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Syrien: Menschen in Ost-Aleppo hoffen vergeblich auf Flucht

Syrien

Menschen in Ost-Aleppo hoffen vergeblich auf Flucht

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    Die Evakuierung der Bevölkerung von Ost-Aleppo bleibt aus.
    Die Evakuierung der Bevölkerung von Ost-Aleppo bleibt aus. Foto: Ameer Alhalbi, afp

    Die Hoffnung der Menschen in Ost-Aleppo auf ein Entkommen aus den schrumpfenden Rebellengebieten ist vorerst geplatzt: Nach einer Feuerpause am Dienstag flammten die Kämpfe in der zweitgrößten Stadt Syriens am Mittwoch wieder auf. Auch eine Vereinbarung zum Abzug von Zivilisten und Rebellenkämpfern scheiterte zunächst. Durchgefrorene und verängstigte Zivilisten, die schon auf den Beginn der Evakuierungen gewartet hatten, irrten durch die zerstörten Straßen.

    Aleppo von heftigem Beschuss erschüttert

    Nach der weitgehenden Eroberung von Ost-Aleppo durch die syrischen Regierungstruppen hatte Russland am Dienstag ein Ende der Kampfhandlungen verkündet. Am Mittwochmorgen wurde Aleppo jedoch wieder von heftigem Beschuss erschüttert, wie ein AFP-Korrespondent in den letzten von Rebellen kontrollierten Gebieten berichtete. Der AFP-Reporter sah einen Panzer der Regierungstruppen, der auf die Rebellengebiete feuerte, sowie mehrere verletzte Zivilisten. Panische Menschen rannten auf der Suche nach einem Versteck durch die Straßen, manche suchten unter den Türrahmen zerstörter Häuser Schutz.

    "Sehr intensive Zusammenstöße" in Aleppo

    Das mit der syrischen Regierung verbündete Russland machte die Rebellen für den erneuten Gewaltausbruch verantwortlich. Die Aufständischen hätten im Morgengrauen "die Waffenruhe ausgenutzt", um die Linien der Regierungstruppen im Nordwesten Aleppos zu durchbrechen, erklärte die russische Armee. Die syrischen Truppen hätten daher die "Befreiungseinsätze verlängert".

    Das umkämpfte Aleppo in Zahlen

    Vor dem Bürgerkrieg war Aleppo Syriens Handelsmetropole im Norden des Landes. Jetzt ist die Stadt ein Symbol für den Krieg.

    Vor dem Krieg lebten rund 2,5 MILLIONEN MENSCHEN in Aleppo und den Vororten.

    Während der Belagerung waren nach Schätzungen der Vereinten Nationen 250.000 MENSCHEN in den Rebellengebieten im Osten EINGESCHLOSSEN.

    Seit Beginn der Militäroffensive vor einem Monat sind rund 100.000 MENSCHEN AUF DER FLUCHT.

    Allein knapp 600 ZIVILISTEN sind während dieser Offensive getötet worden.

    Insgesamt sollen in den vergangenen VIER JAHREN rund 31 000 MENSCHEN GETÖTET worden sein.

    Die Rebellen kontrollieren nach russischen Angaben noch etwa 2,5 QUADRATKILOMETER in Ost-Aleppo.

    Der Markt von Aleppo ist seit 1986 UNESCO-WELTKULTURERBE. Er gilt als einer der größten überdachten Marktplätze der Welt. Seine Gassen sind 13 KILOMETER lang. Große Teile des orientalischen Basars sind mittlerweile zerstört.

    Die Zitadelle von Aleppo ist eine der ältesten und größten Festungen der Welt. Der Großteil der Bauten stammt aus dem 13. JAHRHUNDERT. Bei Kämpfen wurden Teile der Wehranlage zerstört.

    Besonders bekannt war die Stadt für ihren Exportschlager Olivenseife. Mehr als 60 SEIFENSIEDEREIEN gab es vor dem Krieg in der Stadt.

    Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die sich auf ein Netzwerk von Aktivisten in Syrien stützt, meldete "sehr intensive Zusammenstöße an allen Frontlinien" und mindestens zwei Todesopfer in den Rebellengebieten. Kampfflugzeuge hätten auch wieder Luftangriffe geflogen. Das syrische Staatsfernsehen berichtete, bei Rebellenangriffen auf zwei Viertel unter Regierungskontrolle seien mindestens sieben Zivilisten getötet worden.

    Aleppo: Evakuierung der Zivilisten und Rebellen funktioniert nicht

    Die geplante Evakuierung von Zivilisten und Rebellenkämpfern aus dem Ostteil Aleppos, die am Dienstag von Rebellengruppen verkündet und von Russland und der Türkei bestätigt worden war, kam zunächst nicht in Gang. Wie es aus Regierungskreisen hieß, hatten die Rebellen neue Forderungen gestellt. Sie verlangten demnach, dass statt 2000 nun 10.000 Menschen die Rebellengebiete verlassen sollten.

    Rebellen erklärten dagegen, die syrische Regierung und der mit ihr verbündete Iran hätten die Umsetzung der Vereinbarung blockiert. Ein Vertreter der einflussreichen Rebellengruppe Nureddin al-Sinku warf ihnen vor, neue Bedingungen zu anderen Konfliktgebieten zu stellen. Dabei ging es offenbar um ein Ende der Belagerung von zwei Dörfern in der Provinz Idlib, die von Rebellen eingekesselt sind.

    In den letzten von den Rebellen gehaltenen Gebieten in Ost-Aleppo hatten seit dem frühen Morgen zahlreiche Zivilisten vergeblich auf den Beginn der Evakuierungen gewartet. Viele von ihnen hatten die Nacht bei Regen und Kälte unter freiem Himmel verbracht. Busse, die schon in den angrenzenden Vierteln unter Regierungskontrolle bereit standen, blieben jedoch leer.

    Eine Untersuchungskommission der UNO geht nach eigenen Angaben Hinweisen nach, dass Zivilisten von Rebellen an der Flucht aus Aleppo gehindert wurden, um sie als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Beschuldigt werde unter anderem die Fateh-al-Scham-Front, die frühere Al-Nusra-Front.

    Angela Merkel fordert Feuerpause für Aleppo

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte sich in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin für eine sofortige Waffenruhe in Aleppo ein. "Es ist nicht zu spät, sinnloses Blutvergießen zu verhindern", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Als wichtigster Verbündeter stehe Russland "in der Verantwortung", die syrische Regierung zu "überzeugen".

    Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte ein Telefonat mit Putin an, um den vereinbarten Abzug von Zivilisten und Rebellen aus Aleppo doch noch zu retten. Die Türkei, die im Syrien-Konflikt die Rebellen unterstützt, machte die syrische Regierung für den Bruch der Waffenruhe und die gescheiterte Evakuierungsaktion verantwortlich.

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