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Terror: Kinder des Terrors: Angst vor jungen Dschihadisten in Deutschland

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Kinder des Terrors: Angst vor jungen Dschihadisten in Deutschland

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    Der IS bildet auch Kinder zu Terroristen aus.
    Der IS bildet auch Kinder zu Terroristen aus. Foto: Ghulamullah Habibi, dpa (Archiv)

    Als der Junge auf den Abzug der Pistole drückt, verzieht er keine Miene, er will keine Angst zeigen. Die Waffe hält er mit beiden Händen, die Arme durchgestreckt. Das gefesselte Opfer, ein Gefangener der IS-Terrormilz, kippt nach vorn. Der Junge schießt noch mal und noch mal, dann streckt er den rechten Arm mit der Pistole in der Hand nach oben und schreit "Allahu akbar".

    Das Opfer verliert in diesem Moment sein Leben - und der Schütze seine Kindheit und Unschuld. Als er abdrückt, ist er vielleicht 13 Jahre alt, so jung jedenfalls, dass in seinem Gesicht noch nicht einmal ein dünner Flaum zu sehen ist. Ein Video der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat jedes Detail dieser Tat festgehalten.

    Der Film ist ein Beleg dafür, wie kaltblütig die Terrormiliz Kinder für ihre Zwecke einsetzt. In IS-Propagandavideos tauchen Minderjährige auch als Kämpfer auf. Zeitweise sollen die Extremisten sogar eigene Rekrutierungsbüros eingerichtet haben, um Nachwuchs anzuwerben. Aber auch Kinder, die einer Rekrutierung entgingen, indoktrinierte der IS in Schulen mit seiner Ideologie.

    Das weckt Sorgen, dass eine neue Generation von Dschihadisten entsteht, die die Miliz auch nach ihrer militärischen Niederlage in Syrien und im Irak weiterleben lässt. Und: Dass Kinder ausgereister deutscher IS-Kämpfer in die Bundesrepublik zurückkommen könnten - radikalisiert, stramm radikal-islamistisch erzogen und traumatisiert. Verfassungsschützer schätzen das als großes Sicherheitsrisiko ein.

    Der Verfassungsschutz ist alarmiert

    "Wir sehen die Gefahr, dass Kinder von Dschihadisten islamistisch sozialisiert und entsprechend indoktriniert aus den Kampfgebieten nach Deutschland zurückkehren", sagt Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. "Damit könnte auch hier eine neue

    Rund 950 Islamisten aus Deutschland sind über die Jahre Richtung Syrien und Irak ausgereist, um sich dort dem IS anzuschließen. 20 Prozent davon waren Frauen, 5 Prozent minderjährig. Manche der Frauen reisten mit ihren Männern - und Kindern - aus, andere brachten erst in den Kampfgebieten Kinder auf die Welt, Kinder von

    Europa im Visier der Attentäter: Die Anschläge der vergangenen Jahre

    Paris, 12. Mai 2018:

    Im Viertel um die Pariser Oper, einem besonders belebten im Zentrum der Stadt, greift ein Mann vorbeigehende Menschen mit einem Messer an. Dabei tötet er einen 29-Jährigen und verletzt vier weitere Personen, zwei davon schwer. Bei dem Täter handelt es sich mutmaßlich um einen 20 Jahre alten Islamisten, der in Tschetschenien geboren wurde.

    Carcassonne und Trèbes, 23. März 2018

    Bei einer Geiselnahme tötet ein 26-jähriger mutmaßlicher Islamist in einem südfranzösischen Supermarkt zwei Menschen. Danach nimmt er einen Polizist als Geisel. Später wird der Angreifer erschossen.

    Marseille, 1. Oktober 2017

    Ein Mann geht mit einem Messer auf Passanten am Bahnhof Saint-Charles los. Er ersticht zwei junge Frauen. Wenig später wird der islamistische Attentäter von französischen Soldaten erschossen.

    Barcelona. 17. August 2017

    Ein Attentäter fährt mit einem Lieferwagen durch eine Menschenmenge auf dem Boulevard La Rambla im Zentrum von Barcelona. Dabei werden 14 Menschen getötet und mindestens 118 Menschen verletzt. Auf der Flucht ersticht der Attentäter eine weitere Person.

    Hamburg, 28. Juli 2017

    Bei einer Messerattacke in einem Supermarkt im Hamburger Stadtteil Bambek-Nord stirbt ein Mensch. Sieben weitere werden zum Teil schwer verletzt.

    London, 19. Juni 2017

    Bei einem Anschlag tötet ein Mann mit einem Lieferwagen eine Person und verletzt zehn weitere Menschen nahe der Finsbury Park Moschee im Norden der britischen Hauptstadt.

    Paris, 6.Juni 2017:

    Ein Mann attackiert einen Polizisten mit einem Hammer. Auch wenn der Polizist überlebt stuft die Polizei die Attacke später als Terroranschlag ein.

    London, 3. Juni 2017:

    Ein Lieferwagen rast auf der London Bridge auf den Bürgersteig und fährt mehrere Passanten an. Anschließend springen die Attentäter heraus und greifen in einem nahegelegenen Ausgehviertel mit Messern wahllos Menschen an. Sieben Menschen werden getötet. 48 Verletzte müssen in Krankenhäuser eingeliefert werden. Die Polizei erschießt die drei Angreifer. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamiert die Tat für sich.

    Manchester, 22. Mai 2017:

    Ein Selbstmordattentäter sprengt sich am Ende eines Konzertes von US-Popstar Ariana Grande in Manchester in die Luft und reißt 22 Menschen mit in den Tod. 116 Menschen werden verletzt. Unter den Opfern sind viele Jugendliche und Kinder. Die Tat des 22-jährigen libyschstämmigen Briten Salman Abedi reklamiert die IS-Miliz für sich.

    Stockholm, 7. April 2017:

    Ein Mann rast in einem gestohlenen Lastwagen durch eine Einkaufsstraße in Stockholms Innenstadt und fährt wahllos Passanten um. Fünf Menschen sterben. Die Polizei nimmt den 39-jährigen Usbeken Rachmat Akilow fest, er gesteht die Tat. Akilow gilt als Anhänger der Dschihadistenmiliz IS.

    St. Petersburg, 3. April 2017:

    Ein Selbstmordattentäter zündet in einer fahrenden U-Bahn in der Innenstadt von St. Petersburg eine Bombe. 15 Menschen sterben. Als mutmaßlichen Täter identifizierten die Ermittler den 22-jährigen Akbarschon Dschalilow aus Kirgistan. Die Behörden gehen möglichen Verbindungen zur Dschihadistenmiliz IS nach. 

    London, 22. März 2017:

    Der mutmaßlich islamistische Attentäter Khalid Masood rast auf der Westminster-Brücke im Herzen Londons mit seinem Auto in eine Gruppe von Passanten, vier Menschen sterben. Vor dem Parlament ersticht Masood dann einen Polizisten, ehe er selbst erschossen wird. Die IS-Miliz reklamierte die Tat für sich.

    Istanbul, 1. Januar 2017:

    Kurz nach Mitternacht betritt ein Mann den Istanbuler Nachtclub "Reina" und schießt um sich. 39 Menschen, die dort den Jahreswechsel feiern wollten, werden getötet. Zwei Wochen später nimmt die Polizei den 34-jährigen Usbeken Abdulkadir Mascharipow als Hauptverdächtigen fest. Auch zu diesem Anschlag bekennt sich die Dschihadistenmiliz IS.

    Berlin, 19. Dezember 2016:

    Der Tunesier Anis Amri erschießt einen Lkw-Fahrer aus Polen, setzt sich an das Steuer des Lasters und rast in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. Zwölf Menschen sterben. Amri wird später von der Polizei in Mailand erschossen. Der Fall löst eine Debatte über Behördenversagen aus: Amri konnte zum Attentäter werden, obwohl er als islamistischer Gefährder auf dem Radar deutscher Sicherheitsbehörden war.

    Nizza, 14. Juli 2016:

    Der Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel rast über die Uferpromenade von Nizza, wo tausende Menschen den französischen Nationalfeiertag begehen. Erst nach einigen hundert Metern kommt der Lkw zum Stehen, 86 Menschen werden getötet. Die Polizei erschießt Bouhlel. Der IS bekennt sich zu der Tat.

    Istanbul, 28. Juni 2016:

    Drei Selbstmordattentäter sprengen sich auf dem Istanbuler Atatürk-Flughafen in die Luft, 47 Menschen werden getötet. Offiziell bekennt sich niemand zu der Tat, die Regierung macht die IS-Miliz verantwortlich. Ihren Angaben zufolge stammen die Attentäter aus Russland, Usbekistan und Kirgistan.

    Brüssel, 22. März 2016:

    Selbstmordattentäter zünden Sprengsätze am Brüsseler Flughafen und in der U-Bahn-Station Maelbeek. 32 Menschen sterben, mehr als 230 werden verletzt. Hinter den Taten steht eine Zelle des IS, die auch an den Pariser Anschlägen vier Monate zuvor beteiligt war.

    Paris, 13. November 2015:

    Frankreichs Hauptstadt wird zum Ziel einer blutigen Anschlagsserie. Insgesamt 130 Menschen werden bei Bomben- und Schusswaffenattentaten getötet. Die Attentäter nehmen die Konzerthalle Bataclan, Bars, Restaurants und ein Stadion ins Visier. Zu diesen Taten bekennt sich ebenfalls der IS. (afp. AZ)

    Der IS hat zuletzt riesige Gebiete in Syrien und im Irak verloren. Der Verfassungsschutz rechnet damit, dass aufgrund der Lage nun

    Gerade ältere Kinder seien durch den IS schon radikalisiert und in Syrien und dem Irak alltäglichen Gewalterfahrungen ausgesetzt gewesen, warnen Verfassungsschützer. Diese Sozialisation könne durch den Einfluss salafistischer Milieus in Deutschland noch verstärkt werden. So könnten Dschihadisten der zweiten Generation heranwachsen.

    Drei Terrorattacken in Deutschland gehen auf das Konto von Minderjährigen

    Drei islamistische Terrorattacken in Deutschland im vergangenen Jahr gingen bereits auf das Konto von Minderjährigen: die Messerattacke einer 15-Jährigen auf einen Bundespolizisten am Hauptbahnhof Hannover, der Bombenanschlag von zwei Jugendlichen auf ein Gebetshaus der Sikhs in Essen und der Axt-Angriff eines 17-Jährigen in einer Regionalbahn bei Würzburg. Hinzu kam ein Anschlagsversuch auf den Ludwigshafener Weihnachtsmarkt - geplant von einem Zwölfjährigen.

    Setzen die riesigen Gebietsverluste des IS in Syrien und dem Irak nun eine neue Rückreisewelle in Gang? Darüber wollen am Freitag auch die Innenminister der G7-Staaten auf Ischia reden. Der Gastgeber, Italiens Ressortchef Marco Minniti, warnt, dass entkommene

    Angesichts der Rückschläge des IS in Syrien und im Irak setzt die Miliz schon seit längerem darauf, durch Anschläge in Europa auf sich aufmerksam zu machen. Die jüngsten Gebietsverluste verschärfen dieses Risiko. Allerdings dürften die Niederlagen in den Kampfgebieten auch die Fähigkeit des IS eingeschränkt haben, komplexe Terroranschläge zu verüben. Lange war die jetzt von einem kurdischen Bündnis eingenommene Stadt Al-Rakka in Nordsyrien die Zentrale, in der die Dschihadisten solche Attentate planten. Mittlerweile fehlen dem IS die einstigen Rückzugsräume, um geschützt Terrorpläne zu schmieden. Zudem hat der IS einen Großteil seiner Finanzressourcen verloren, seit seine Gegner etliche Ölquellen wieder eingenommen haben.

    Was aber weiterlebt, ist die Ideologie der Dschihadisten. Unzählige Helfer verbreiten sie über soziale Medien ungefiltert in der ganzen Welt: ein stetiger Fluss aus Bildern und Videos, der sich kaum stoppen lässt und der ausreicht, um junge Menschen zu radikalisieren - nicht selten so stark, dass sie zu Attentätern werden. Ein Messer, ein Auto reichen ihnen als Waffen aus, um andere zu töten. Und den nötigen Nachwuchs hat sich der IS schon herangezogen. dpa

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