Der Gasstreit im östlichen Mittelmeer flammt wieder auf. Erst vor einer Woche hatte die Türkei auf Initiative von Kanzlerin Angela Merkel ihre Erdgas-Explorationen in der griechischen Wirtschaftszone ausgesetzt. Jetzt ist es schon wieder vorbei mit der Entspannung: Staatschef Recep Tayyip Erdogan schickt ein Forschungsschiff in die Wirtschaftszone des EU-Staates Zypern. Die „Barbaros Hayreddin Pasa“ sucht vor der Südküste nach Erdgas.
Es geht um Wirtschaftszonen und Bodenschätze
Noch am vorigen Montag hatte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin angekündigt, auf Weisung des Staatschefs werde die Türkei ihre Erdgas-Erkundungen vor der griechischen Insel Kastelorizo „für eine Weile auf Eis legen“. Die USA und die Europäische Union hatten zuvor die Pläne als völkerrechtswidrig verurteilt, Brüssel bereitete Sanktionen vor. Auf dem Höhepunkt der Krise ließen Griechenland und die Türkei Dutzende Kriegsschiffe auffahren. Bundeskanzlerin Angela Merkel gelang es, den Konflikt zu entschärfen und Erdogan zum Einlenken zu bewegen. Merkel will versuchen, die Türkei und Griechenland an den Verhandlungstisch zu bringen, um ihren jahrzehntealten Streit um Wirtschaftszonen und Bodenschätze friedlich beizulegen.
Jetzt kreuzt ein anderes Erkundungsschiff bei Zypern
Jetzt muss sich die Kanzlerin düpiert vorkommen. Das türkische Forschungsschiff „Oruc Reis“, das vor Kastelorizo nach Gas suchen sollte, liegt zwar weiterhin bei Antalya vor Anker. Dafür schickte Erdogan die „Barbaros Hayreddin Pasa“ vom türkischen Hafen Tasucu nach Zypern. Das für die Suche nach Öl und Erdgas ausgerüstete Forschungsschiff kreuzte – eskortiert von einem Versorgungsschiff und einer Fregatte der türkischen Marine – am Sonntag etwa 40 Seemeilen (72 Kilometer) südwestlich der Hafenstadt Larnaka, also innerhalb der Wirtschaftszone, die der Inselstaat unter Berufung auf die UN-Seerechtskonvention ausgewiesen hat. Die Regierung in Nikosia hat in diesem Seegebiet bereits Konzessionen zur Erdgassuche an den italienischen Mineralölkonzern Eni und die südkoreanische Kogas vergeben.
Staatspräsident Nikos Anastasiades forderte, die EU müsse „jetzt endlich eine klare Haltung einnehmen und die geeigneten Strafmaßnahmen gegen die Türkei verhängen“. Das US-Außenministerium erklärte, man sei „zutiefst besorgt“ angesichts der türkischen Gas-Explorationen vor Zypern. Solche „Provokationen“ führten zu neuen Spannungen in der Region. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten bezeichnete den Vorgang als „negative Entwicklung“, die „nicht hilfreich“ sei. Der griechische Außenminister Nikos Dendias sprach von einer „krassen Verletzung der Souveränitätsrechte eines EU-Mitgliedsstaats“.
Warum Zypern Hilfe von der EU fordert
Die Türkei macht der Inselrepublik Zypern seit Jahren ihre Bodenschätze streitig. Sie beruft sich auf ihre Rolle als Schutzmacht der Zyperntürken, die im türkisch besetzten Norden der Insel leben. Den EU-Staat Zypern und seine Wirtschaftszone erkennt die Türkei nicht an. Bereits seit Monaten sucht das Bohrschiff „Yavuz“ südwestlich der Insel nach Gas und Öl – in einem Gebiet, für das ebenfalls Eni eine Konzession hat. Im Februar 2018 drohten türkische Kriegsschiffe damit, das von Eni gecharterte Bohrschiff „Saipem 12000“ in der zyprischen Wirtschaftszone zu versenken. Die Italiener drehten daraufhin ab. Die Regierung in Nikosia hat der türkischen Aggression außer diplomatischen Protesten wenig entgegenzusetzen, da Zypern keine See- und Luftstreitkräfte besitzt.