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Transidentität: Tessa Ganserer fordert Abschaffung des Transsexuellengesetzes

Transidentität

Tessa Ganserer fordert Abschaffung des Transsexuellengesetzes

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    Ende 2018 hatte sich Tessa Ganserer, damals noch als Markus Ganserer, öffentlich zu ihrer Transidentität bekannt. Nach eigenen Angaben hat sie für diesen Schritt rund zehn Jahre gebraucht.
    Ende 2018 hatte sich Tessa Ganserer, damals noch als Markus Ganserer, öffentlich zu ihrer Transidentität bekannt. Nach eigenen Angaben hat sie für diesen Schritt rund zehn Jahre gebraucht. Foto: Matthias Balk, dpa

    Die erste offen transidente Parlamentarierin in Deutschland, Tessa Ganserer, fordert die Abschaffung des fast 40 Jahre alten Transsexuellengesetzes. Dieses sei entwürdigend und sehe Transmenschen nicht als vollwertige und mündige Bürger an, sagte die Grünenpolitikerin der Deutschen Presse-Agentur in München. "Ich finde, kein Mensch, kein Staat und erst recht kein Richter hat das Recht, über das Geschlecht eines anderen Menschen zu bestimmen."

    Transfrau Tessa Ganserer war als Mann in den Landtag gewählt worden

    Die gebürtige Niederbayerin sitzt schon seit 2013 für die Grünen im Bayerischen Landtag. Im Oktober vergangenen Jahres war sie noch unter dem Namen Markus Ganserer als Mann in den Bayerischen Landtag gewählt worden. Zum Jahresende hatte sie öffentlich erklärt, sich seit Jahren als Frau zu fühlen – und deshalb künftig auch als Frau leben zu wollen.

    Dieses „Coming-out“ sei „emotional für mich sehr anstrengend“, sagt Ganserer auf einer Pressekonferenz im Landtag im Januar. Zwar könne sie das öffentliche Interesse an der ersten Geschlechtsänderung eines aktiven Parlamentariers in Deutschland verstehen: „Es wäre mir aber lieber, wenn es eine ganz normale Sache wäre.“

    „Transidentität ist keine Krankheit und auch keine Modeerscheinung“, betont Ganserer. Niemand mache einen solchen Schritt unbedacht. Bei ihr selbst habe es rund zehn Jahre gedauert, bis sie mit ihrer eigentlichen Identität nach außen gehen konnte: „Doch jetzt kann ich endlich von meiner Umwelt so wahrgenommen werden, wie ich es selbst empfinde.“ Ganserer wünscht sich, das Schubladendenken zu überwinden, "dem Menschen einfach als Menschen zu begegnen und ihn so zu nehmen, wie er ist, ohne Schublade.

    Grüne fordern Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie in Bayern

    Nach der öffentlichen Bekennung zu ihrer Transidentität erhielt Ganserer positive Zuschriften von Bürgern. Auch heute noch stärken sie diese Nachrichten. Denn, das betont Ganserer, "trans zu sein ist nicht mit dem Coming-out erledigt. Erst dann geht der lange, steinige Weg los."

    Etwa wenn sie auf der Straße oder in sozialen Medien beleidigt werde, wenn Menschen in der Bahn sie nicht nur irritiert, sondern abwertend, anschauen. Gegen manches geht Ganserer strafrechtlich vor, gegen Blicke kann sie sich nicht rechtlich wehren. "Diese ablehnenden diskriminierenden Reaktionen geben immer wieder zu spüren, dass Teile der Bevölkerung mit Transidentität nicht zurechtkommen. Man muss dann immer wieder versuchen, das nicht zu nah an sich ran zu lassen." Neben transfeindlichen Angriffen komme noch sexuelle Belästigung dazu, erklärt Ganserer. Eine Doppeldiskriminierung: als Frau und als Transident.

    Vor diesem Hintergrund fordern die Grünen im Landtag von der neuen Staatsregierung einen bayerischen Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie: „Bayern ist das einzige Bundesland, das keinen solchen Plan hat“, sagt Ganserer.

    Auch rechtlich seien noch viele Verbesserungen nötig: So habe Ganserer zwar „ein menschlich sehr angenehmes Gespräch“ mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) über ihre Geschlechtsänderung geführt. Juristisch sei dieser Schritt aber selbst für den Landtag kompliziert – weshalb zunächst etwa auf Landtags-Anträgen auch noch der Name „Markus Ganserer“ stehen musste.

    Transsexuellengesetz von 1981 gilt als dringend überholungsbedürftig

    Transidente und Transsexuelle fühlen sich ihrem biologischen Geschlecht nicht zugehörig. Der Begriff transsexuell kommt aus einem medizinischen Kontext. Heutzutage bevorzugen zahlreiche Betroffene den Begriff der Transidentität. Wie viele transidente Menschen in Deutschland leben, ist schwer zu sagen. Die Bundesregierung geht bis zum Jahr 2011 von mehr als 7000 aus. Das zumindest ist der Stand von 2016. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität geht von 210.000 bis 500.000 transidenten Menschen in Deutschland aus. Das entspräche rund 0,3 bis 0,6 Prozent der Bevölkerung.

    Das Transsexuellengesetz von 1981 regelt, unter welchen Vorraussetzungen Betroffene ihren Vornamen und ihr Geschlecht offiziell ändern können. Inzwischen gilt es als dringend überholbedürftig, zumal das Bundesverfassungsgericht über die Jahre immer wieder Regelungen für verfassungswidrig erklärte. Das Gesetz sieht vor, dass Transidente und Transsexuelle, also Menschen, die mit ihrem biologischen Geschlecht nicht übereinstimmen, mit Psychologen und einem Richter sprechen müssen, um ihren Vornamen und ihr Geschlecht offiziell zu ändern. Dabei werden sie Ganserer zufolge zu "intimsten persönlichen" Themen wie frühkindlichen Erlebnissen, sexuellen Präferenzen und Partnern befragt. 

    „Transidentität ist keine Krankheit und auch keine Modeerscheinung“, betont Ganserer. Seit der ersten Plenarsitzung 2019 erscheint sie als Frau im Bayerischen Landtag.
    „Transidentität ist keine Krankheit und auch keine Modeerscheinung“, betont Ganserer. Seit der ersten Plenarsitzung 2019 erscheint sie als Frau im Bayerischen Landtag. Foto: Tobias Hase, dpa

    Für Ganserer ist es nicht nur ein persönlicher Kampf sondern auch ein politischer. "Ich will mein Mandat offensiv dafür nutzen, auf die Problemlage aufmerksam zu machen und Reformen einzufordern." Denn als Politikerin habe sie mehr Gehör, als viele Ehrenamtliche, die für die Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt kämpfen. Gleichzeitig mache es sie stark, nicht nur für sich alleine zu kämpfen. Ganserer sieht in ihrem Job auch die Chance, ein Positivbeispiel zu sein, Menschen Mut zu machen, die das Coming-out bisher nicht gewagt haben. "Ich zeige, dass es möglich ist, auch in öffentlichen Funktionen zu seiner Identität zu stehen."

    CDU-Abgeordneter schlägt Lösung wie beim Schwangerschaftsabbruch vor

    Im vergangenen Sommer verständigten sich die damalige Justizministerin Katarina Barley (SPD), Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) dann darauf, gemeinsam Reformen anzugehen. Schließlich hatten die Berliner Regierungsparteien CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag festgehalten: "Homosexuellen- und Transfeindlichkeit verurteilen wir und wirken jeder Diskriminierung entgegen. Wir werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hierzu umsetzen."

    Die Parteien sind sich dabei aber uneins. Während SPD, FDP, Grüne und Linke aufgeschlossen sind für liberalere Regelungen oder gar eine Abschaffung des Transsexuellengesetzes, ist die CDU/CSU mit ihrer konservativeren Wählerschaft zurückhaltender. In der Unionsfraktion wird noch beraten.

    "Wir suchen mit den Betroffenen einen Weg, der die rechtliche Situation für sie verbessert und kein ärztliches Gutachten mehr vorsieht", sagt der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann, der sich in seiner Fraktion mit Gleichstellungsfragen beschäftigt. Er kann sich eine Lösung ähnlich wie beim Schwangerschaftsabbruch vorstellen: Hier müssen Frauen einen Nachweis über ein Beratungsgespräch vorlegen, aber kein Gutachten. 

    Zeitpunkt der Reform des Transsexuellengesetzes ist noch unklar

    Fraktionsvize Thorsten Frei sagt zwar: "Ich würde die Überlegungen nicht an den Begriffen Gutachten beziehungsweise Beratung festmachen." Eine Parallele zur Schwangerschaftskonfliktberatung würde er aber nicht ziehen wollen. "Fest steht: Eine etwaige Neuregelung darf nicht diskriminierend sein. Aus meiner Sicht bräuchte es in noch näher zu bestimmender Form objektiver Kriterien, damit ein Richter sich bei seiner Entscheidung auf eine fachliche Expertise stützen kann." 

    Justiz- und Innenministerium schlugen zuletzt vor, dass ein Gericht zwar weiterhin auf Antrag entscheiden soll, dazu aber nur noch ein statt bisher zwei Gutachten notwendig ist. Um zu zeigen, dass es Betroffenen ernst und ihre Entscheidung wahrscheinlich von Dauer ist, sollen zudem deren Ehegatten befragt werden. Gerade dieser Punkt wurde von Verbänden teils massiv kritisiert. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität lehnte den Referentenentwurf vollständig ab.

    Wie es weitergeht, ist unklar - nicht zuletzt, weil es mit Christine Lambrecht (SPD) inzwischen eine neue Justizministerin gibt. Die enorme Kritik auch von Verbänden wirft für Politiker zudem die Frage auf, warum sie sich für derart unpopuläre Neuerungen verkämpfen sollten. "Ich befürchte, dass das jetzt erst einmal liegen bliebt", sagt Jens Brandenburg, der Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag für die Belange von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen (LSBTI). CDU-ler Kaufmann meint hingegen: "Ich gehe davon aus, dass im Herbst ein neuer Entwurf kommt." (dpa)

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