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Straßenverkehr: Es ist höchste Zeit für ein Tempolimit

Straßenverkehr

Es ist höchste Zeit für ein Tempolimit

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    Tempolimit 130 - ein politischer Dauerbrenner mit eingebautem Aufregerpotenzial.
    Tempolimit 130 - ein politischer Dauerbrenner mit eingebautem Aufregerpotenzial. Foto: Patrick Seeger, dpa

    Wenn die in Deutschland seit Jahrzehnten ritualisierte und nun wieder neu aufgeführte Debatte zum Tempolimit dazu beiträgt, dass in diesen eher so mittelmäßig mitreißenden Wahlkampf mehr Geschwindigkeit kommt und dass weniger um ein lahmes Buch gestritten wird, dann bitteschön. Wenn dieses urdeutsche Scharmützel also mehr Bewegung hin zu mehr Sachthemen bringt, zu mehr Inhalt, dann bitte das Pedal durchdrücken.

    Deutschland braucht ein Tempolimit

    Ansonsten aber gilt mehr denn je: Ja, Deutschland braucht ein Tempolimit. Vielleicht muss es nicht bei 130 Stundenkilometern liegen, vielleicht kann es auch mal höher (150) oder niedriger (120) sein, aber grundsätzlich ist eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf einer Autobahn nicht weniger sinnvoll als in einer Spielstraße. Und da zweifelt ja auch niemand daran, dass Schrittgeschwindigkeit – den Kindern zuliebe – gelten sollte. Klar, die deutschen Autobahnen gehören zu den sichersten Routen des Landes. Die meisten Unfälle passieren anderswo. Die Zahl der dort tödlich Verunglückten ist unterdurchschnittlich. Andererseits sind etwa 70 Prozent des Autobahnnetzes nicht reguliert. Der nächste Raser, der Richtgeschwindigkeit eher als Angebot begreift und für den der Spaß ab 130 beginnt, kommt hier garantiert mit Lichthupe und links gesetztem Blinker. Wenn ein (über Leitsysteme gesetztes) Limit dazu beiträgt, dass noch weniger Menschen sterben, was spricht dann dagegen?

    2719 Menschen starben 2020 im Straßenverkehr

    Das statistische Bundesamt hat erst vergangene Woche die Unfallstatistik für das vergangene Lockdown-Jahr veröffentlicht. Bei rund 264.000 Unfällen wurden Menschen verletzt. 2719 Menschen starben. Das ist – pandemiebedingt – der niedrigste Stand seit 60 Jahren. Aber: Es sind immer noch viel zu viele: Und: 58,6 Prozent der Verkehrstoten verloren ihre Leben bei Unfällen auf Landstraßen, 11,7 Prozent auf Autobahnen. Einer der Gründe: die hohe Geschwindigkeit.

    Es spricht also durchaus etwas für ein Limit auf Autobahnen, und für dessen Absenkung auf Landstraßen. Deutschland würde sich übrigens nur an das anpassen, was europaweit üblich ist. Und wer schon mal länger in Frankreich unterwegs war, weiß, dass Innovationsfähigkeit und Wirtschaftskraft nicht wegen eines Tempolimits auf der Autobahn abnehmen. Aber auch in den Ortschaften und Städten gibt es gute Argumente für ein verschärfte Geschwindigkeitsobergrenze, wie die – übrigens zurecht– emotionale Debatte in Augsburg zeigt: Insgesamt ist (egal ob E-Motor oder Verbrenner) weniger Verkehr gut für den Lärmschutz, gut für die Gesundheit, gut für die Umwelt. Ein Tempolimit hat auch hier durchaus Einfluss.

    Tempolimits gehören im Straßenverkehr seit jeher dazu. Warum nicht auch auf Autobahnen?

    Wer meint, der Staat solle sich nicht in alles einmischen, hat oft recht. Im öffentlichen Leben aber, und das ist der Straßenverkehr, müssen Regeln gelten. Tempolimits gehörten seit jeher dazu. Warum also nicht endlich auf Autobahnen?

    Wenn sich im Wahlkampf nun Union und FDP gegen ein Limit und SPD, Grüne und Linke dafür positionieren, dann entspricht das tradierten Konfliktlinien und ist im Sinne des überfälligen Streits um Sachthemen gut so. Wie wollen wir leben? Wie die Klimawende, die Mobilität gestalten? Darum sollte es viel konkreter gehen.

    E-Mobilität und autonomes Fahren werden die Akzeptanz für ein Tempolimit erhöhen

    Interessant ist allerdings, was sich bei der Bevölkerung, und um die geht es doch bei Wahlen, längst verschoben hat. Laut ADAC ist eine Mehrheit inzwischen für ein Tempolimit. Und selbst die in Berlin bestens vernetzten Autokonzerne gehen in Zeiten der E-Wende mit dem Reizthema pragmatischer um. Wenn das autonome Fahren kommt, wird ein Limit die Akzeptanz dafür weiter steigern.

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