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Syrien: Die Lage im Nahen Osten: Kein bisschen Frieden in Syrien

Syrien

Die Lage im Nahen Osten: Kein bisschen Frieden in Syrien

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    Kinder spielen nahe der Stadt Idlib an einem zerstörten Auto. Noch immer findet der Krieg in Syrien kein Ende.
    Kinder spielen nahe der Stadt Idlib an einem zerstörten Auto. Noch immer findet der Krieg in Syrien kein Ende. Foto: Mustafa Dahnon, dpa

    An Pomp und Pracht mangelte es nicht, als sich die Spitzen der Nato in den vergangenen Tagen im 80.000-Einwohner-Städtchen Watford in der britischen Grafschaft Hertfordshire trafen. Das Bündnis hat längst seinen Glanz verloren, 70 Jahre nach der Gründung dreht sich die Nato vor allem um sich selbst. Der Streit mit der Türkei. Die abfälligen Äußerungen des französischen Präsidenten Macron. Die buchhalterischen Aufrechnungen Donald Trumps. Dass eigentlich der Krieg in Syrien auf der Tagesordnung stehen sollte – spielte kaum eine Rolle. Acht Jahre nach Beginn des blutigen Konflikts hat der Westen resigniert. Nur vermeintlich ruhig ist es geworden um die Schlachtfelder des Nahen Ostens, dabei ist die Lage im Land so schwierig, dass für die vielen Syrien-Flüchtlinge die Hoffnung schwindet, bald in ihre Heimat zurückkehren können.

    Selbst eine freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen nach Nordsyrien darf nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel nur unter Aufsicht der Vereinten Nationen stattfinden. Wenn sich an diesem Donnerstag die Landesinnenminister zu ihrer turnusgemäßen Sitzung treffen, dürfte außerdem der Abschiebestopp nach Syrien verlängert werden. „Die Neigung wohl der meisten Länder ist, das zu verlängern“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer in Berlin. Entsprechende Signale gibt es auch aus Bayern. „Die Situation in Syrien ist ohne Zweifel nach wie vor schwierig. Ich gehe daher davon aus, dass die Innenminister den Abschiebungsstopp nach Syrien noch mal um ein halbes Jahr verlängern werden“, erklärte Innenminister Joachim Herrmann. Er sagt auch: Die Verlängerung dürfe aber „kein Freibrief für jedermann“ sein. „Wer in unserem Land schwere Straftaten begeht oder als Gefährder auftritt, kann nicht erwarten, dass er bei uns Hilfe oder Schutz findet.“

    Auswärtiges Amt warnt vor Abschiebungen nach Syrien

    In einem Bericht warnt das Auswärtige Amt davor, die Brisanz der Lage in Syrien zu unterschätzen: „Das Regime kann grundsätzlich weiter Luftangriffe im ganzen Land durchführen.“ Ausgenommen seien lediglich Regionen, die aktuell unter türkischer oder kurdischer Kontrolle stünden oder von den USA kontrolliert würden. Das Risiko, Opfer eines Terroranschlags zu werden, bestehe landesweit. Daneben müssten alle, die das Missfallen der Regierung erregt hätten, mit Repression rechnen. Und dazu zählen vor allem jene, die dem Land in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt hatten. „Immer wieder sind Rückkehrer, insbesondere – aber nicht nur – solche, die als oppositionell oder regimekritisch bekannt sind oder auch nur als solche erachtet werden, erneuter Vertreibung, Sanktionen beziehungsweise Repressionen, bis hin zu unmittelbarer Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt“, schreibt das Auswärtige Amt. Die Situation im ganzen Land sei gefährlich, überall drohten Kampfhandlungen und Terrorismus. Von Frieden jedenfalls ist Syrien weiterhin weit entfernt.

    Erst vor wenigen Tagen griffen Baschar al-Assads Truppen die Stadt Idlib an. Bei Gefechten der Regierungsarmee mit den Rebellen wurden 100 Menschen getötet, bestätigt die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Es ist eine der höchsten Zahlen an Todesopfern seit der im Sommer vereinbarten Waffenruhe. Idlib ist eines der letzten Gebiete Syriens, das noch von islamistischen Aufständischen kontrolliert wird. Beherrscht wird das Rebellengebiet von der Al-Kaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Scham. Zudem sind dort Rebellen der Freien Syrischen Armee und die pro-türkische oppositionelle Nationalarmee aktiv. Das syrische Regime versucht mit russischer Hilfe seit Monaten, die letzten Reste des Landes zu übernehmen – allerdings verläuft die Rückeroberung schleppend. Immer wieder werden Luftangriffe geflogen, tausende Menschen sind bereits auf der Flucht. Der Blutzoll ist enorm: Seit Beginn der Offensive im April sind mehr als 4600 Menschen getötet worden, darunter mehr als 1200 Zivilisten. Seit 2011 starben in dem Konflikt mehr als 400.000 Menschen. Rund zwölf Millionen Syrer wurden vertrieben.

    Vereinte Nationen sehen wachsende Not in Syrien

    Während die Kämpfe immer wieder aufflammen, ist der politische Prozess zäh. Die Verhandlungen über eine neue Verfassung haben bislang keine Fortschritte erzielt – schon über die Tagesordnung eskalierte der Streit bisweilen so sehr, dass ein Treffen in der Schweiz abgesagt wurde. Das Gremium besteht aus jeweils 50 Vertretern der Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft.

    Auch wirtschaftlich bleibt die Lage in Syrien prekär. Einer Analyse der britischen Denkfabrik Chatham House zufolge ist die syrische Währung heute 13 Mal weniger wert als noch zu Beginn des Bürgerkrieges. Im Jahr 2011 entsprach ein Euro etwa 65 Pfund, heute sind es mehr als 560 Syrische Pfund. Durch den Verfall der nationalen Währung stiegen die Preise dramatisch an. Vier von fünf Syrern leben nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef unter der Armutsgrenze. Auch der am Mittwoch veröffentlichte Jahresbericht der Vereinten Nationen macht auf die wachsenden Not aufmerksam. 6,5 Millionen Menschen in dem Land seien akut von Hunger bedroht und auf Hilfe angewiesen.

    Ende 2018 lebten 745.645 Syrer in Deutschland, darunter 551.830 Schutzsuchende, von denen rund 95 Prozent bereits anerkannt wurden. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres stellten 33.230 Menschen aus Syrien hierzulande erstmalig einen Asylantrag.

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