Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Sterbehilfe: Was der Beschluss des Bundestags zur Sterbehilfe bedeutet

Sterbehilfe

Was der Beschluss des Bundestags zur Sterbehilfe bedeutet

    • |
    Der Bundestag hat geschäftsmäßige Sterbehilfe verboten.
    Der Bundestag hat geschäftsmäßige Sterbehilfe verboten. Foto: Norbert Försterling, dpa

    Die Entscheidung des Bundestages für ein Verbot der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung kam schließlich klarer und schneller als erwartet. Der Gesetzentwurf der Abgeordneten um Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) erhielt am Freitag im Parlament schon in der Zweiten Lesung die absolute Mehrheit. Mit 360 Ja-Stimmen bei 233 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen setzte der Bundestag im abschließenden Votum ein klares Signal, dass ein Geschäft mit dem Tod in Deutschland nicht erwünscht ist.

    Worüber mussten Die Parlamentarier entscheiden?

    Vier Gesetzesentwürfe und ein Antrag lagen den Abgeordneten vor: Neben dem Brand/Griese-Entwurf forderten Abgeordnete um Patrick Sensburg (CDU) ein völliges Verbot der Beihilfe, während Parlamentarier um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) allein die auf Gewinn angelegte Suizidbeihilfe verbieten, ansonsten aber günstige Rahmenbedingungen für die Beihilfe schaffen wollten. Abgeordnete um Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) wollten Ärzten die Beihilfe unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich erlauben.

    In einer nachdenklich, bisweilen auch leidenschaftlich zuspitzenden dreistündigen Debatte drehte sich aber schließlich fast alles um die Alternative zwischen dem strafrechtlichen Verbot der organisierten Beihilfe oder der Beibehaltung der Rechtslage. Der entsprechende Entwurf galt schon im Vorhinein mit den meisten Unterschriften - einschließlich jenen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Gabriel - als aussichtsreichster.

    Welche Argumente hatten die Gegner eines Sterbehilfeverbots?

    Die Gegner führten immer wieder das Selbstbestimmungsrecht am Ende des Lebens ins Feld. Dies sei der Kern der Menschenwürde, so Hintze. Der Staat dürfe nicht bevormunden. Der Patient dürfe im Extremfall nicht alleine gelassen werden. Künast verlangte Respekt vor der Freiheit des anderen, seinen eigenen Weg zu gehen. Als Beispiel nannte sie die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch. In ihren eigenen Gesetzentwürfen ging es allerdings weniger um Extremfälle, sondern um allgemeine Regelungen der Suizidbeihilfe.

    Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU), der mit anderen für die Möglichkeit des ärztlich begleiteten Suizids eintrat, warnte vor der Verschärfung des Strafrechts. Patienten in größter existenzieller Not würden künftig alleine gelassen. Im Fall eines Verbots geschäftsmäßiger Sterbehilfe drohten Ärzte mit Ermittlungsverfahren überzogen zu werden. "Wir wollen, dass am Sterbebett nicht Staatsanwälte stehen, sondern Angehörige und Ärzte."

    Was sagen Befürworter des Entwurfs?

    Brand und Griese warnten davor, dass Menschen zu einem Suizid gedrängt werden könnten. "Es geht auch um den Schutz von Menschen vor gefährlichem Druck", sagte Brand. Griese meinte, niemand solle unter Druck geraten, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden, selbst wenn noch gute Tage möglich seien. Es soll sich niemand "dafür entschuldigen müssen, dass er noch leben will". Brand nannte als Kernanliegen: "Hilfen ausbauen und den Missbrauch stoppen". Das Angebot organisierter Suizidbeihilfe schaffe Nachfrage, wie die Nachbarländer Niederlande oder die Schweiz zeigten. Ärztliche Freiräume blieben wie bislang erhalten. Es gebe Bereiche, "in denen das Strafrecht schlicht schweigen muss". Elisabeth Scharfenberg (Grüne) erinnerte daran, dass Selbstbestimmung Voraussetzungen habe. Durch das Verbot werde der Druck genommen und damit die freie Entscheidung erst ermöglicht.

    Was genau besagt der Entwurf?

    Vereine oder Einzelpersonen dürfen demnach künftig keine Beihilfe zum Suizid als Dienstleistung anbieten. Wörtlich heißt es: "Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Weiterhin heißt es im Gesetz, straffrei bleibe, "wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt" und entweder Angehöriger ist oder dem Betreffenden nahe steht. Der Ehemann zum Beispiel, der seine todkranke Frau, die sich zum Sterben entschlossen hat, zu einem geschäftsmäßig handelnden Suizidhelfer fährt, um sie mit in den Tod zu begleiten, macht sich grundsätzlich nicht strafbar. Komplizierter ist die Lage möglicherweise für Ärzte, die Sterbehilfe leisten. Derzeit bewegen sie sich weitgehend in einer Grauzone. Auch die neue Rechtslage schafft zunächst wenig Klarheit. Problematisch könnte es für Ärzte insbesondere dann werden, wenn sie wiederholt Sterbewilligen ein tödliches Medikament zur Verfügung stellen. Die Initiatoren des Gesetzentwurfs verweisen darin auf das Kriterium der Geschäftsmäßigkeit. Dies setze nicht zwingend eine Gewinnabsicht voraus, sondern es genüge, dass der Täter "die Wiederholung gleichartiger Taten zum Gegenstand seiner Beschäftigung macht".

    Wie sind die Reaktionen auf die Entscheidung?

    Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, begrüßte im Anschluss die Entscheidung des Bundestages. Er hatte sich stets gegen den Arzt als professionellen Suizid-Helfer gewandt. Auch die Kirchen äußerten sich positiv. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann sagte: "Als Christen ist uns der Schutz des Lebens gerade ganz am Anfang und am Ende, das heißt in den besonders verletzlichen Phasen, ein besonderes Anliegen." Deshalb sei er dankbar für den Parlamentsbeschluss, in welcher er einen ethischen Gewinn sehe: "Sie bedeutet keine Einschränkung der Freiheit und Selbstbestimmtheit des einzelnen Patienten", so Ackermann. In einer gemeinsamen Erklärung teilten Bedford-Strohm sowie der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, mit: "Das neue Gesetz schützt schwer kranke und ältere Menschen vor einem zunehmenden sozialen Druck, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden." Der Bundestag habe ein starkes Zeichen für den Lebensschutz gesetzt.  Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sprach von einer "klaren und weisen Entscheidung" des Parlaments. "Der organisierten Suizidbeihilfe wird das Handwerk gelegt, die Hilfe zum Suizid im Einzelfall bleibt weiterhin straffrei", sagte er.

     "Ein schwarzer Tag für  Deutschland, insbesondere für schwerstleidende Menschen!",  kommentierte dies der Berliner Arzt und Sterbehelfer Uwe-Christian Arnold. Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), in deren Beirat sich  Arnold engagiert, kündigte direkt nach der Abstimmung eine Klage an,  die man im Notfall auch auf der europäischen Ebene führen werde.  "Dieses Gesetz wird vor Gericht keinen Bestand haben!", gab sich  gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon optimistisch, wobei er auf die  Resolution der deutschen Strafrechtslehrer verwies, die sich bereits  vor Monaten entschieden gegen ein Verbot der professionellen Freitodbegleitung ausgesprochen hatten. Der Verein Sterbehilfe AZ

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden