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Terroranschlag: Anschlag am Breitscheidplatz: Ermittler übersahen Zettel am Tacho

Terroranschlag

Anschlag am Breitscheidplatz: Ermittler übersahen Zettel am Tacho

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    Todes-Lkw: Der von Anis Amri gekaperte Sattelschlepper nach dem Anschlag. Über dem Tacho lag eine Notiz, welche die Polizei übersehen hat.
    Todes-Lkw: Der von Anis Amri gekaperte Sattelschlepper nach dem Anschlag. Über dem Tacho lag eine Notiz, welche die Polizei übersehen hat. Foto: Michael Kappeler/dpa

    Bei der Spurensicherung nach dem Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt hat die Berliner Polizei eine Notiz übersehen, die im Führerhaus des Lastwagens lag. Wie aus einem Vermerk des Bundeskriminalamtes (BKA) vom 12. Januar 2017 hervorgeht, wurde die handschriftliche Notiz erst rund drei Wochen nach dem Anschlag bei einer erneuten Durchsuchung des Führerhauses des Tatfahrzeugs durch das BKA gefunden. Auf einem Zettel stand, mit einem Schreibfehler, der Name der Straße, die zum Tatort führt: "HARDENBERGSTRB". Der BKA-Beamte, der den abgerissenen Papierstreifen damals fand, sagte am Donnerstag als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Bundestages zu dem Anschlag, der Zettel habe auf der Tachoanzeige gelegen.

    Der Fall Anis Amri

    Anis Amri, der Attentäter des Berliner Weihnachtsmarkts, war von Behörden als Gefährder eingestuft worden.

    Juli 2015 Amri kommt nach Deutschland. Er hält sich in NRW und Berlin auf. Trotz Ablehnung seines Asylantrags wird er nicht nach Tunesien abgeschoben, da nötige Papiere fehlen.

    19. November 2015 Ein nicht näher identifizierter „Anis“ wird erstmals aktenkundig. Er habe „hier“ etwas machen wollen, geht aus einer Chronologie des Bundesinnenministeriums hervor.

    11. Januar 2016 „Anis“ wird per Foto-Abgleich „mit einiger Sicherheit“ einer Person mit dem Namen Anis Amri zugeordnet. Ab diesem Zeitpunkt soll der Tunesier wöchentlich Thema bei deutschen Behörden gewesen sein.

    17. Februar 2016 Die Behörden stufen ihn als Gefährder ein. Er wird observiert und ist unter 14 Identitäten bekannt.

    Juni 2016 Die Videoüberwachung wird eingestellt. Zuvor wird Amri mehrmals beim Betreten der islamistischen Fussilet-Moschee in Berlin-Moabit gefilmt.

    September 2016 Das Interesse der Behörden an Amri erlischt.

    September/Oktober 2016 Nach Informationen aus Sicherheitskreisen warnt der marokkanische Geheimdienst vor Anschlagsplänen Amris.

    17. Dezember 2016 Laut „Bild am Sonntag“ treffen die Pass-Ersatzdokumente für Amri im tunesischen Generalkonsulat in Bonn ein, vier Tage später in der Ausländerbehörde in Köln.

    19. Dezember 2016 Nach einem Besuch der Berliner Fussilet-Moschee stiehlt Amri einen Lkw und erschießt den Fahrer. Danach steuert er den Laster in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. 12 Menschen sterben, mehr als 50 werden verletzt.

    21.-23. Dezember 2016 Auf seiner Flucht wird der 24-Jährige an Bahnhöfen in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Italien gefilmt.

    23. Dezember 2016 Amri wird vor dem Bahnhof von Sesto San Giovanni nahe Mailand bei einer Routine-Kontrolle von Polizisten erschossen.

    25. Januar 2017 Das Parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste im Bundestag setzt eine interne Ermittlergruppe ein. dpa

    Wie aus einem im Mai 2017 erstellten Bericht hervorgeht, befanden sich auf dem Zettel Spuren des Attentäters Anis Amri, des von ihm getöteten polnischen Lkw-Fahrers und einer dritten Person. Ob sich Amri den Namen der Straße, die zum Breitscheidplatz führt, selbst notiert hatte, oder ob ihm das ein Komplize aufgeschrieben hatte, ist bis heute nicht bekannt.

    Anschlag am Breitscheidplatz: Verfassungsschutz und Polizei überwachten Amris Umfeld

    Amri war am 19. Dezember 2016 mit dem gekaperten Lastwagen über den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast, wo er weitere elf Menschen tötete. Der Tunesier hatte Kontakte ins Salafistenmilieu und war Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Nach dem Anschlag floh er nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde. Eine Geldbörse mit einem Ausweis von Amri war im Führerhaus des Lastwagens erst am Nachmittag des Folgetages entdeckt worden. Ob ihm Gesinnungsgenossen bei der Vorbereitung der Tat halfen, ist strittig. Politisch brisant ist diese Frage auch, weil es in den Kreisen, in denen Amri verkehrt hatte, damals mehrere Informanten von Polizei und Verfassungsschutz gab. 

    "Es scheint, als sei hier nicht mit höchster Akribie gearbeitet worden", kritisierte der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser. Aus solchen Spuren hätten sich weitere Ansätze für die Ermittlungen zu Mittätern ergeben können. Ihm sei damals sofort klar gewesen, "dass dieser Zettel relevant sein könnte", sagte der BKA-Beamte. Er habe aber nicht den Eindruck gehabt, dass die Berliner Polizei bei der Spurensuche "grob fahrlässig" gehandelt habe. (dpa)

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