und die Zivilgesellschaft, gegen Jüdinnen und Muslime, gegen Künstlerinnen und Menschen mit Migrationshintergrund." Und weiter: "Wer glaubt, uns mit seinem dumpfen Hass und seiner geschichtsblinden Hetze vom Einsatz für eine vielfältige und weltoffene Gesellschaft abbringen zu können, den muss ich bitter enttäuschen."
Die 64-jährige Claudia Roth wird immer wieder öffentlich angefeindet. Der 53-jährige Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir erhält seit längerem sogar Personenschutz.
Joachim Herrmann (CSU) fordert harte Strafen
Rückendeckung erhalten die beiden Grünen-Politiker aus anderen Parteien. "Die hässlichen Drohungen mutmaßlicher Rechtsextremisten gegen Herrn Özdemir und Frau Roth sind unsäglich und ein Angriff auf die freiheitliche Demokratie insgesamt", sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). "Vom Bundestagsabgeordneten bis hin zum Vertreter eines Kommunalparlaments: Jeder hat in unserem Land das Recht seine Meinung in der politischen Debatte frei zu äußern und ein Mandat auszuüben, ohne Drohungen ausgesetzt zu sein." Einschüchterungsversuchen von Extremisten müsse "der Rechtsstaat seine vollste Härte entgegensetzen". Die Bundesregierung hatte erst vor kurzem angekündigt, mit schärferen Strafen, erweiterten Kompetenzen der Behörden und einer Meldepflicht für strafbare Inhalte im Internet, auf die rechte Gewalt der vergangenen Monate reagieren zu wollen.
Linken-Chefing Katja Kipping erhebt schwere Vorwürfe gegen die CDU
Entsetzen herrschte auch bei der Linkspartei. "Die Bedrohungen gegen Politikerinnen und Politiker auf der Bundesebene sind nur die Spitze des Eisberges", sagte Linken-Chefin Katja Kipping unserer Redaktion. "Für viele Menschen ohne diesen Zugang zu Medien und auch Schutz, die sich vor Ort gegen Rechte organisieren, ist diese Gefahr schon lange Teil ihres Alltages." Das dürfe so nicht mehr hingenommen werden. Ein zentraler Schritt müsse die konsequente Strafverfolgung von rechten Gewalttätern sein. "Ich erinnere noch einmal daran, dass 500 rechtskräftig verurteilte Nazis hier im Land frei herumlaufen", warnt Kipping.
Aber natürlich sei das Thema auch eine politische Aufgabe. Die Politik müsse sich den Wortführern dieser gewalttätigen Ideologie entgegenstellen. Schwere Vorwürfe erhebt Kipping in diesem Zusammenhang gegenüber der CDU. Deren Fraktionsvize Michael Heym hatte in Thüringen nach der Landtagswahl eine Tolerierung der AfD vorgeschlagen. Dass er daraufhin von Parteikollegen heftig kritisiert wurde, reicht Kipping nicht. "Wer, wie Michael Heym (CDU) und Christian Hirte (CDU), nach Möglichkeiten eines Schulterschlusses mit den Demagogen von der AfD sucht, macht sich in letzter Instanz mitschuldig", sagt Kipping. (mit dpa)
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