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Suche nach dem neuen Bundespräsidenten: Gauck-Frage stürzt Koalition in tiefe Krise

Suche nach dem neuen Bundespräsidenten

Gauck-Frage stürzt Koalition in tiefe Krise

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    In der Gunst der Bürger liegt Joachim Gauck klar vorne.
    In der Gunst der Bürger liegt Joachim Gauck klar vorne. Foto: dpa

    Die schwarz-gelbe Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist durch den Streit um den künftigen Bundespräsidenten in die tiefste Krise seit ihrem Bestehen gestürzt. Die Koalition sei ernsthaft in Gefahr, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Berlin am Sonntagabend aus Kreisen der Union und der FDP. Merkel habe innerhalb der Unionsspitze deutlich gemacht, dass sie den rot-grünen Favoriten Joachim Gauck keinesfalls unterstützen wolle. Die FDP-Spitze will nach dpa-Informationen aber nicht nachgeben und an Gauck festhalten.

    CDU lehnt Gauck als Bundespräsident ab

    Die CDU-Spitze lehnt den ehemaligen  DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck als Kandidaten für das Amt des  Bundespräsidenten ab. Dies verlautete am Sonntag in Berlin aus  Teilnehmerkreisen der Gespräche über die Nachfolge des  zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff. Der 72-jährige  Gauck war der Favorit von SPD und Grünen und hatte auch aus der FDP  Zuspruch erhalten. Der parteilose Theologe war

    Die Gespräche zwischen Union und FDP im Kanzleramt dauerten am  Nachmittag an. Die CDU setzt bei der Suche nach einem Kandidaten  für das Amt des Bundespräsidenten weiter auf einen  "parteiübergreifenden Konsens". Das verlautete aus CDU-Kreisen nach  einer Telefonkonferenz des Präsidiums am Sonntagnachmittag. Ziel  sei es eigentlich weiterhin, noch am Sonntag auf die Opposition  zugehen zu können. Ob das gelingen könne, sei aber unklar.

    FDP erwärmt sich für Gauck

    Die FDP jedoch hatte am Sonntagnachmittag  in den Verhandlungen über einen neuen Bundespräsidenten eine Tür für den SPD-Favoriten Gauck geöffnet. Die FDP-Spitze sprach sich einstimmig für Gauck aus. Parteichef Philipp Rösler und Fraktionschef Rainer Brüderle würden mit diesem Vorschlag zurück in die Verhandlungen mit der Union gehen. Die von CDU und CSU vorgeschlagenen Kandidaten - der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber und der CDU-Politiker Klaus Töpfer - wurden im FDP-Präsidium abgelehnt. Brüderle sagte in einem am Sonntag vor dem Spitzentreffen der Koalition aufgezeichneten Interview für den ARD-"Bericht aus Berlin": "Das ist ohne Frage ein respektabler und anzuerkennender Kandidat, und wir sind im Dialog, ob beim Schluss die Entscheidung in diese Richtung geht oder in eine andere." Der 2010 bei der Bundespräsidentenwahl gegen Christian Wulff unterlegene Gauck hat bei den Liberalen viele Anhänger.

    Gauck: "Rufen Sie doch Frau Merkel an"

    Der mögliche Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, schweigt weiterhin zu seinen Ambitionen. "Rufen Sie doch Frau Merkel an", antwortete Gauck lachend am Sonntagvormittag vor einem Podiumsgespräch in Wien auf die Frage von Journalisten. "Ich habe doch zu diesem Thema die ganze Zeit nichts gesagt. Deshalb warte ich mal bis morgen oder übermorgen. Schau'n wir mal."

    Joachim Gauck weiterhin Favorit der Sozialdemokraten

    Der frühere DDR-Bürgerrechtler war im Juni 2010 gegen den inzwischen zurückgetretenen Amtsinhaber Christian Wulff angetreten und im dritten Wahlgang unterlegen. Die SPD bezeichnet den langjährigen Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde weiterhin als ihren "Favoriten" für das Präsidentenamt.

    Auf die Frage, ob die Anforderungen an einen künftigen Bundespräsidenten inzwischen ins Unermessliche gestiegen seien, antwortete der 72-Jährige: "Nein, wenn wir so eine Mischung aus Engel oder Königin erwarten würden, das wäre ja peinlich. Wir sind eine Demokratie und aus unserer Mitte kommen die Menschen, die wir für die besonderen Ämter bestimmen. Sie sind wie sie sind."

    Mehrheit der Deutschen für Gauck

    Dürfen die Wähler selbst über den neuen Bundespräsidenten entscheiden, wäre ein Sieg Gaucks relativ sicher: In einer Forsa-Umfrage für RTL-Aktuell sagten 46 Prozent der Befragten, sie hielten Gauck für geeignet. Beim ARD-Deutschlandtrend waren es am Freitag 43 Prozent. In der aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid, die in der "Bild am Sonntag" veröffentlicht wurde, sprechen sich sogar 54 Prozent der Befragten für Joachim Gauck aus. An zweiter Stelle folgen mit jeweils 34 Prozent Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sowie SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) sowie der derzeitige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) belegen die Plätze vier bis sechs.

    Unabhängig von der Person wünschen sich laut Emnid-Umfrage 79 Prozent der Befragten einen Präsidentschaftskandidaten von außerhalb des Politikbetriebes. Lediglich 16 Prozent gaben an, der Kandidat solle ein ausgewiesener Parteipolitiker sein.

    Huber, Roth und Töpfer auf der Namensliste?

    Im Bundeskanzleramt kamen indes am Sonntag erneut die Partei- und Fraktionschefs von CDU, CDU und FDP zusammen, um eine Namensliste durchzugehen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur standen darauf unter anderem Wolfgang Huber, der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, sowie Petra Roth (CDU), langjährige Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main. Auch der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) wurde als Kandidat gehandelt.

    Huber stieß aber offenbar bei FDP und Grünen auf starke Vorbehalte. Aus Grünen-Kreisen hieß es, Huber habe sich zum Beispiel deutlich gegen einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen. Die Liberalen lehnen auch Roth ab, weil ihre Wahl ein zu starkes Signal für Schwarz-Grün im Bund wäre. Die 67-Jährige regiert seit 2006 in Frankfurt ein Bündnis mit den Grünen.

    AZ/dpa

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