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Steuersparmodelle: Cum-Ex und Goldfinger: Warum kommen Steuer-Trickser so oft davon?

Steuersparmodelle

Cum-Ex und Goldfinger: Warum kommen Steuer-Trickser so oft davon?

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    Durch Cum-Ex-Geschäfte sind den Staaten Milliarden an Steuereinnahmen entgangen.
    Durch Cum-Ex-Geschäfte sind den Staaten Milliarden an Steuereinnahmen entgangen. Foto: Deutsche Bundesbank, dpa (Symbol)

    Die Zeit immer neuer Rekordsteuereinnahmen ist vorbei, Corona kostet den Staat Milliarden und schon werden die Rufe nach einer „Reichensteuer“ wieder lauter. Der Wunsch: Wer viel hat, soll mehr zum Allgemeinwohl beitragen. In Wirklichkeit gibt es aber gerade für Topverdiener und Konzerne noch immer Schlupflöcher, um Steuern zu vermeiden. Norbert Walter-Borjans will das nicht mehr hinnehmen. „Dass der Gesetzgeber Türen zur Plünderung öffentlicher Kassen offenstehen ließ, ist skandalös“, sagt der SPD-Chef.

    SPD-Chef Norbert Walter-Borjans: "Cum-Ex ist Betrug an der Allgemeinheit"

    Dazu passt, dass in dieser Woche ein Mann vor Gericht stehen sollte, der als Schlüsselfigur im größten Steuerskandal der deutschen Geschichte gilt. Für die Ermittler steht fest: Hanno Berger ist der Kopf hinter dem Cum-Ex-Modell, bei dem Steuern vom Staat zurückerstattet wurden, die vorher gar nicht bezahlt worden waren. Doch sein Prozess ist coronabedingt erneut verschoben. Ob Berger, der seit Jahren in der Schweiz lebt, jemals vor Gericht erscheinen wird, ist fraglich.

    Walter-Borjans, der in seiner Zeit als Finanzminister von Nordrhein-Westfalen CDs mit den Daten mutmaßlicher Steuersünder kaufen ließ, hat keine Zweifel, dass Konstruktionen wie Cum-Ex strafbar sind: „Ich halte diese Geschäftsmodelle für Betrug an der Allgemeinheit.“ Finanzberater wie Berger, der einmal oberster hessischer Steuerprüfer für Banken gewesen ist, bevor er die Seiten wechselte, halten dagegen, sie hätten nur die gesetzlichen Möglichkeiten erkannt – und genutzt.

    Chef der Steuergewerkschaft fordert Anzeigepflicht für "Steuergestaltung"

    Der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, lässt diese Argumentation nicht gelten. „Das sind sicher Modelle, die unser Rechtssystem missbrauchen“, sagt er und erklärt, warum die Fälle oft ungeahndet bleiben: Es gebe in den Finanzverwaltungen zwar versierte Experten, aber die Täter seien meist ein paar Kilometer voraus, betont Eigenthaler. „Die fahren mit dem Ferrari davon und wir mit dem Moped hinterher.“ Walter-Borjans hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Es gibt in den Ministerien und auch in den Finanzämtern top ausgebildete Leute. Angesichts des Unwesens, das spitzfindige Steuertrickser treiben, aber leider zu wenige. Dazu kommen Defizite in der technischen Ausstattung und mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten.“ Ohne Insiderinformationen habe der Staat kaum Chancen, Gesetzeslücken rechtzeitig zu entdecken.

    Dem Staat entgehen Milliarden an Steuereinnahmen

    Den Schaden durch Steuersparmodelle seriös zu beziffern, ist laut dem Chef der Steuergewerkschaft unmöglich. Allein in Deutschland dürfte er aber gut im zweistelligen Milliardenbereich liegen. Eigenthaler fordert deshalb eine Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungsmodelle, wie es sie auf europäischer Ebene für grenzüberschreitende Geschäfte bereits gibt. So sollen Behörden schon aufmerksam werden, bevor Systeme wie Cum-Ex oder Goldfinger in großem Stil angewandt werden. Die Bundesregierung, vor allem die CDU, wehre sich allerdings gegen eine solche Pflicht. Der Fall Goldfinger, der in Augsburg verhandelt wurde, erregte neulich Aufsehen, weil die Angeklagten nach jahrelangem Verfahren straffrei ausgingen.

    Darum geht es im Cum-Ex-Steuerskandal

    Der Begriff Cum-Ex steht für den größten Steuerskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Mehr als 130 Banken haben sich an den Geschäften beteiligt. Staatsanwälte ermitteln bundesweit gegen mehr als 1000 Beschuldigte.

    Nach neuesten Berechnungen soll der Schaden für die Finanzbehörden in Europa bei mehr als 55 Milliarden Euro liegen.

    Neben etlichen Zivilprozessen und Finanzgerichtsverfahren gibt es bisher drei Strafverfahren im Cum-Ex-Skandal. Die erste Anklage reichte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt im Mai 2018 am Landgericht Wiesbaden ein. Doch das Gericht prüfte die Anklageschrift ausführlich und ließ sie erst im Dezember 2019 zu.

    Die Frage, ob Cum-Ex-Deals strafbar sind, ist seit Juli 2021 höchstrichterlich geklärt. Das erste und bisher Strafurteil sprach das Landgericht Bonn im März 2020. Die dortige Wirtschaftsstrafkammer entschied, dass die Geschäfte strafbar sind, verurteilte zwei britische Aktienhändler aber zu milden Bewährungsstrafen. Grund: Sie standen der Staatsanwaltschaft bereitwillig Rede und Antwort. Der BGH bestätigte das Urteil.

    Gegen die zentrale Schlüsselfigur Hanno Berger laufen mindestens drei bekannte Strafverfahren: Neben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln in mehreren Komplexen. Das Landgericht Bonn hat diese Woche eine Anklage aus Köln zugelassen. In diesem Fall lautet der Vorwurf, der Anwalt habe die Hamburger Privatbank M.M. Warburg in mehreren Fällen schwerer Steuerhinterziehung mittels Cum-Ex-Geschäften beraten. Der Schaden wird auf rund 280 Millionen Euro beziffert. (hogs)

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