Finanzämter gehen bei in ihren Augen zu günstigen Mieten bundesweit gegen Vermieter vor und streichen ihnen einen Teil der Werbungskosten. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion will das Bundesfinanzministerium trotz der angespannten Wohnungssituation auf dem Mietmarkt an der umstrittenen Praxis festhalten und sieht dabei keinen Entscheidungsspielraum für soziale Härten, wie aus dem Schreiben hervorgeht, das unserer Redaktion vorliegt.
Finanzämter bestrafen Vermieter bei zu günstiger Miete - FDP spricht von Skandal
Der bayerische FDP-Chef und wohnungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Daniel Föst kritisiert das Vorgehen scharf. Auch der Deutsche Mieterbund fordert Nachbesserungen.
"Diese Praxis ist unsäglich", sagte Föst der Augsburger Allgemeinen. "Es ist ein Skandal, dass Finanzämter niedrige Mieten bestrafen, aber nie zu hohe", betonte er. Grundlage des Vorgehens der Finanzämter ist eine 2011 beschlossene Regelung im Einkommensteuerrecht, wonach bei Mieten in Höhe von "weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Marktmiete" ein Teil "als unentgeltliche Überlassung" gilt. Entsprechend erkennen die Finanzämter geringere Werbungskosten an.
"Die Finanzämter scheinen die ortsübliche Vergleichsmiete in der Praxis willkürlich festzulegen und müssen sich dabei offensichtlich nicht an den Mietspiegel halten", kritisierte Föst. "Wir kennen zum Beispiel Fälle in München, da hat das Finanzamt nicht die durchschnittliche Nettokaltmiete von 11,69 Euro herangezogen sondern 22 Euro pro Quadratmeter angesetzt, also fast doppelt so viel und selbst für Münchner Verhältnisse sehr hoch", sagte der Münchner Bundestagsabgeordnete. "Das kann niemand nachvollziehen."
Die Beweislast liege damit beim Vermieter, der sich einen Anwalt nehmen müsse, um den Fall richtig zu stellen. "Oder Mietern droht eine Mieterhöhung", kritisierte Föst. "Die 66 Prozent erreichen Vermieter in der Praxis relativ schnell, zum Beispiel wenn eine Miete statt bei 1200 Euro bei 750 Euro liegt", erklärte Föst.
SPD-Finanzministerium will nicht auf gängige Praxis verzichten
Das Finanzministerium von SPD-Minister Olaf Scholz sieht allerdings keinerlei Änderungsbedarf. "Nein", heißt es in der Antwort. Die Bundesregierung habe dieses Jahr bereits eine entsprechende Bundesratsinitiative abgelehnt. Die Steuervorschrift soll laut Regierung vor Missbrauch schützen: "Insbesondere sollen Mitnahmeeffekte, etwa bei Vermietung unter Angehörigen, verhindert werden", heißt es in der Antwort. Zudem sei "das Steuerrecht nicht ursächlich für die Wohnungsknappheit". Das Bundesministerium stellt zudem klar, dass die Finanzämter in ganz Deutschland die Regelung strikt anwenden müssten: "Die gesetzliche Vorschrift sieht keinen Ermessensspielraum vor."
In wie vielen Fällen die Finanzämter inzwischen eingeschritten sind, ist dem Bundesfinanzministerium laut der Regierungsantwort jedoch unbekannt. Auch der Deutsche Mieterbund kennt mehrere Fälle, aber keine Größenordnung: Mieten, die mehr als ein Drittel unter der Durchschnittsmiete lägen, "sind zwar nicht nur Einzelfälle, aber sicherlich Ausnahmefälle", sagte Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz unserer Redaktion. "Wir können aber nicht abschätzen, wie viele Fälle es in Deutschland tatsächlich gibt", fügte er hinzu.
Der Mieterbund fordert, dass die Bundesregierung sicherstellen müsse, dass nur die offiziell ortsübliche Vergleichsmiete etwa mithilfe eines Mietspiegels bei Berechnungen der Finanzämter herangezogen werde. "Sollte es vor Ort, zum Beispiel in München, eine andere Praxis geben, muss dies unterbunden werden", betonte Ropertz. Vor allem aber müsse die Regierung den Finanzämtern die Möglichkeit für Ausnahmen bei sozial eingestellten Vermietern geben, die auf einkommensschwächere Mieterschaft Rücksicht nähmen, forderte Verbands-Geschäftsführer Ropertz.
FDP-Wohnungsexperte Föst kündigte einen Gesetzentwurf seiner Fraktion im kommenden Jahr an: "Ich persönlich befürworte es, wenn man auf diese Regelung komplett verzichtet", sagt Föst. "Einen steuerlichen Missbrauch mit Scheinvermietungen an Verwandte kann man auch mit einer anderen Regelung verhindern", betonte er. "Der Staat sollte aber nicht davon ausgehen, dass alle Bürger böse sind und sich nur bereichern und betrügen wollen."
Der Liberale verwies darauf, dass das Steuerrecht jüngst geändert wurde, nachdem bekannt wurde, dass Finanzämter Pflegekräfte mit Nachforderungen dafür belangt hatten, dass sie von ihren Arbeitgebern günstige Mietwohnungen zur Verfügung gestellt bekamen. "In diesem Fall hat die Koalition wenigstens erkannt, dass man so günstige Werkswohnungen verhindert", sagte Föst.
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