Die Unesco-Generaldirektorin Irina Bokowa ist fassungslos: "Die Nachrichten aus Aleppo sind zutiefst erschreckend." 500 Geschäfte sollen den Flammen des Großbrandes im historischen Basar von Aleppo zum Opfer gefallen sein. Das berichtet zumindest die regimetreue syrische Tageszeitung Al-Watan. Das Blatt gab den bewaffneten Regimegegnern die Schuld an dem Brand. Das Feuer hatte in der Nacht zum Samstag große Teile des überdachten mittelalterlichen Basarviertels (Souk al-Madina) erfasst.
Das größte historische überdachte Marktviertel der Welt ist Weltkulturerbe und war immer eine gut besuchte Touristenattraktion. Die Gassen des Basars sind mehr als 13 Kilometer lang. Laut Al-Watan haben Bewaffnete "diesen einzigartigen historischen Ort besetzt, um von dort aus die Soldaten der Arabischen Syrischen Armee anzugreifen". Die Opposition hatte zuvor erklärt, die Regierungstruppen hätten das Basarviertel nicht nur angegriffen, um die Revolutionstruppen zu vertreiben. Ziel sei es auch gewesen, "sich an den Händlern zu rächen, die den Kämpfern Unterschlupf geboten hatten".
Unesco will Expertenteam schicken
Bokowa ruft indes "alle Beteiligten auf, ihr Möglichstes zu tun, um diese Denkmäler der Menschheitsgeschichte zu verschonen". Sobald es die Sicherheitslage zulässt, will die Unesco ein Expertenteam nach Syrien schicken, um die Lage zu bewerten und erste Hilfe für das zerstörte Welterbe zu leisten. Er ist bereits die fünfte von sechs Weltkulturerbe-Stätten in Syrien, die vom Bürgerkrieg erfasst wurden. In Syrien gibt es sechs historische Stätten, die zum Weltkulturerbe gehören.
Zehn Fakten zu Syrien
Syrien heißt amtlich "Arabische Republik Syrien".
Syrien liegt in Vorderasien und grenzt an Israel, Jordanien, den Libanon, die Türkei und an den Irak.
Syrien ist 185.180 Quadratkilometer groß und hat etwa 21 Millionen Einwohner.
Die Staatsform wird im diktatorisch regierten Land mit "Volksrepublik" angegeben.
Die Amtssprache des Landes ist Arabisch.
Die Währung ist die Syrische Lira.
Am 17. April 1946 wurde das Land unabhängig von Frankreich.
Das Kfz-Kennzeichen lautet SYR, die Internet-TLD .sy. Die internationale Telefonvorwahl ist die +963.
Die größten Städte Syriens sind Aleppo, Damaskus, Homs, Hama und Latakia.
Staatsoberhaupt seit dem 17. Juli 2000 ist Baschar al-Assad.
Schäden haben auch Palmyra erlitten, Apamea, der Crac des Chevaliers und einige Viertel des alten Damaskus. Das Kulturerbe in Syrien zeuge von der Tausende Jahre alten Geschichte des Landes und werde in der ganzen Welt geschätzt und bewundert, erklärte die Generaldirektorin. Die Altstadt von Aleppo war 1986 von der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) zum Weltkulturerbe erklärt worden. Sie gilt unter anderem als einmaliges Zeugnis seltener arabischer Architekturstile und der Bedeutung der Stadt als jahrtausendalter kultureller Knotenpunkt.
Die Regierungsgegner hatten am Donnerstag eine Offensive gestartet, um Aleppo unter ihre Kontrolle zu bringen. In der Nacht zum Sonntag lieferten sich Rebellen und Soldaten in der gesamten Provinz heftige Kämpfe, hauptsächlich am Militärflughafen al-Nairab. Die Gefechte hielten am Sonntag weiter an. Die Armee beschoss der Beobachtungsstelle zufolge erneut mehrere Stadtteile von Aleppo.
Armee startete Offensive in Damaskus
In der Hauptstadt Damaskus startete die Armee derweil eine Offensive im östlichen Sektor Ghuta. "Die Armee will sich rächen, und vor allem die Zivilisten zahlen den Preis dafür", sagte der in Damaskus lebende Journalist Matar Ismail. Die Regierungstruppen exekutierten demnach zahlreiche Menschen. Ghuta und Umgebung gelten als eine Hochburg der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA).
Bombardements gab es laut der Beobachtungsstelle auch in den Provinzen Daraa im Süden, Homs und Hama im Zentrum sowie in Idlib im Nordwesten Syriens. In der östlichen Provinz Deir Essor seien bei einem Luftangriff vier Menschen getötet worden. In dem seit 18 Monaten andauernden Konflikt starben nach Angaben der Opposition bereits mehr als 30.000 Menschen.
In der Stadt Kamischli im Kurdengebiet im Norden Syriens wurde am Sonntag ein Selbstmordanschlag verübt, bei dem laut Staatsfernsehen mindestens vier Menschen getötet und mehrere weitere verletzt wurden. Der Chef der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, sagte AFP, es handele sich um das erste derartige Attentat in dieser Stadt. Der Anschlag habe sich gegen eine Kaserne der Regierungstruppen gerichtet.
Erdogan fordert China und Iran zum Umdenken auf
Der türkische Ministerpräsident Erdogan forderte auf dem Parteitag seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) Russland, China und den Iran auf, "ihre derzeitige Haltung zu überdenken". "Die Geschichte wird denjenigen nicht verzeihen, die sich an die Seite dieser brutalen Führungen gestellt haben", sagte er in Ankara. Die drei Staaten gelten als Verbündete von Präsident Baschar al-Assad. Moskau und Peking blockierten bereits mehrfach scharfe Resolutionen gegen ihn.
Unterdessen traf der Vertreter des Syrien-Sondergesandten Lakhdar Brahimi in Damaskus, Mochtar Lamani, in der Provinz Homs einen Rebellenführer und weitere Mitglieder der Freien Syrischen Armee. Ein Verantwortlicher der UNO sagte AFP, Lamani sei auch mit dem Provinzgouverneur sowie Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und des Syrischen Roten Halbmondes zusammengetroffen. AZ/afp/dpa