Zehn Jahre nach den Anschlägen in den USA hat das Terrornetzwerk El Kaida nach Einschätzung des Experten Rolf Tophoven zwar an Schlagkraft eingebüßt, zugleich aber durch Propaganda-Erfolge neue Unterstützer auch in Deutschland rekrutiert. "El Kaida war in den vergangenen zehn Jahren nicht in der Lage, die verheerenden Anschläge vom 11. September 2001 militärisch zu übertreffen", sagte Tophoven der Nachrichtenagentur AFP in Köln. "Aber El Kaida ist es in dieser Zeit sehr wohl gelungen, die Idee des 'Heiligen Krieges gegen die Ungläubigen' in viele Köpfe einzupflanzen."
"Einen zweiten 11. September sehen die Sicherheitsbehörden derzeit nicht", fügte der Terrorismusexperte hinzu. "Im vergangenen Jahrzehnt haben sich allerdings regional und national metastasenartig Terror-Zellen gebildet, die unabhängig von der ehedem hierarchisch strukturierten El Kaida operieren, sich aber der Idee des Dschihad verpflichtet fühlen." Vor allem aber sei die Gefahr durch radikalisierte Einzeltäter im vergangenen Jahrzehnt "deutlich gewachsen". "Sie kommen oft aus der Mitte der Gesellschaft und sind den Sicherheitsbehörden unbekannt. Ihre Aktionen kommen daher unerwartet", unterstrich der Leiter des Essener IFTUS-Instituts für Krisenprävention.
Als radikalisierte Einzeltäter ohne Anbindung an Terrororganisationen gelten unter anderem die beiden Kofferbomber von Köln. Die beiden libanesischen Studenten Youssef Mohamad E.H. und Jihad H. hatten am 31. Juli 2006 im Kölner Hauptbahnhof selbstgebaute Sprengsätze in zwei Zügen nach Hamm und Koblenz deponiert. Lediglich ein handwerklicher Fehler beim Bombenbau verhinderte die Detonation der Sprengsätze. Mit den Anschlägen wollten die beiden Täter Vergeltung für die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in deutschen Zeitungen üben.
Terrorismus: Das Internet spielt eine zentrale Rolle
Auch der Kosovare Arid U., dem die tödlichen Schüsse auf zwei US-Soldaten Anfang März am Flughafen von Frankfurt am Main zur Last gelegt werden, soll durch islamistische Internet-Propaganda zu der Tat angestachelt worden sein. Der in Frankfurt aufgewachsene U. wird zu den sogenannten homegrown terrorists gezählt, wie auch die im September 2007 ausgehobene Sauerland-Gruppe. Dies sind also Täter, die in dem Land aufgewachsen sind, auf das ihre terroristischen Aktivitäten zielen. "Bei der Radikalisierung solcher Einzelkämpfer spielt das Internet eine zentrale Rolle", sagte Tophoven. "Für Islamisten ist das Netz heute das Rekrutierungsmedium schlechthin."
Dabei gehen die Terror-Werber laut Tophoven sehr geschickt vor - auch durch eine gezielte Ansprache deutscher Konvertiten, die den Sicherheitsbehörden unverändert große Sorgen bereiten. "Besonders attraktiv für die Drahtzieher des Dschihad sind Muslime mit deutschem Pass und einer instabilen Persönlichkeitsstruktur - Menschen also, die mit der westlichen Gesellschaft vertraut und zugleich auf der Suche nach persönlicher Orientierung für islamistisches Gedankengut empfänglich sind." afp