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Studie zur Euro-Krise: Deutschland und seine Kanzlerin behaupten ihre starke Stellung

Studie zur Euro-Krise

Deutschland und seine Kanzlerin behaupten ihre starke Stellung

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    Trotz der EU-Krise bleibt Angela Merkel die mit Abstand populärste Politikerin in Europa. Verlierer sind Frankreich und die EU.
    Trotz der EU-Krise bleibt Angela Merkel die mit Abstand populärste Politikerin in Europa. Verlierer sind Frankreich und die EU. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Als gäbe es keine Krise: 75 Prozent der Deutschen sind mit der wirtschaftlichen Entwicklung zufrieden, 66 Prozent wollen den Euro behalten, 74 Prozent attestieren Kanzlerin Angela Merkel einen guten Job. Dieses positive Meinungsbild haben Forscher der amerikanischen „Denkfabrik“ PewResearch im März erhoben. Aber rund um Deutschland herum fanden sie Verlierer: Frankreich – und vor allem die Institution der Europäischen Union.

    Mahr als 60 Prozent der Deutschen wollen den Euro behalten

    „Der neue kranke Mann Europas ist die EU“, spitzen die Forscher in ihrer Auswertung der Meinungsumfragen in acht Ländern zu. Seit den späten 90er Jahren hatten nacheinander Deutschland (vor der Agenda 2010 der Regierung Schröder), Italien, Portugal, Griechenland und Frankreich die rote Laterne getragen. Jetzt also Brüssel.

    Die Zustimmung zur EU sank binnen eines Jahres in den untersuchten Ländern von 60 auf 45 Prozent, heißt es in der im Internet veröffentlichten Studie. Die ohnehin nicht stark ausgeprägte Überzeugung, die europäische Integration fördere die Wirtschaftskraft, schrumpfte im Schnitt von 34 auf 28 Prozent. In Frankreich, Italien und Spanien brach die Zustimmung zu dieser These sogar erdrutschartig weg.

    Anders sieht es mit dem Euro aus. Die Forscher von PewResearch vermelden als „gute Nachricht“, dass in Griechenland, Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich jeweils mehr als 60 Prozent der Bürger die Gemeinschaftswährung behalten wollen. Und in Italien und Spanien seien die Zustimmungswerte seit letztem Jahr immerhin gestiegen.

    Frankreich bewegt sich immer mehr auf die Krisenländer Südeuropas zu

    Frankreich bewegt sich nach den Erkenntnissen der US-Forscher immer mehr auf die Krisenländer Südeuropas zu und entfernt sich damit von Deutschland. So sind die Ängste vor Inflation und Arbeitslosigkeit dort ähnlich stark ausgeprägt wie in Spanien, Italien und Griechenland. Weniger Vertrauen in die EU als die Franzosen haben inzwischen nur noch die Italiener und Spanier.

    Die 17 Euro-Länder im Vergleich

    Österreich: Laut Prognosen steigt die österreichische Staatsverschuldung 2011 auf 73,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, seit 2008 im Amt, steht in der Kritik. Allerdings nicht so sehr wegen der Schuldenkrise, sondern wegen Korruptions- und Untreuevorwürfen.

    Spanien: Mit einer Gesamtverschuldung von voraussichtlich 68,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes scheitert auch Spanien an den Maastricht-Kriterien. Der sozialistische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero scheiterte an der Schuldenkrise. Er wird durch den konservativen Mariano Rajoy ersetzt.

    Zypern: Mit einer Schuldenquote von 62,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes scheitert das kleine Land nur knapp an der Maastricht-Hürde von 60 Prozent. Dimitris Christofias ist seit 2008 Staatsoberhaupt und Regierungschef der Inselrepublik, die im Jahr 2004 Mitglied der Europäischen Union wurde.

    Slowenien: Auf 42,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden sich die slowenischen Schulden 2011 voraussichtlich belaufen. Damit bleibt das Land im vom Maastricht-Vetrag vorgegebenen Rahmen. Bei den Wahlen im Dezember 2011 dürfte der sozialdemokratische Regierungschef Borut Pahor dennoch sein Amt verlieren.

    Slowakei: Die Slowakei gehört mit prognostizierten 44,8 Prozent Verschuldungsquote auch 2011 zu den stabileren Euro-Staaten. Ministerpräsidentin Iveta Radicová kündigte im Oktober vorgezogene Neuwahlen an. Nur unter dieser Bedingung wollte die Opposition der Ausweitung des Euro-Rettungsschirms zustimmen.

    Portugal: Portugal ist mit geschätzten 101,7 Prozent Staatsverschuldung einer der Wackelkandidaten unter den Euro-Ländern. Pedro Passos Coelho ist seit Juni 2011 Premierminister. Er folgte auf José Sócrates, der im März nach einer gescheiterten Abstimmung über das Sparpaket seiner Regierung zurückgetreten war.

    Niederlande: Die Verbindlichkeiten wachsen bis zum Ende dieses Jahres voraussichtlich auf 63,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Aus den vorgezogenen Neuwahlen Ende 2010 ging der Liberale Mark Rutte als Sieger hervor. Seine Regierung wird vom Rechtspopulisten Geert Wilders toleriert.

    Malta: Der Inselstaat im Mittelmeer wird seine Schulden im laufenden Jahr nach bisherigen Prognosen bei 68 Prozent des Bruttoinlandsproduktes halten. Bereits seit mehr als sieben Jahren ist Lawrence Gonzi Regierungschef Maltas. Unter seiner Führung trat das Land im Mai 2004 der Europäischen Union bei.

    Luxemburg: Mit einer Gesamtverschuldung von etwa 17,2 Prozent der Wirtschaftsleistung in 2011 ist Luxemburg eines von nur fünf Ländern, die die Kriterien des Maastricht-Vertrages einhalten. Auch politisch ist das kleine Land ein Hort der Stabilität. Jean-Claude Juncker ist bereits seit 1995 Premierminister.

    Italien: Seit Monaten wird über Rettungsgelder für Italien spekuliert. Die Staatsschulden steigen 2011 auf geschätzte 120,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nach langem Tauziehen trat Ministerpräsident Silvio Berlusconi zurück. Nachfolger Mario Monti bildete eine Übergangsregierung.

    Irland: Irland hatte als erstes Land Rettungsgelder in Anspruch genommen. Die Staatsschulden steigen in diesem Jahr auf schätzungsweise 112 Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt). Regierungschef Brian Cowen stürzte über die Schuldenkrise. Seit März 2011 ist Enda Kenny irischer Ministerpräsident.

    Griechenland: Mit einer dramatischen Schuldenquote von 157,7 Prozent der Wirtschaftsleistung bringt Griechenland die Euro-Zone in die größten Schwierigkeiten. Seit November 2011 ist Lucas Papademos Regierungschef. Er löste Giorgos Papandreou ab, der wegen seines harten Sparkurses massiv unter Druck geraten war.

    Frankreich: Die französische Staatsverschuldung steigt weiter. In 2011 wird ein Wert von 84,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwartet. Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat in der Krise an Rückhalt verloren. Bei den Wahlen 2012 droht ihm der Machtverlust.

    Finnland: Auf 50,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes schätzt die europäische Statistikbehörde Eurostat die finnische Staatsverschuldung in 2011. Der konservative Ex-Finanzminister Jyrki Katainen ist seit Juni 2011 Ministerpräsident. Er löste Mari Johanna Kiviniemi nach nur einem Jahr im Amt ab.

    Estland: Estland ist der Musterschüler unter den Euro-Ländern. Die Staatsschulden fallen 2011 voraussichtlich auf 6,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der diplomierte Chemiker Andrus Ansip lenkt seit 2005 als Premierminister die Geschicke des nordeuropäischen Staates, der 2004 der EU beitrat.

    Deutschland: Deutschland gilt als Stabilitätsgarant in Europa. Mit einer Schuldenquote von 82,4 Prozent der Wirtschaftsleistung verstößt aber auch die Bundesrepublik gegen die Stabilitätskriterien. Angela Merkel (CDU) ist seit 2005 Bundeskanzlerin. Ihre Koalition hat seit der letzten Wahl deutlich an Zuspruch verloren.

    Belgien: Mit prognostizierten 97 Prozent Staatsschulden in Relation zur Wirtschaftsleistung gehört Belgien zu den Sorgenkindern. Seit Juni 2010 gibt es in Brüssel keine gewählte Regierung – ein unrühmlicher Weltrekord. Die Hoffnungen, dass sich daran bald etwas ändert, erhielten im November 2011 einen empfindlichen Dämpfer.

    Ähnlich wie in den Südländern kommt auch in Frankreich die eigene Regierung beim Volk schlecht weg. 67 Prozent der Franzosen sind laut der aktuellen Umfrage davon überzeugt, dass ihr Präsident François Hollande in der Euro- und Wirtschaftskrise einen miserablen Job macht. Er wird damit übrigens erheblich schlechter bewertet als sein Vorgänger Nicolas Sarkozy vor Jahresfrist.

    Ganz anders steht Bundeskanzlerin Angela Merkel da. Sie hat nicht nur hohe Zustimmungswerte im eigenen Land, sondern gilt auch mit weitem Abstand als Europas populärste Politikerin. Nur in Griechenland (88 Prozent), Spanien (57 Prozent) und Italien (50 Prozent) wird sie mehrheitlich abgelehnt.

    Trotz Eu-Krise hat Deutschland in Europa offenbar nicht an Respekt verloren

    Entgegen der weitverbreiteten Kritik in den Medien an dem von der Bundesregierung vertretenen Sparkurs zeigen die Bürger Europas erstaunlich viel Einsicht. In fünf der acht untersuchten Länder sieht es eine deutliche Mehrheit als richtig an, zur Lösung der ökonomischen Probleme die Staatsausgaben zu kürzen – und nicht, mehr Geld auszugeben. Das Verhalten der Deutschen in der Krise ist offenbar viel vernünftiger als gemeinhin angenommen.

    „Die Untersuchung widerlegt die gängigen Vorurteile über die Deutschen: Dass sie panische Angst vor Inflation und Schulden hätten und nicht bereit seien, ihren Nachbarn zu helfen“, schreiben die US-Forscher. So sähen die Deutschen die Inflation keineswegs als ganz großes Problem an. Schulden machten ihnen zwar Sorgen, aber noch mehr bewege sie die soziale (Un-)Gerechtigkeit. Und unter den reichen Nationen seien sie am ehesten bereit, EU-Partnern in Not Finanzhilfen zu gewähren.

    Trotz des Streits um die Krisenbewältigung hat die Bundesrepublik in Europa offenbar nicht an Respekt verloren – wird aber andererseits auch nicht geliebt. In sieben der acht Länder gelten die Deutschen als „am vertrauenswürdigsten“ – außer bei den Griechen, die den Deutschen am wenigsten vertrauen. Auf der anderen Seite bezeichnen alle befragten Süd- und Ostländer die Deutschen als arrogant und wenig mitfühlend. Die Bundesbürger denken von sich selbst indes, sie seien „am wenigsten arrogant“ und „am meisten mitfühlend“ – stehen mit dieser Ansicht aber alleine da.

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