Berlin Die Mitglieder des Vorstandes der CDU/CSU-Bundestagsfraktion staunten nicht schlecht. Ausgerechnet Thomas de Maizière, bislang nicht als Mann markiger Worte und vernichtender Urteile bekannt, redete sich in der letzten Sitzung beinahe in Rage. „Die Bundeswehr“, so zitierten ihn hinterher Augen- und Ohrenzeugen, „ist gegenwärtig nicht zu führen – auch nicht von mir.“ Das Verteidigungsministerium mit derzeit rund 3500 Beamten und Offizieren an den beiden Standorten Bonn und Berlin sei viel zu groß und ineffektiv, es gebe viel zu viele große Stäbe, die nur die Aufgabe hätten, andere große Stäbe zu kontrollieren, die Soldaten in der Truppe würden an der Bürokratie ersticken.
Einmal in Fahrt, legte de Maizière so richtig los, von einem „denkwürdigen Auftritt“ war hinterher in Unionskreisen die Rede. Es gebe nichts zu beschönigen, so der neue Verteidigungsminister, die Bundeswehr sei seit Langem unterfinanziert und mit dem vorhandenen Personal nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen. Zudem seien nicht, wie es offiziell immer heiße, 250000 Soldatinnen und Soldaten im Dienst, sondern 29000 weniger, und von den 221000 tatsächlich vorhandenen Soldaten könne man bei rund 40000 nicht sagen, wofür sie eigentlich eingeplant seien. Das Ziel, 15000 Freiwillige pro Jahr anzuwerben, sei angesichts des Fachkräftemangels auf dem freien Arbeitsmarkt nicht zu erreichen.
Natürlich drangen die Worte de Maizières, wie in Berlin üblich, an die Öffentlichkeit – und der Minister dementierte seine Äußerungen nicht. Nur eines wollte er klarstellen, ließ er am Montag über seinen Sprecher ausrichten, es habe sich hierbei nicht um eine persönliche „Abrechnung“ mit seinem Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg gehandelt, der am 1. März von seinem Amt zurückgetreten war, sondern um eine „Anfangsbilanz“, eine „schonungslose Bestandsaufnahme“ der Zustände in seinem Ministerium und in der Armee. Er habe in der Truppe das vorgefunden, was auch Guttenberg bei seinem Amtsantritt vorgefunden habe.
Ausdrücklich nahm Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag den Vorgänger de Maizières in Schutz. Es sei und bleibe der Verdienst Guttenbergs, die grundsätzliche Entscheidung zum Umbau der Streitkräfte angestoßen zu haben. Guttenberg habe auch viele davon überzeugt, dass diese Reform dringend notwendig sei.
Am morgigen Mittwoch wird de Maizière die Grundzüge seiner Strukturreform vorlegen, die Einzelheiten, unter anderem die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Standorte, sollen im Herbst folgen. Nach bislang nicht bestätigten, sich aber verdichtenden Gerüchten kann der Verteidigungsminister damit rechnen, dass der Wehretat dadurch entlastet wird, dass die Pensionslasten für die Soldaten und die zivilen Angestellten wie die Kosten für die Auslandseinsätze aus seinem Ressort ausgegliedert werden.