Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Terror: Einzeltäter Amri? Die Zweifel wachsen

Terror

Einzeltäter Amri? Die Zweifel wachsen

    • |
    Als der Lastwagen am Abend des 19. Dezembers mit zerstörter Windschutzscheibe am Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz stehen blieb, waren bereits mehrere Menschen tot. Bei dem Terroranschlag starben insgesamt zwölf Menschen. 
    Als der Lastwagen am Abend des 19. Dezembers mit zerstörter Windschutzscheibe am Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz stehen blieb, waren bereits mehrere Menschen tot. Bei dem Terroranschlag starben insgesamt zwölf Menschen.  Foto: Michael Kappeler, dpa (Archiv)

    Die Beweisaufnahme hat gerade erst begonnen, ein Ende der Arbeit des Untersuchungsausschusses des Bundestags zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz vor genau zwei Jahren, am 19. Dezember 2016, nicht in Sicht. Doch der Obmann der FDP-Fraktion in dem Gremium, Benjamin Strasser aus Ravensburg, ist sich schon jetzt ganz sicher: „Die Einzeltäter-Theorie ist eigentlich schon tot.“

    Alle Indizien, sagte Strasser unserer Zeitung, sprechen eine eindeutige Sprache. Anis Amri, der aus Tunesien stammende Attentäter, sei weder, wie es bisher von den Sicherheitsbehörden dargestellt wurde, ein „kleiner Drogendealer“ gewesen, der sich im Geheimen radikalisiert habe, noch ein auf eigene Faust handelnder Islamist, der seine Tat konspirativ plante, niemanden einweihte und keine Helfer und Unterstützer hatte. Vielmehr sei Amri „europaweit vernetzt“ gewesen. Doch die Sicherheitsbehörden würden sich, wenn sie dazu befragt werden, in Schweigen hüllen.

    Amri hatte Kontakt zu Anhängern des IS

    In der Tat haben die bisherigen Ermittlungen ergeben, dass Amri in der Berliner Fussilet-Moschee in der Perleberger Straße in Moabit, die schon lange als Treffpunkt gewaltbereiter islamistischer Extremisten galt, vielfältige Kontakte zu anderen Männern hatte, die vom Verfassungsschutz als Dschihadisten und Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eingestuft wurden. Fast das gesamte Jahr 2016 hindurch tauschte sich Amri mit Mitgliedern des

    „Was sich abzeichnet, ist eine organisierte Verantwortungslosigkeit“, sagt der Liberale Strasser. Polizei und Verfassungsschutz würden sich den schwarzen Peter hin- und herschieben. Aus Sicht des Verfassungsschutzes sei für die Überwachung von Amri einzig und allein die

    Das sieht auch Volker Ullrich, der Obmann der Unionsfraktion im Untersuchungsausschuss, so. Bisher sei das GTAZ ein eher informelles Gremium, sagt der Augsburger CSU-Abgeordnete unserer Zeitung. Niemand habe die Federführung inne, auch gebe es kein Controlling. Es sei unabdingbar, dass in diesem für die innere Sicherheit eminent wichtigen Gremium „jemand den Hut aufhat“ und im Zweifelsfalle bestimme, was zu tun sein.

    Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz?

    Was wusste der Verfassungsschutz? Für die drei Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linke ist dies die entscheidende Frage. Sie werfen der Großen Koalition vor, sich schützend vor die Sicherheitsbehörden zu stellen und die Aufklärung zu verschleppen. Gemeinsam haben sie daher in der vergangenen Woche beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen die Bundesregierung eingereicht, um die Vernehmung eines V-Mann-Führers des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu erzwingen, der 2016 Kontakt zu einer Quelle in der Berliner Fussilet-Moschee hatte. Den Vorwurf der Opposition, die Regierungsparteien würden mit Absicht des Arbeit des Untersuchungsausschusses behindern und blockieren, weist allerdings Unions-Obmann Ullrich entschieden zurück. „Wir gehen chronologisch vor.“ Schon Anfang des kommenden Jahres werde man sich mit den Versäumnissen der Sicherheitsbehörden in der Zeit, in der sich Amri in

    Forderungen nach besserer Vernetzung der Behörden

    Wie könnten diese aussehen? Der Liberale Strasser plädiert für eine dritte Föderalismuskommission, um die Konsequenzen aus der Mordserie des NSU wie dem Berliner Anschlag zu ziehen. „Wir brauchen eine Neuverteilung der Kompetenzen und klare Verantwortlichkeiten.“ Auch der Christsoziale Volker Ullrich plädiert für eine bessere Vernetzung der Behörden des Bundes und der Länder und fordert gleichzeitig die Einführung eines Vorstrafenregisters für schwere Straftaten auf europäischer Ebene nach dem Vorbild des Bundeszentralregisters. Bei Anis Amri hätte man sofort gewusst, dass er in Italien bereits zu vier Jahren Haft verurteilt worden war. Und auch die Opferentschädigung müsse deutlich verbessert werden, fordert Ullrich. „Wir stehen zwar erst am Anfang der Aufklärung, aber das ist schon jetzt deutlich geworden.“

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.  

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden