Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Donald Trump Präsident der USA wird? Und was würde das für Folgen haben? Wir haben mit dem emeritierten Professor der Universität Augsburg und Nordamerika-Experten Rainer-Olaf Schultze gesprochen.
Wie erklärt sich der Erfolg von Donald Trump?
Rainer-Olaf Schultze: Der Erfolg beruht im Wesentlichen darauf, dass es eine große Verunsicherung gegenüber dem politischen System und den dort handelnden Akteuren gibt. Es gibt in beiden Parteien einen Anti-Establishment-Kandidaten - das ist Sanders bei den Demokraten und Trump bei den Republikanern.
Schätzungsweise bis zu 60 Prozent der amerikanischen Wähler, die sich an den Vorwahlen beteiligen, wählen einen Anti-Establishment-Kandidaten. Das hat etwas mit kultureller Verunsicherung zu tun und sozialen Abstiegsängsten – auch bei der Mittelklasse. In den USA geht die Schere zwischen arm und reich stärker als bei uns auseinander.
Nun sind deutsche und amerikanische Gesellschaft schwer miteinander zu vergleichen. Auch nicht das politische System. Wie kommt es, dass Trump in Deutschland als Clown oder Witzfigur gesehen – und in USA von vielen Menschen gewählt wird?
Schultze: Ich wäre da vorsichtig. Das ist eine typisch deutsche Sichtweise auf den Politikprozess in den USA. Ihn als Clown zu bezeichnen, das ist schon eine sehr merkwürdige Charakterisierung. Der Mann ist mit seinen Immobilien einer der reichsten Finanztycoons der Welt. Mit denen hat er viel Geld und Macht angehäuft.
Das ist das Eine. Das Zweite ist: Der amerikanische politische Prozess ist viel stärker personalisiert, als wir uns das hier vorstellen können. Die Wahlkämpfe werden auf eine andere Art in der Rhetorik, auch in der Substanz, geführt. Und dann kommt so ein Urteil zustande, das ich so nicht akzeptieren würde als Politikwissenschaftler. Trump mag skurril sein und extreme Positionen holzschnittartig vertreten. Aber das ist schon sehr real, was der Mann macht. Im Sinne seiner eigenen Agenda: Ich will Präsident der USA werden.
Dafür wählt Trump sehr „ambitionierte“ Ziele: Er will eine Mauer zu Mexiko aufbauen und die Arbeitslosigkeit drastisch senken.
Schultze: Da ist sehr viel Wahlkampfgetöse dabei. Insbesondere US-amerikanische Wahlkämpfe hantieren holzschnittartig. Wenn er Präsident der Vereinigten Staaten würde, würde er erstmal mit einem Kongress und einer öffentlichen Meinung konfrontiert, die das nicht akzeptieren würde. Er würde vielleicht die ohnehin schon vorhandenen Schutzmaßnahmen an der US-amerikanischen Grenze etwas stärker akzentuieren und etwas ausbauen. Aber eine Mauer würde er nicht so ohne Weiteres hinstellen können.
Wie hoch sind denn nun Trumps Chancen auf eine Präsidentschaft?
Schultze: Wir haben den Super Tuesday erlebt. Es gibt zwar einen Trend, aber man sollte das nicht überbetonen. Denn es fehlen noch viele, viele Wahlmännerstimmen. Es fehlen eine große Reihe von Staaten im Nordosten, die sehr bevölkerungsstark sind: Da sind New York, Ohio, Illinois. Im Süden fehlt Florida noch, im Westen fehlt unter anderem noch Kalifornien. Entschieden ist weder etwas bei der demokratischen Vorwahl zwischen Clinton und Sanders, noch bei den Republikanern.
---Trennung _Für Clinton kann es schwierig werden_ Trennung---
Angenommen, es kommt zum Wahlkampf zwischen Clinton und Trump. Wie sähe dieser aus?
Schultze: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es eine offene Auseinandersetzung geben wird zwischen Clinton und Trump. Sie wird sehr spannend. Und sie wird knapp ausgehen. Denn Frau Clinton gewinnt im Moment ihre Vorwahlen gegenüber Herrn Sanders genau in den Staaten, wo bei der Präsidentenwahl in der Regel der republikanische Kandidat gewinnt. Und ob der Kandidat Trump die Wähler in großer Zahl veranlaßt, im November nicht wählen oder demokratisch wählen zu gehen? Das lasse ich mal dahingestellt.
Welche Bedeutung hatte dann dieser Super Tuesday?
Schultze: Es wird eine beachtliche Zahl an Wahlmännern vergeben. Für zwölf Staaten an einem Tag. Das gibt ein extrem hohes Medieninteresse. Und Trump wird als Sieger gefeiert. Das führt dazu, dass er mehr Spenden für den Wahlkampf bekommt und mehr über ihn berichtet wird. Entschieden ist aber noch nichts.
Wir haben viel über Trump geredet. Auch Clinton zählt mit Siegen in sieben Staaten zu einer Gewinnerin des Super Tuesday.
Schultze: Ihre Wählerschaft wird im Augenblick im Wesentlichen von Afroamerikanern, sogenannten Latinos und in Ansätzen von den Frauen getragen. Clinton hat hohe Defizite bei den Jungwählern. Da ist Sanders stärker. Und vor allem auch bei Wählern der unteren Mittelschicht und der klassischen Arbeitnehmerschaft, die Angst vor Abstieg und Armut haben. Wenn Clinton diese Wählerschaften nicht gewinnen kann, wird es sehr, sehr schwierig für sie. Dann hat sie vielleicht die Vorwahlen gewonnen, aber die Wahlen um die Präsidentschaft im November noch längst nicht.
Zurück zu Trump. Was verändert er die Beziehungen zu Europa?
Schultze: Das ist offenkundig: Donald Trump wird die Beziehungen verändern. Er betreibt in diesem Wahlkampf eine America-first-Politik. Das sieht man daran, dass er amerikanische Unternehmen, die im Ausland investieren und Arbeitskräfte ins Ausland verlagern wollen, an die Kandare nehmen will. Wie auch immer er sich das vorstellt. Oder dass er diese Mauer gegen Mexiko errichten will. Dass er zeitweilig keine Muslime ins Land lassen will.
Die reale Welt sieht natürlich anders aus, um das salopp zu formulieren. Er kann beispielsweise natürlich eine offensive, gegen die Chinesen gerichtete Außenpolitik versuchen, aber er muss dabei natürlich in Rechnung stellen, dass ein Großteil der amerikanischen Staatspapiere mittlerweile von der chinesischen Staatsbank gehalten wird.
Wie könnte sich die amerikanische Politik mit Trump als Präsidenten verändern?
Schultze: Sollte er Präsident werden, dann ist die Interventionsskepsis, die die US-amerikanische Außenpolitik der letzten Jahre gekennzeichnet hat, und die sich wahrscheinlich fortsetzen würde unter Clinton, wohl erstmal Vergangenheit. Ob Trump seiner Wahlkampf-Rhetorik folgt und militärische Abenteuer unternimmt, ist eine andere Frage. Aber er wird natürlich versuchen, wieder stärker international Gewicht zu erlangen.
Eine ganz andere Befürchtung, selbst bei den Republikanern, ist, dass er genau das Gegenteil von dem macht, was er jetzt im Wahlkampf sagt. Er gilt vielen als wetterwendisch und hat in den vergangenen Jahren oft genau das Gegenteil von dem vertreten, was er im Moment sagt. Er ist wenig berechenbar, weil er eben kein etablierter Politiker ist - er ist ein Außenseiter, genauso wie der Sanders: Und Außenseiter sind in der Lage, Unzufriedenheit besser und deutlicher zu artikulieren als jemand, der seit vielen, vielen Jahren im Geschäft ist, eingebunden ist und Rücksicht nehmen muss. Aber man weiß natürlich nicht, wie es ist, wenn so jemand tatsächlich mit politischer Macht betraut sein sollte, wie er dann reagiert, wenn es hart auf hart kommt, und es nicht nur Wahlkampf-Rhetorik ist.