Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Terrorismus: Frankreichs Behörden ließen sich täuschen

Terrorismus

Frankreichs Behörden ließen sich täuschen

    • |
    Am Tag nach dem Tod des islamistischen Attentäters Mohamed Merah untersuchen Ermittler dessen Wohnung in Toulouse.
    Am Tag nach dem Tod des islamistischen Attentäters Mohamed Merah untersuchen Ermittler dessen Wohnung in Toulouse. Foto: afp

    Augsburg Der Fall des islamistischen Serienmörders Mohamed Merah wirft in Frankreich auch nach der Erschießung des Attentäters viele Fragen auf. Geheimdienste und Polizei stehen in der Kritik. Der 23-jährige algerischstämmige Merah hatte innerhalb weniger Tage im südfranzösischen Toulouse und Montauban sieben Menschen erschossen: drei Fallschirmjäger sowie drei Kinder und einen Religionslehrer vor einer jüdischen Schule.

    Warum hat der Geheimdienst den Islamisten nicht besser überwacht?

    2010 und 2011 war Mohamed Merah in Afghanistan und Pakistan. Dort soll er Terror-Camps besucht haben. Dies war den Geheimdiensten bekannt. Er wurde auch zu diesen Reisen befragt, zuletzt Ende 2011. Die Behörden sahen aber keine Handhabe, um gegen den jungen Mann vorzugehen. „Er wurde befragt, überwacht, abgehört. Das ist ein Mann, der ein normales Leben führte“, sagt Premierminister François Fillon. Auch Geheimdienstchef Bernard Squarcini beteuert, es habe „keinen ideologischen Aktivismus, keine Moschee-Besuche“ gegeben. Doch es steht fest: Die Behörden ließen sich täuschen.

    Wie konnte sich Merah ein Waffenarsenal zulegen?

    Die Überwachung des Attentäters muss lückenhaft gewesen sein. Offenbar entging den Behörden nicht nur, dass sich Merah als Kleinkrimineller betätigte, sondern auch, dass er sich Zugang zu Waffen verschaffte. Er besaß unter anderem ein Sturmgewehr des russischen Typs Kalaschnikow, eine halbautomatische Maschinenpistole vom Typ Uzi, die in Israel hergestellt wird, und Handfeuerwaffen.

    Wussten die US-Geheimdienste mehr als die französischen?

    Merah stand „seit einiger Zeit“ auf der sogenannten No-fly-Liste mit Terrorverdächtigen, die in den USA kein Flugzeug besteigen dürfen. Grund dafür soll der Aufenthalt des Franzosen in einem Ausbildungs-Camp von El Kaida gewesen sein. Frankreichs Premier Fillon betonte, Merah habe auch in Frankreich „auf einer Liste“ gestanden. „Das heißt, wenn er an einem Airline-Schalter aufgetaucht wäre, wäre sofort der DCRI (Inlandsgeheimdienst) alarmiert worden; er hat es aber nicht gemacht, er ist nicht gereist.“

    Gab es Ermittlungspannen?

    Nach den Morden an den drei Fallschirmjägern sei „beträchtliche Zeit“ verloren gegangen, kritisiert Verteidigungsminister Gérard Longuet, weil „bestimmte Leute“ nur Ermittlungen in eine Richtung gewünscht hätten. Sie gingen von der Annahme aus, der Täter sei ein rassistischer Soldat oder Ex-Soldat. Später wurde der Islamist Merah aufgrund eines Internetkontakts identifiziert, den er mit dem ersten Opfer hatte.

    Wie starb der Attentäter?

    Die Polizei wartete über 30 Stunden lang, ehe sie die Wohnung stürmte, in der sich Merah verschanzt hatte. Am Donnerstag gegen 11.30 Uhr drangen Beamte in die Räume ein, Merah stürmte wild um sich feuernd aus dem Badezimmer und sprang, angeblich weiter schießend, aus dem Fenster. Dabei wurde der 23-Jährige, der eine schusssichere Weste trug, von einem Scharfschützen „in Notwehr“ durch einen Kopfschuss getötet. Ob dies vor oder während des Sprungs aus dem Fenster geschah, ist unklar.

    Welche Konsequenzen werden jetzt in Frankreich gezogen?

    Präsident Nicolas Sarkozy fordert neue Gesetze, um Hassprediger im Internet und Besucher entsprechender Websites bestrafen zu können. Auch der Besuch von Terrorschulen im Ausland soll geahndet werden.

    Was bedeuten die Attentate für den französischen Wahlkampf?

    In Umfragen zum ersten Wahlgang der Präsidentenwahl am 6. Mai hat Amtsinhaber Sarkozy inzwischen seinen sozialistischen Herausforderer François Hollande überholt. Im zweiten Wahlgang liegt aber weiter Hollande vorne. (mit afp, dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden