Nach Abschluss ihrer Untersuchungen haben die letzten UN-Chemiewaffenexperten Syrien wieder verlassen. Am Samstag gab ein Sprecher der Vereinten Nationen bekannt, dass die zwölf Inspekteure um Missionsleiter Aake Sellström abgereist seien.
Ein von den USA initiierter Militärschlag als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz wird mit der Abreise der Experten damit wahrscheinlicher. Wann die Ergebnisse der UN-Untersuchungen vorliegen werden, ist bislang nicht bekannt.
UN-Experten reisen nach Europa weiter
Internationale Militäreinsätze ohne UN-Mandat
In der Vergangenheit hat es aber bereits internationale Militäreinsätze gegeben, die ohne grünes Licht der Vereinten Nationen vorgenommen wurden - oder deren Abdeckung durch ein UN-Mandat umstritten war.
Kosovo 1999: In Jugoslawien wütete der Konflikt zwischen der Armee des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic und der albanischen Befreiungsarmee UCK um die Unabhängigkeit des Kosovo.
Nachdem Friedensverhandlungen scheiterten, bombardierte die NATO vom 24. März 1999 an Ziele in Jugoslawien aus der Luft, um die gezielte Vertreibung der albanischen Bevölkerung aus dem Kosovo zu stoppen.
Der Einsatz unter dem Namen «Operation Allied Force» dauerte bis zum 11. Juni an und erfolgte ohne UN-Mandat, da China und Russland mit einem Veto im Sicherheitsrat drohten. Gerechtfertigt wurde der Einsatz unter Beteiligung von 13 Ländern mit humanitären Gründen.
Irak 2003: Im März 2003 forderten die USA, Großbritannien und Spanien eine UN-Resolution, die einen Militäreinsatz gegen den irakischen Machthaber Saddam Hussein legitimiert hätte.
Hussein wurde besonders von den USA vorgeworfen, den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu planen. Zweifel an den - später widerlegten Aussagen der US-Regierung - äußerten besonders Deutschland, Frankreich und Russland.
US-Präsident George W. Bush entschied, unter dem Namen «Operation Iraqi Freedom» den Irak am 20. März ohne UN-Mandat anzugreifen.
Die Truppen der USA und Großbritanniens wurden dabei von einer «Koalition der Willigen» unterstützt. Der Einsatz führte zum Sturz und zur späteren Hinrichtung Saddam Husseins, zu einer anhaltenden Destabilisierung des Irak und einem erst Ende 2011 beendeten internationalen Militäreinsatz.
Libyen 2011: Aufgrund des brutalen Vorgehens des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi gegen oppositionelle Aufständische erlaubte der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1973 vom 17. März 2011, «alle notwendigen Maßnahmen» zum Schutz der Zivilbevölkerung zu ergreifen.
Zwei Tage später starteten Großbritannien und Frankreich mit maßgeblicher Unterstützung der USA Luftangriffe auf Ziele in Syrien. Am 31. März übernahm die NATO das Kommando.
Der Einsatz «Unified Protector» unterstützte de facto die Aufständischen. China und Russland warfen der NATO-geführten Koalition daher vor, sie überschreite das UN-Mandat, da sie den Sturz Gaddafis verfolge.
Im Oktober wurde der Machthaber von Aufständischen gefangen genommen und getötet. afp
Augenzeugen berichten, dass die Inspekteure am Vormittag am internationalen Flughafen der libanesischen Hauptstadt Beirut eintrafen. Der Autokonvoi hatte zuvor die syrisch-libanesische Grenze bei Masnaa überquert.
Von Beirut aus wollen die Inspekteure nach Europa weiterreisen. Nach Angaben der Vereinten Nationen befanden sich am Freitagabend noch mehr als 1000 Mitarbeiter der UN in Syrien.
Noch keine Veröffentlichung der Ergebnisse
Wann die Ergebnisse der Experten-Untersuchungen veröffentlicht werden können, ist laut UN noch unklar. Aus westlichen Diplomatenkreisen heißt es, dass es noch mindestens 10 bis 14 Tage dauern werde, bis Ergebnisse vorliegen werden. Die Chemiewaffenexperten hatten am Freitag ihre Untersuchungen nach fünf Tagen in Syrien beendet.
Die USA sind von einem Giftgaseinsatz überzeugt
Schon jetzt sind die USA davon überzeugt, dass das syrische Regime chemische Waffen gegen seine eigene Bevölkerung eingesetzt habe. Laut Außenminister John Kerry gibt es dafür "klare und schlüssige" Beweise.
Präsident Barack Obama erwägt deswegen einen begrenzten Einsatz in dem Land. Eine Entscheidung über eine militärische Intervention sei aber noch nicht getroffen worden, so Obama am Freitag in Washington.
Zeitung in Kuwait: Militärschlag spätestens am Sonntag
Arabische Diplomaten rechnen derweilen nach Angaben der kuwaitischen Zeitung Al-Kabas mit einem Militärschlag spätestens am Sonntag. Das Blatt berichtet, dass es sich mit der Abreise der Experten nur noch um Stunden handle, bis die Intervention beginne.
Gelenkt werden soll die Aktion von verschiedenen Stützpunkten aus, so Al-Kabas. Die Türkei, Jordanien, Zypern und Griechenland werden in dem Zeitungsbericht als Standpunkte erwähnt.
Ex-Botschafter Pleuger kritisiert US-Vorgehensweise
Gunter Pleuger, der ehemalige deutsche Botschafter, kritisiert derweilen die Vorgehensweise Washingtons. Am Samstag sagte er im Deutschlandfunk, die USA sollten den Bericht der UN-Inspekteure abwarten. Pleuger hatte Deutschland von 2002 bis 2006 bei den Vereinten Nationen vertreten. dpa
(Zusammenfassung 1030 - nur UN-Inspekteure, neu: Arabische Diplomatenkreise) UN-Chemiewaffeninspekteure verlassen Syrien (Fotos vom 30. und 31.08.) =
Die letzten UN-Chemiewaffenexperten haben Syrien verlassen. Am Vormittag überquerten sie die Grenze zum Libanon. Mit der Abreise der Inspekteure wächst die Wahrscheinlichkeit eines baldigen Militärschlags gegen das Regime in Damaskus.