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Terrorismus: Muss Deutschland offensiver gegen den IS vorgehen?

Terrorismus

Muss Deutschland offensiver gegen den IS vorgehen?

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    Hannover, Essen, Würzburg, Ansbach, Berlin: 2016 hat der islamistische Terror Deutschland erreicht. Konsequenzen werden diskutiert. Doch genügen defensive Schutzmaßnahmen allein?
    Hannover, Essen, Würzburg, Ansbach, Berlin: 2016 hat der islamistische Terror Deutschland erreicht. Konsequenzen werden diskutiert. Doch genügen defensive Schutzmaßnahmen allein? Foto: Christian Charisius, dpa

    Mehr Videoüberwachung, bessere Ausrüstung für die Polizei, schärfere Regeln für die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern: Die Politik diskutiert nach dem Anschlag in Berlin heftig darüber, wie man sich besser vor Terror schützen kann. Ob sich Deutschland nun auch stärker in die offensive Bekämpfung der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) einschalten muss, ist dagegen kein Thema. Warum eigentlich nicht?  

    Als die französische Hauptstadt Paris am 13. November 2015 von einer Anschlagserie getroffen wurde, war die Reaktion dort eine ganz andere. 130 Menschen kamen in der Konzerthalle "Bataclan", in Bars, Cafés, Restaurants und am Stade de France ums Leben. Der französische Präsident Francois Hollande rief den "Krieg gegen den Terror" aus, ordnete zusätzliche Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien an und bat die EU-Partner um Beistand.

    Keine politische Debatte über militärische Reaktion auf Terror

    Deutschland war schnell zur Stelle. Sechs "Tornado"-Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug wurden im türkischen Incirlik stationiert, um von dort aus die Bombardements zu unterstützen. Zudem wurde eine Fregatte bereit gestellt, um den französischen Flugzeugträger "Charles de Gaulle" im Mittelmeer zu eskortieren. Zum zweiten Mal - nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA - folgte Deutschland einem Bündnispartner in den Anti-Terror-Kampf.

    Jetzt hat der islamistische Terror auch hierzulande zugeschlagen. Deutschland ist nicht länger nur im Visier der Terroristen - wie es lange Zeit hieß - sondern Angriffsziel. In der Bevölkerung wächst das Gefühl, dass man sich dagegen mehr als bisher wehren sollte. In einer YouGov-Umfrage für die Deutsche Presse-Agentur fordern 53 Prozent eine Verstärkung des Kampfes gegen den IS. Vor einem Jahr waren es erst 37 Prozent.

    Dass es trotzdem keine breite politische Debatte über eine militärische Reaktion gibt, hat mehrere Gründe:

    • Der Anschlag in Berlin hat nicht die Dimension der Terrorattacken von Paris 2015 oder New York und Washington 2001. Es ist auch noch nicht hundertprozentig klar, ob der IS hinter der Attacke auf den Weihnachtsmarkt mit zwölf Toten steckt - auch wenn es starke Indizien gibt, wie das Video, in dem der mutmaßliche Attentäter Anis Amri dem IS die Treue schwört.
    • Das Prinzip der militärischen Zurückhaltung aus historischen Gründen gilt in der deutschen Außenpolitik weiterhin. Deswegen führt Deutschland den militärischen Kampf gegen den IS bisher aus der zweiten Reihe - mit Waffenlieferungen an kurdische Kämpfer, Ausbildung und Aufklärungsflügen. An Kampfhandlungen ist die Bundeswehr nirgendwo direkt beteiligt.
    • Die Aufgabenverteilung in der internationalen Koalition gegen den IS, der mehr als 60 Länder angehören, hat sich eingespielt. Es gibt derzeit keinen größeren Druck auf Deutschland, sich stärker zu engagieren. 
    • Es ist unklar, wie der Kampf gegen den IS weitergehen wird. Wie wird sich der neue US-Präsident Donald Trump verhalten? Welche Rolle werden die USA künftig im Kampf gegen den IS spielen? Und welche Erwartungen an Deutschland ergeben sich möglicherweise daraus?  

    Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen rief bei ihrem traditionellen Truppenbesuch in Afghanistan kurz vor Weihnachten - unmittelbar nach dem Anschlag in Berlin - dazu auf, den Kampf gegen den Terror entschlossen fortzusetzen. "Sie stehen dafür ein, dass wir uns nicht unterkriegen lassen vom Terror, dass wir uns wehren gegen diejenigen, die die Menschen terrorisieren", sagte die CDU-Politikerin zu den Soldaten im Feldlager von Masar-i-Scharif.

    Regierungskoalition will Hilfe zur Selbsthilfe gegen Terrorismus geben

    Wie die deutsche Entschlossenheit im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus künftig aussehen wird, verriet von der Leyen nicht. Eine Beteiligung an Bombardements auf IS-Stellungen ist von der Bundesregierung stets ausgeschlossen worden. "Es gibt da keine Scheu, aber innerhalb der Nato wird das gar nicht von Deutschland erwartet", sagt der Unions-Verteidigungspolitiker Henning Otte der dpa. Stattdessen verfolgt die Regierungskoalition eine andere Strategie: Hilfe zur Selbsthilfe. Vertrauenswürdige Kräfte in Krisenregionen sollen in die Lage versetzt werden, selbst für Sicherheit und Stabilität zu sorgen. 

    Deswegen werden kurdische Peschmerga-Kämpfer im Irak mit Panzerabwehrraketen unterstützt, die Armee im westafrikanischen Krisenland Mali ausgebildet und deutsche Schützenpanzer nach Jordanien exportiert. "An der Stelle könnte man noch mehr tun", sagt auch der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. In diesem Jahr wurde der Etat für die sogenannte "Ertüchtigungsinitiative" der Bundesregierung von 100 auf 130 Millionen Euro aufgestockt. Damit wird unter anderem die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an "vertrauenswürdige Staaten" im Nahen Osten und in Afrika finanziert.

    Terrorbekämpfung: Warten auf die Strategie der USA

    Selbst in der Opposition sieht man die Notwendigkeit, das deutsche Engagement im Kampf gegen den IS zu verstärken. "Deutschland kann sicher mehr, Deutschland sollte mehr. Aber Deutschland sollte das im Konzert mit anderen tun", sagt der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour. Er glaubt, dass es künftig vor allem in den Rückzugsgebieten des IS Handlungsbedarf geben könnte, zum Beispiel in Libyen. Aber zunächst sei Abwarten angesagt: "Wie es weitergeht, lässt sich erst sagen, wenn wir wissen, was die Amerikaner machen." dpa/AZ

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